Grauwassernutzung

Elementarer Baustein für ein nachhaltiges Wassermanagement

Viele Jahre war die Grauwassernutzung in der modernen Gebäudetechnik eher ein Exot. Doch seit einigen Jahren steigt das Interesse an dieser Technologie deutlich. So hat sich die WohnSinn e. G. aus Darmstadt für ihr Neubauprojekt in der Lincoln-Siedlung für den Einbau einer Grauwassernutzungsanlage von Dehoust entschieden.

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Genossenschaftliches Mehrgenerationenwohnprojekt Bessungen der WohnSinn e. G. Bild: Dehoust
Genossenschaftliches Mehrgenerationenwohnprojekt Bessungen der WohnSinn e. G. Bild: Dehoust

Richtig aufbereitetes Grauwasser kann kostbares und mit viel Aufwand bereitgestelltes Trinkwasser bei vielen Anwendungen ersetzen. So kann etwa für die WC-Spülung, die Bewässerung von Grünflächen und für diverse Reinigungszwecke problemlos und ohne jeglichen Komfortverlust auf alternative Wasserquellen zurückgegriffen werden, um damit eine der elementarsten Grundressourcen – unser Trinkwasser – nachhaltig zu schonen. Es ist überaus sinnvoll, diesen Schritt mit der Grauwassernutzung zu gehen, da Grau- oder Betriebswasser tagtäglich in Gebäuden in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Grauwasser umfasst die Abwasserströme aus den Duschen, Badewannen und Handwaschbecken. Das hoch belastete Abwasser aus den Küchen wird für den hier beschriebenen Zweck nicht genutzt. Grauwasser umfasst den Anteil des Abwassers, der mit geringem technischem Aufwand dezentral im Gebäude gesammelt, mechanisch-biologisch aufbereitet und dann für oben genannte Nicht-Trinkwasseranwendungen bedenkenlos wieder eingesetzt werden kann. Je nach Gebäudetyp und Nutzungsart macht das bis zu 60 % des täglichen Trinkwasserbedarfs aus.

Mehr als die Hälfte des täglichen Wasserverbrauchs kann durch Nicht-Trinkwasser ersetzt werden. Bild: Dehoust

Die Grauwassernutzung im Wohnprojekt Bessungen, Darmstadt

Auf der ehemaligen US-Housing Area der Lincoln-Siedlung in Darmstadt entsteht derzeit ein neuer moderner und verkehrsberuhigter Stadtteil mit Wohnraum für rund 5.000 Menschen. In der Lincoln-Siedlung werden dabei auf vier Grundstücken gemeinschaftliche Wohnprojekte realisiert. Das genossenschaftliche Mehrgenerationenwohnprojekt Bessungen der WohnSinn e. G. kann zu Recht als ein Vorbild für modernes gemeinschaftliches Wohnen bezeichnet werden. Organisiert als Genossenschaft, leben rund 100 Personen in bunter sozialer Mischung in einem bauökologisch optimierten Passivhaus auf knapp 3.940 m² Wohnfläche. Neben Gemeinschafträumen bieten 43 Wohneinheiten zwischen 47 und 117 m² ausreichend Platz, um individuell und zugleich gemeinschaftlich leben zu können.

Projektdaten

Adresse: WohnSinn e. G. Bessungen, Mahalia-Jackson-Straße 27, 64285 Darmstadt

Bauherr: Bau- und Wohngenossenschaft WohnSinn eG, Darmstadt

Fertigstellung: Dezember 2020

Hersteller Grauwasseranlage: Dehoust GmbH, Leimen

Aufbereitungsleistung: max. 3.000 l/Tag

Die WohnSinn e. G. hat besonderen Wert auf eine weitgehend nachhaltige Bauweise gelegt. Neben dem Anschluss an das lokale Fernwärmenetz wurden eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher, eine Regenwassernutzungsanlage zur Außenbewässerung, eine Dachflächenbegrünung sowie eine Grauwassernutzungsanlage geplant und realisiert. Auf einer Fläche von knapp 12 m² wird im Kellergeschoss das Grauwasser aus 34 Wohneinheiten gesammelt, aufbereitet und für alle 43 Wohneinheiten zur WC-Spülung bereitgestellt.

Aufbau einer Grauwassernutzungsanlage von Dehoust Bild: Dehoust

Das zufließende Grauwasser stammt aus den Duschen und Handwaschbecken der Nasszellen und wird mit Hilfe eines rückspülbaren Grobfilters zunächst von groben Schmutzstoffen wie Textilflusen und Haaren gereinigt. Die biologische Aufbereitung findet in einem 3.000-l-Sammelbehälter statt, der intermittierend belüftet wird, um organische feine Schmutzstoffe durch Abwasserbakterien abbauen zu lassen. Nach einer definierten Verweilzeit des Grauwassers in dieser biologischen Reinigungsstufe schaltet die Anlage auf Ultrafiltration um, so dass aus dem grau-braunen trüben Grauwasser kristallklares und keimfreies Betriebswasser hergestellt wird.

Aus trübem Grauwasser wird kristallklares und speicherbares Betriebswasser. Bild: Dehoust

Der trocken aufgestellte hüfthohe Membranfilter hat eine Porenweite von lediglich 20 nm (2.500-mal feiner als ein menschliches Haar) und stellt eine unüberwindbare physikalische Barriere selbst für feinste Schmutzpartikel, Bakterien und adsorbierte Viren dar. Der Filtrationsprozess erfolgt in Abhängigkeit vom Grad der Grauwasserverschmutzung und wird von der Anlage permanent überwacht, evaluiert und gegebenenfalls nachjustiert. Ziel ist eine hohe konstante Aufbereitungsleistung bei maximaler Standzeit des Membranfilters (> 12 Monate). In einem 3.000 l Klarwasserbehälter wird das geruchsneutrale, klare Wasser bis zu seiner Wiederverwendung zwischengespeichert.

Die hohe Reinigungsleistung der Anlage ermöglicht es, das Wasser bedenkenlos einige Wochen im Speicherbehälter oder in WC-Spülkästen zu lagern. Im Regelfall, so wie hier in Bessungen, beträgt die Verweildauer des Klarwassers im Behälter jedoch nur wenige Stunden. Vom Klarwasserbehälter wird das Wasser über eine frequenzgeregelte Druckerhöhungsanlage zu den angeschlossenen 43 WC-Spülkästen befördert. Die maximale Geräuschemission der Grauwassernutzungsanlage beträgt 43 dB(A). Sie ist somit auch in offenen Technik-/Kellerräumen gut zu integrieren. Die abwasserführenden Leitungen und Behälter werden dauerhaft über den Grauwassersammelstrang entlüftet.

Dehoust Grauwasser Recycling Neue Generation

trocken aufgestellte Hohlfasermodule mit hoher Packdichte

platzsparende Aufstellung

hohe Aufbereitungsleistung

energieoptimiert: 0,5 kWh/m³ aufbereitetes Wasser

geringe Wartungskosten

sicherer Fernzugriff auf integriertes Webinterface

Herzstück der neuen Generation Grauwassernutzung von Dehoust ist der trocken aufgestellte Filter und die Technikstation mit Steuerung 2.0, die durch Grauwassertanks und Betriebswassertanks ergänzt werden. Bild: Dehoust
Herzstück der neuen Generation Grauwassernutzung von Dehoust ist der trocken aufgestellte Filter und die Technikstation mit Steuerung 2.0, die durch Grauwassertanks und Betriebswassertanks ergänzt werden. Bild: Dehoust

 

Betriebserfahrung und erzielte Einsparungen

Die tägliche Aufbereitungsleistung der Grauwasseranlage in diesem Projekt ist auf 3.000 l ausgelegt. Nach etwas mehr als einem Jahr Betriebserfahrung zeigt sich jedoch, dass täglich tatsächlich nur 2.000 l Grauwasser im Gebäude anfallen, die gesammelt und aufbereitet werden können. Im Fall des Wohnprojekts Bessungen liegt damit eine leichte Unterdeckung an Grauwasser vor, sodass von Zeit zu Zeit doch etwas Trinkwasser über einen Systemtrenner EN 1717 Typ AB, der in den Klarwasserbehälter intergriert ist, in die Anlage nachgespeist werden muss.Die Nachbetrachtung zeigt, dass es besser gewesen wäre, alle 43 Wohneinheiten an die Grauwassersammlung anzuschließen, um den Grauwasserertrag zu steigern. Dennoch beträgt die jährliche Trinkwassereinsparung gut 730 m³ und damit werden auch 1.800 € unter Beachtung aller anfallenden Kosten für Energie und Inspektion vermieden. Die Gesamtinvestition der Anlage wird sich ohne zusätzliche Fördermittel in etwas mehr als zehn Jahren refinanziert haben. Der Energieeinsatz der Gesamtanlage inkl. Aufbereitung und Druckerhöhungsanlage wurde für das abgelaufene Betriebsjahr auf rund 1 kWh/m³ wiederverwendetes Grauwasser erfasst.

Planungsgrundlagen

Wichtige planerische Unterstützung in Auslegung und Ausführung von Grauwassernutzungsanlagen bieten das DWA-Merkblatt M 277 (Hinweise zur Auslegung von Anlagen zur Behandlung und Nutzung von Grauwasser und Grauwasserteilströmen) sowie die Anfang 2022 erschienene Norm EN 16941-2 (Anlagen für die Verwendung von behandeltem Grauwasser). Neben dem separaten Abwasserstrang zur Sammlung des Grauwassers wird eine vom Trinkwassernetz getrennte Wasserleitung gemäß der DIN EN 1717 zur Speisung der angeschlossenen Verbraucher im Gebäude benötigt. Grauwassernutzungsanlagen sind in Deutschland gemäß Trinkwasserverordnung beim zuständigen Gesundheitsamt/Wasserbehörde meldepflichtig (nicht genehmigungspflichtig!).

Fernzugriff

Als besonders wertvoll hat sich die Fernleittechnik der Anlage erwiesen, da im Bedarfsfall von extern direkt auf die Betriebsprozesse zugegriffen und Einfluss genommen werden kann. Beim Fernzugriff verbindet sich eine autorisierte Person von einem beliebigen Standort aus über das Internet mit dem HMI (Human-Machine-Interface) der Grauwasseranlage. Wird ein Alarm von der Steuerung generiert, werden Verantwortliche mit einer E-Mail oder SMS direkt benachrichtigt. Dank des Fernzugriffs ist eine unmittelbare Ferndiagnose und Fehleranalyse ohne aufwändige Anfahrt möglich. Interessant ist die Möglichkeit, aufschlussreiche Betriebsdaten (z. B. tägliche/wöchentliche Aufbereitungsleistung, Betriebswasserverbrauch, nachgespeiste Trinkwassermenge, usw.) abzurufen und als csv-Datei zu exportieren. Im Wohngebäude Bessungen musste für diese Art des Fernzugriffs lediglich ein Netzwerkkabel an die Steuerung der Grauwasseranlage angeschlossen werden.

Technische Anforderungen bei der Grauwassernutzung

An oberster Stelle steht die dauerhafte Sicherstellung einer durchweg hohen Wasserqualität des gereinigten Grauwassers. Niemand möchte den Ärger auf sich ziehen, wenn sich Hausbewohner und -bewohnerinnen, Hotelgäste oder der Gartenpflegebetrieb über schlecht aufbereitetes, trübes oder gar stinkendes Grauwasser beschweren. Das gereinigte Grauwasser darf optisch wie sensorisch nicht von Trinkwasser zu unterscheiden sein – und dies 24/7! Nur in dieser Qualitätsgüte wird das gereinigte Duschabwasser anonymer Nachbarn für die Toilettenspülung akzeptiert. Nur so kann sich die Grauwassernutzung dauerhaft in der Gebäudetechnik etablieren.

Eine Information der Dehoust GmbH, Leimen

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· Artikel im Heft ·

Elementarer Baustein für ein nachhaltiges Wassermanagement
Seite 107 bis 109
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