Umweltorganisationen gegen "Greenwashing" von Erdgas in der EU-Taxonomie

ClientEarth – Anwälte der Erde und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben gemeinsam mit anderen Umweltgruppen offiziell ein juristisches Verfahren gegen die Aufnahme von fossilem Gas in das EU-Regelwerk für nachhaltige Finanzen eingeleitet. 

Quelle: stock.adobe.com/Сергей Конторин
Quelle: stock.adobe.com/Сергей Конторин

"Gas ist ein klimaschädlicher Brennstoff, der die europäische Energiesicherheit bedroht und zu exorbitanten Energiepreisen und rasant steigenden Lebenshaltungskosten in ganz Europa geführt hat", heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Die Einstufung von Gas als „nachhaltige“ Investition verstoße gegen eine Reihe von wichtigen EU-Gesetzen, insbesondere gegen die Taxonomie-Verordnung selbst. 

Erdgas steht derzeit wie keine andere Energieform im Mittelpunkt der Debatte um explodierende Energierechnungen und steigende Lebenshaltungskosten in Europa. Außerdem steht es wegen der Freisetzung großer Mengen an Kohlenstoff- und Methanemissionen bei seiner Verbrennung in der Kritik.

ClientEarth und der BUND haben zusammen mit dem EU Policy Office des WWF sowie Transport & Environment (T&E) bei der Europäischen Kommission die Überprüfung des ergänzenden delegierten Rechtsaktes beantragt, mit dem die EU-Exekutive Investitionen in fossiles Gas als „nachhaltig“ klassifiziert hat. Trotz breitem gesellschaftlichem Widerspruchs haben der EU-Rat und das Europäische Parlament diese Einstufung akzeptiert. Sollte die Kommission an ihrer Entscheidung festhalten, stünde den Umweltorganisationen der Gang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) offen.  

„Die EU-Taxonomie sollte der Goldstandard für nachhaltige Investitionen sein. Die Aufnahme von Erdgas in das Regelwerk birgt aber die Gefahr, dass Investitionen in eine teure, unzuverlässige und klimaschädliche Energieform gelenkt werden, statt für eine tatsächlich nachhaltige Energiewende in Europa zur Verfügung zu stehen“, so Marta Toporek, Umweltjuristin bei ClientEarth. „Die Entscheidung der EU-Kommission steht damit in Widerspruch zum europäischen Klimagesetz und der Taxonomie-Verordnung selbst. Sie verstößt auch gegen die Verpflichtungen der EU im Rahmen des Pariser Abkommens.“ 

„Wir sagen nein, zu einem fossilen Lock-in. Erdgas und Atom sind nicht grün, auch wenn die EU-Kommission dies auf Druck aus Paris und Berlin so festgelegt hat“, erklärt BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. „Der Krieg gegen die Ukraine und die Abhängigkeit von Russland zeigen, dass fossiles Erdgas keine Lösung ist. Die Klimakrise macht trotz der gegenwärtigen Situation keine Pause, deshalb müssen wir heute auch an morgen denken. Institutionelles Greenwashing durch die EU-Kommission macht Gas nicht nachhaltig. Statt auf den Klimapfad zu kommen, führt uns diese Entscheidung in die energiepolitische Sackgasse. Sie untergräbt damit ihre eigenen, grundlegenden Ziele, für eine saubere, bezahlbare und sichere Energieversorgung in Europa zu sorgen. Die EU Kommission muss diese fatale Fehlentscheidung rückgängig machen und den Rechtsakt auch wegen dem Greenwashing anderer hoch umstrittener Energieträger komplett zurückziehen.“

Die beantragte interne Überprüfung ist ein juristischer Mechanismus, der nach einer umfassenden Reform der EU-Rechtsvorschriften über den Zugang zu Gerichten im vergangenen Jahr nun auch von Nichtregierungsorganisationen und der Öffentlichkeit genutzt werden kann. Die Umweltorganisationen fordern damit die EU-Kommission auf, den ergänzenden delegierten Rechtsakt aufzuheben. Die Europäische Kommission hat nun bis zu 22 Wochen Zeit, um zu antworten. Weigert sich die Kommission, können die antragstellenden Organisationen den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anrufen, um die Aufhebung des umstrittenen Rechtsaktes zu erzwingen.

Hintergrund

Im Jahr 2021 wurde eine wegweisende Reform des EU-Rechts zum Zugang zu Gerichten verabschiedet. Dadurch wurden die Haupthindernisse für Nichtregierungsorganisationen und Bürger*innen beseitigt, Umweltentscheidungen vor Gericht anzufechten. Umweltorganisationen haben nun das Recht, EU-Institutionen (in diesem Fall die Kommission) aufzufordern, zu überprüfen, ob eine ihrer Entscheidungen gegen europäisches Umweltrecht verstößt. Die jeweilige Institution muss auf eine solche Anfrage innerhalb von 16 Wochen offiziell antworten; eine Frist, die auf bis zu 22 Wochen verlängert werden kann. Stellen die Beschwerdeführenden fest, dass die Antwort der EU-Kommission den Rechtsverstoß nicht behebt, können sie vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.

Sowohl die Internationale Energieagentur (IEA) als auch der Weltklimarat (IPCC) haben klar gesagt, dass keine neuen Öl- und Gasförderungsprojekte begonnen werden sollten, wenn wir die Erwärmung innerhalb von 1,5 °C halten wollen. Darüber hinaus ergab eine kürzlich durchgeführte Studie, dass fast die Hälfte der bestehenden Produktionsstätten für fossile Brennstoffe frühzeitig geschlossen werden müssen, wenn die 1,5 °C-Grenze eingehalten werden soll. 

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