Verbraucherberatung

Nahezu Null ist Pflicht im Neubau

Seit Anfang 2024 gelten für Neubauten verschärfte Energieeffizienzstandards mit dem Ziel von “nahezu Null” CO2-Emissionen. Was das bedeutet und wie eine moderne Energieeffizienzberatung Bauprojekte und Gebäudetechnik  zukunftssicher machen kann.

Bildquelle: Verena Sommerfeld
Bildquelle: Verena Sommerfeld

Von Verena Sommerfeld, Sommerfeld Energieberatung Karlsruhe GmbH

Die strengen Vorgaben für die Energieversorgung von Gebäuden haben einen klaren Zweck: Ähnlich wie bei der Verkehrswende setzt der Gesetzgeber auch beim Bauen auf nachhaltige Weichenstellungen. Konkret bedeutet das erstens,  dass Neubauten weitestgehend durch regenerative Energien versorgt werden.  Zweitens soll der Energiebedarf durch den Einsatz effizienter Technik und geeigneter Baumaterialien so stark gesenkt werden, dass Verbraucher  unabhängig von fossilen Brennstoffen und schwankenden Energiepreisen werden. 

Wie entscheidend die Energieeffizienz heute ist, zeigt sich nicht nur bei der Genehmigung von Bauprojekten. Auch der Immobilienwert hängt zunehmend von nachhaltiger Gebäudetechnik und energieeffizienten Versorgung ab. Bauherren, die lediglich die Mindestanforderungen erfüllen, riskieren mittelfristig Wertverluste ihrer Immobilie. Doch an welchen Standards sollte man sich orientieren? Wie kann eine professionelle Energieeffizienzberatung  die Planung unterstützen?

Die schwarze Null schreiben - Energieeffizienz ist das zentrale Ziel

Auf Ebene der Europäischen Union wurde das Ziel von "nearly zero-energy buildings" (nZEB) vor fast 15 Jahren auf den Weg gebracht. Der erklärte Anspruch dahinter: Den Primärenergiebedarf eines Gebäudes drastisch zu senken, indem die Energieeffizienz maximiert und der verbleibende Bedarf überwiegend durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Verwirklichen lässt sich dieses Ziel auf mehreren Ebenen: Erstens geht es darum, regenerative Ressourcen direkt vor Ort, beispielsweise durch Photovoltaik- und Solarthermieanlagen auf dem Dach des Gebäudes,  zu nutzen. Ergänzend dazu spielen Wärmepumpen eine zentrale Rolle. Sie gewinnen Wärme aus der Umgebungsluft (Luft/Wasser-Wärmepumpe), dem Boden (Erdwärme oder Sole/Wasser-Wärmepumpe) oder dem Grundwasser (Wasser/Wasser-Wärmepumpe) und arbeiten besonders effizient, wenn sie mit erneuerbarem Strom betrieben werden. Alternativ lässt sich die Energie aus regionalen Versorgungsnetzen beziehen, die erneuerbare Energien wie Wind- oder Wasserkraft bereitstellen. Zweitens gibt es das Ziel der generellen Reduktion des Energieverbrauchs. Hochwertige Dämmmaterialien minimieren Wärmeverluste über die Gebäudehülle. Darüber hinaus spielt eine effiziente Gebäudetechnik, wie energieoptimierte Heiz-, Kühl- und Lüftungssysteme, eine entscheidende Rolle. Der dritte wichtige Faktor ist eine Versorgung, die optimal auf die lokale Infrastruktur abgestimmt ist. Beispielsweise kann die Nutzung von Nah- und Fernwärmenetzen oder die Einbindung in lokale Stromspeichersysteme die nachhaltige Energieversorgung verbessern.

Vielfältige Technologien für eine nachhaltige Energieversorgung

Neubauten müssen sich am Nahezu-Null-Ziel orientieren. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Energieversorgung sich zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien speisen muss und ein modernes Heizungssystem Pflicht ist. Allerdings bedeutet diese Pflicht keine Festlegung auf eine bestimmte Technologievariante. Neben etablierten Lösungen wie Solartechnologie oder Wärmepumpensystemen bieten auch neuartige Technologien wie wasserstofffähige Heizungen oder Hybridlösungen vielversprechende Ansätze. Insbesondere in Regionen mit begrenztem Zugang zu Fernwärme oder lokalen Ressourcen sind solche flexiblen Optionen entscheidend.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Energieeffizienzberatung, die sowohl technologische Entwicklungen als auch regionale Versorgungsstruktur berücksichtigt. Sie hilft, individuelle Lösungen zu finden, die auf den Standort und die Bedürfnisse des Bauvorhabens abgestimmt sind. Das Ergebnis ist ein stimmiges Gesamtkonzept, das hohe Effizienz, Unabhängigkeit und Zukunftssicherheit vereint.

Energieeffizienzberatung lohnt sich

Eine fundierte Energieberatung liefert Bauherren mit einem stimmigen Konzept mehr als nur das Pflichtprogramm. Was manche Verbraucher nicht wissen: Wer beim Bauprojekt von der KfW-40-Neubauförderung mit zinsverbilligten Krediten profitieren will, muss strenge Vorgaben erfüllen. Der Einsatz fossiler Brennstoffe ist vollständig ausgeschlossen - selbst in kleinen Teilen. Zudem ist für die Beantragung der Fördermittel die Einbindung eines zertifizierten Energieberaters aus der Energieeffizienz-Expertenliste der dena (Deutsche Energie-Agentur) verpflichtend. Er erstellt die notwendigen Nachweise vor und nach der Baumaßnahme und begleitet diese. 

Modernen Energieeffizienzberater verfolgen heute einen ganzheitlichen Ansatz. Dabei prüfen sie alle Aspekte - von der Gebäudehülle über technische Anlagen bis hin zur Nutzung regenerativer Energiequellen. Das Ergebnis ist ein stimmiges Gesamtkonzept, das höchste Energieeffizienz und Nachhaltigkeit gewährleistet.

Das Gesamtprojekt im Blick

Welche Faktoren fließen typischerweise in eine Energieeffizienzprüfung ein? Erstens wird der Energiebedarf des Gebäudes anhand der geplanten  Energieversorgung und des voraussichtlichen  Verbrauchs berechnet. Zweitens werden die unvermeidlichen  Energieverluste des Gebäudes analysiert. In diesem Zusammenhang ist die Qualität der Dämmung ein zentraler Aspekt. Energieeffizienzberater prüfen die vorgesehenen Baumaterialien und erstellen eine Prognose, welche Energieverluste sich daraus ergeben. Dabei können sie alternative Materialien oder Bauweisen empfehlen, die die Verluste erheblich reduzieren und die Energieeffizienz verbessern. Ein dritter wichtiger Bereich ist die Gebäudetechnik. Sie beeinflusst nicht nur die Effizienz der Heizungsanlage, sondern spielt auch bei der Steuerung der Raumtemperatur, der Integration von Lüftungssystemen und der Nutzung smarter Technologien eine entscheidende Rolle. Diese Systeme tragen wesentlich zur Optimierung der Gesamtbilanz bei und sorgen für ein nachhaltiges, komfortables Raumklima.

Fazit 

Eine sorgfältige Planung von Anfang an zahlt sich aus - nicht nur in Bezug auf die Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen. Sie ermöglicht auch die Realisierung bspw. eines Neubaus, der die Anforderungen des Qualitätssiegels “Nachhaltiges Gebäude PLUS” erfüllt und somit für Fördermittel der ersten Stufe im Programm “Klimafreundlicher Neubau” qualifiziert ist. Dies erhöht den langfristigen Wert der Immobilie und sorgt dafür, dass keine kostspieligen Nachrüstungen erforderlich werden, selbst wenn die gesetzlichen Standards in Zukunft weiter verschärft werden.

Zudem bringt eine umfassende Energieeffizienzberatung erhebliche finanzielle Vorteile. Durch optimierte Energiekonzepte sinken die laufenden Energiekosten spürbar, was langfristig eine deutliche Entlastung bei den Fixkosten bedeutet. Wer heute in nachhaltige Technologien und eine fundierte Beratung investiert, schafft nicht nur ein zukunftssicheres Gebäude, sondern trägt auch aktiv zum Klimaschutz bei.

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