Von Reiner Nowak und Timo Brehme, geschäftsführende Gesellschafter CSMM - architecture matters, München
Erst kürzlich wurde in der Münchner Innenstadt wieder ein Bürogebäude abgerissen, das erst 25 Jahre alt war. Das muss nicht sein, doch in der Baupraxis geben Gebäudeplaner leider noch viel zu oft dem Abriss beziehungsweise Ersatzneubau den Vorzug vor dem ökologisch viel sinnvolleren Bestandserhalt mitsamt Sanierung. Dabei liegen insbesondere hier enorme Potenziale für ressourcenschonende Einsparungen und Klimaschutz. Es braucht mehr Aufklärung in Sachen Baurecht, Brandschutz und Wirtschaftlichkeit, damit Eigentümer und Projektentwickler nachhaltiger zwischen Abriss und Sanierung entscheiden können.
Neben baurechtlichen Aspekten und gesetzlichen Anforderungen wie Brandschutz entscheiden sich Entwickler oft aus Kostenaspekten und wegen ungeklärter Fragen nach der Wirtschaftlichkeit verfrüht für einen Abriss und Neubau. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Architects for Future. Laut der Umfrage verweisen zahlreiche befragte Architekten auf fehlende Sachkenntnis bei Bauherren (24 %) und Fachplanern (13 %). Insgesamt zeigt sich, dass neben einer oft mangelhaften Grundlagenermittlung bei Bestandsprojekten ein Gewirr aus gesetzlichen Vorgaben und Förderprinzipien zur möglichen Fehlentscheidung für einen Abriss beiträgt. „Wir plädieren dafür, Bauträger und Planer besser über den Wert der bestehenden Immobilien sowie über Kosten, Bausubstanz und Potenziale, die in den Gebäuden stecken, zu informieren. Dann lassen sich auch zufriedenstellende Antworten auf die aktuellen Probleme finden. Aufklärung tut deshalb Not.“
Ähnliche Schlüsse ziehen Architects for Future als mögliche Lösungsansätze auf dem Weg zu einer signifikant höheren Sanierungsquote. Sie plädieren für mehr Aufklärung über den Wert des Gebäudebestandes und dessen klimaschutztechnische Potenziale. Dabei haben sie nicht nur Bauherren, Bauämter und Baubeteiligte im Blick, sondern die Bevölkerung allgemein. So wünschen sich 21 % der Befragten eine „Umbauordnung“, mit der gesetzlich verbindliche Anforderungen für das Bauen im Bestand festgeschrieben werden. Diese Hemmnisse müssen angegangen werden, um im notwendigen Maß an einer klimaneutralen Zukunft zu bauen
In der Tat sind die Zahlen rund um CO2-Ausstoß und Energieverbrauch in der Baubranche alarmierend: Rund 30% direkte und indirekte Emissionen, fast 40% des Energieverbrauchs und sogar 60% des Abfallaufkommens in Deutschland lassen sich auf den Gebäudesektor zurückführen.
Um die mit dem Pariser Klimaabkommen beschlossene 1,5-Grad-Celsius-Grenze einhalten zu können, muss Deutschland bis 2035 CO2-neutral werden. Eine Studie des Umweltbundesamtes bekräftigt, dass dazu auch Klimaneutralität für den gesamten Gebäudebestand bis 2035 unerlässlich ist. Dieses Ziel ist für die Immobilienbranche sowohl aus technischer als auch ökonomischer Sicht zwar extrem anspruchsvoll, grundsätzlich aber möglich.
Neben einer stark verbesserten Gebäudeeffizienz liegt das Potenzial vor allem in der Sanierung und Revitalisierung von Bestandsbauten. Wenn wir aktiv an der Gestaltung einer klimaneutralen Zukunft teilhaben wollen, führt am Gebäudebestand und seiner Sanierung kein Weg vorbei. Deshalb fordern wir, dass jeder Abriss wirklich kritisch hinterfragt wird.