Elektromobilität

Wandel für die Gebäudetechnik

Der Vormarsch der Elektromobilität bringt Herausforderungen für die Gebäudeleittechnik der Zukunft mit sich. Leistungsflüsse von Klimatechnik, Strom- und Wärmeerzeugung müssen mit denen der Ladeleistungen von Elektrofahrzeugen abgestimmt werden. Für die Kommunikation sind gesetzliche Rahmenbedingungen und technische Voraussetzungen geschaffen worden.

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Leistungsmanagement mit EEBUS Bild: EEBUS
Leistungsmanagement mit EEBUS Bild: EEBUS

Die Anzahl von Elektrofahrzeugen wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Das stellt nicht nur die Energiewirtschaft, sondern auch die Gebäudeinfrastruktur vor neue Herausforderungen. Bislang waren das lokale Strom- und das Gebäudenetz nicht auf derart große und zugleich recht volatile Verbraucher ausgelegt. Wollen Fahrzeuge zeitgleich mit hoher Last Strom ziehen, stößt die lokale Infrastruktur schnell an ihre Grenzen, es kommt zur Überlast. Dies könnte nicht selten Stromausfälle zur Konsequenz haben.

Diese Herausforderung ist durch zahlreiche Forschungsprojekte und Studien hinreichend bekannt, nun reagiert auch der Gesetzgeber: Im Bereich der Gebäude greift der neue Gesetzesentwurf zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz – GEIG).

Werden Nichtwohngebäude mit mehr als zehn Stellplätzen gebaut oder umfassend renoviert, muss seit März 2021 jeder fünfte Stellplatz mit Schutzrohren für Elektro- und Datenleitungen ausgestattet und mindestens ein betriebsbereiter Ladepunkt errichtet werden. In den parlamentarischen Diskussionen wird aktuell überlegt, diese Grenze schon ab Gebäuden mit fünf Stellplatzen gelten zu lassen.

Spätestens ab 2025 muss dann jedes nicht zum Wohnen genutzte Bestandsgebäude mit mehr als 20 Stellplätzen mit mindestens einem Ladepunkt ausgestattet werden.

Auch im Bereich der Wohngebäude wird die Gesetzeslage stetig novelliert: So wurde u. a. gerade erst der rechtliche Anspruch auf die Installation von Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern, sei es in der Vermietung oder als Eigentümergemeinschaften, gestärkt.

Unter Einfluss dieser gesetzlichen Entwicklungen darf man europaweit von bis zu 60 Mio. Ladepunkten bis 2030 ausgehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Planende von Gebäudetechnik mit einigen davon in Berührung kommt, ist also sehr hoch.

Herausforderungen für die Gebäudeinfrastruktur

Die Problematik liegt nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, bei der benötigten Energiemenge. Diese ist auch für den geplanten Hochlauf der Elektromobilität ausreichend vorhanden. Von Relevanz ist viel eher die Leistungsverteilung. Das zeitgleiche Laden aller Elektroautos kann bereits heute zu Engpässen im Stromnetz führen.

Parallel dazu führt die CO2-Strategie der Bundesregierung neben der Mobilitätswende auch zu einer Wärmewende: Wärme wird zunehmend elektrisch erzeugt; Studien sprechen von einem ebenso signifikanten Zuwachs wie bei Elektrofahrzeugen.

Insbesondere bei kleinen bis mittelgroßen Bestandsgebäuden wird die Ladeleistung über den vorhandenen Netzanschluss geführt, was i. d. R. zu der Erkenntnis führt, dass die Gebäudesicherung das zeitgleiche Betreiben aller Komponenten verhindert.Die Gebäudeleittechnik (GLT) der Zukunft muss also dafür sorgen, dass die Leistungsflüsse von Klimatechnik und Wärmeerzeugung im Gebäude mit denen der Ladeleistungen der Elektrofahrzeuge auf dem Betriebsgelände (Parkplatz, Tiefgarage usw.) abgestimmt werden und die maximal verfügbare Leistung nicht überschritten wird. Auch in Anbetracht künftiger Entwicklungen im Bereich des bi-direktionalen Ladens wird ein lokales Energiemanagement immer wichtiger.

Dynamische Leistungsbegrenzung statt Netzausbau

Die potenzielle Überlastung durch Elektrofahrzeuge und das damit verbundene Risiko für den stabilen Netzbetrieb führt nicht selten dazu, dass Netzbetreiber die Installation neuer Ladepunkte nicht genehmigen.

Darauf hat der Gesetzgeber reagiert. Konkret wird das netzdienliche Lade- und Lastmanagement in §14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) festgelegt. Die Netzdienlichkeit der Elektrofahrzeuge wird demnach per Gesetz vorgeschrieben, analog zur Novelle des EEG, die u. a. das dynamische Einspeisemanagement für Photovoltaikanlagen auf einem Gebäudedach festschreibt.

Bei der dynamischen Leistungsbegrenzung am Netzanschluss (PLim) handelt es sich um einen Eingriff in das Kundensystem, für den der Endverbraucher oder Gebäudebetreiber finanzielle Vorteile bei den Netzentgelten erhält. Der Netzbetreiber darf hier in Engpasssituationen die Netzanschlussleistung des Gebäudes bis maximal auf einen zugesicherten Mindestwert für einen sehr begrenzten Zeitraum reduzieren. Es obliegt der im Gebäude verbauten GLT, wie sie die verbleibende Leistung auf die Verbraucher des Gebäudes verteilt.

Gebäudeplaner erhalten durch das Gesetz die Sicherheit, dass der Netzbetreiber im Gegenzug den Ausbau der Lademöglichkeiten (z. B. gewünschte Anzahl der Ladepunkte) innerhalb von zwei Monaten genehmigen muss.

Smart Meter Gateway

Für eine erfolgreiche Umsetzung unabdingbar ist eine sichere, reibungslose und einheitliche Kommunikation mit Markt und Netz, vom Netzbetreiber bis zum Kundensystem. Der Gesetzgeber sieht hierfür das Smart Meter Gateway (SMGW) als Knotenpunkt und sicheres Kommunikations-Gateway zwischen Haus und Netz vor.

Smart Meter Gateway (SMGW) Bild: EEBUS
      Smart Meter Gateway (SMGW)
      Bild: EEBUS

Im MsbG (Messstellenbetriebsgesetz) werden seit 2016 die Pflichteinbaufälle definiert, in denen ein SMGW als Schnittstelle einzubauen ist. Kunden mit einer Vereinbarung nach § 14a EnWG gehören zu diesen Einbaufällen und damit alle Objekte mit Lademöglichkeit für Elektromobilität. Des Weiteren bietet das SMGW die Möglichkeit, durch zeitvariable Tarife die Beschaffungskosten eines Gebäudes zu reduzieren. Diese Art von Tarifen wurden in der EU-Strommarktrichtlinie bereits für Ende 2020 gefordert. Die nationale Gesetzgebung hängt diesbezüglich derzeitig noch etwas hinterher, mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf in 2021 ist jedoch zu rechnen.

In Verbindung mit hoher Kälte- und Heizlast bietet die Elektromobilität ein hohes Einsparpotenzial bei der Nutzung von zeitvariablen Tarifen, da Flexibilitäten im Bezugszeitraum genutzt werden können. Auch hierbei greift ein lokales Energiemanagement, das die Energieflüsse den jeweils aktuellen Tarifen entsprechend steuern kann.

Die Vorteile der neuen Gebäudeinfrastruktur und gesetzlichen Anforderungen zur Anbindung und Kommunikation liegen auf der Hand.

Zum einen setzt das Konzept des SMGW auf einer sicheren und vertrauenswürdigen Informationsquelle für die relevanten netzseitigen Informationen und Abrechnungsdaten auf. Das SMGW ist für energiewirtschaftliche Anwendungsfälle nach aktueller Lage verpflichtend zu nutzen.

Zum anderen stellt das SMGW einen optionalen Kanal für weitere, hochsichere Kommunikationen zur Verfügung, wie z. B. für das Contracting oder andere Mehrwertdienste. Damit muss sich der Betreiber der GLT künftig nicht mehr um eine sichere, möglicherweise BSI konforme Telekommunikationsanbindung kümmern. Der Wettbewerb wird zeigen, welche Lösungen sich durchsetzen.

EEBUS

EEBUS bietet der GLT eine zukunftssichere Infrastruktur für die Vernetzung im Gebäude und zum Netz. EEBUS, eine Sprache für Energie, steht für standardbasierte Kommunikation, für einen interoperablen Einsatz einer Vielzahl von Geräten und Systemen unterschiedlichster Hersteller mit dem Schwerpunkt auf Last- und Tarifmanagement sowie der Integration von erneuerbaren Energien. Der Kommunikationsstandard erfüllt heutige und zukünftige Gesetzesanforderungen und wird zur Umsetzung neuer Anforderungen fortlaufend aktualisiert.

Mit der EEBUS Kommunikation kann über das SMGW BSI* konform von Marktakteuren und Netzbetreibern auf das Gebäude zugegriffen und innerhalb des Gebäudes herstellerneutrale Daten in Interaktion mit dem lokalen Energiemanagement ausgetauscht werden.

EEBUS sieht sich nicht als Ersatz für Gebäude-Bus-Systeme wie z. B. BacNet oder KNX, die in der heutigen GLT gesetzte Größen sind. EEBUS erweitert vielmehr die Möglichkeiten eines GLT-Controllers um Energiemanagement-Funktionen und den Zugriff auf energierelevante Systeme wie z. B. Ladeinfrastruktur und SMGWs.

Peter Kellendonk

Peter Kellendonk
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· Artikel im Heft ·

Wandel für die Gebäudetechnik
Seite 38 bis 39
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