Elektroplanung im LEED-Kontext

Die Elektroplanungsgesellschaft HF-GmbH aus Karlsruhe hatte vor Kurzem die Aufgabe, den Neubau des europäischen Headquarters eines weltweit tätigen Medizintechnikherstellers nach LEED umzusetzen. Welche Anforderungen und Besonderheiten bei der Elektroplanung nach diesem System berücksichtigt werden müssen, verdeutlicht das nachfolgende Beispiel.

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Elektroplanung von HF im Kontext der LEED-Zertifizierung Bild: HF-GmbH
Elektroplanung von HF im Kontext der LEED-Zertifizierung Bild: HF-GmbH

Nordamerikanische und international agierende Unternehmen setzen beim Thema Nachhaltigkeitszertifizierung oft auf das US-amerikanische System LEED (Leadership in Energy and Environmental Design).

Funktionsweise der LEED-Zertifizierung

Die Beurteilung von Gebäuden erfolgt beim Leadership in Energy and Environmental Design, kurz LEED, mittels der Vergabe von Punkten für einzelne Kriterien. Die Summe der Punkte entscheidet darüber, wie das Bauwerk bei der Zertifizierung eingestuft wird. LEED unterscheidet zwischen Silber- (33 – 38 Punkte), Gold- (39 – 51 Punkte) und Platin-Zertifizierungen (52 – 69 Punkte) und bezieht sich überdies auf alle Phasen des Lebenszyklus eines Objekts. Anhand einer Checkliste werden die Gebäude auf verschiedenen Themenfeldern untersucht und bewertet. Im Einzelnen sind dies:

  • Nachhaltiger Grund und Boden (Sustainable Sites)
  • Wassereffizienz (Water Efficiency)
  • Energie und Atmosphäre (Energy & Atmosphere)
  • Materialien und Ressourcen (Materials & Resources)
  • Innenraumqualität (Indoor Environmental Quality)
  • Innovation und Designprozess (Innovation & Design Process).

Bedeutung der Elektroplanung im LEED-Kontext

Die Fachingenieure der HF-Elektroplanung nahmen bei der LEED-Planung eine Schlüsselrolle ein, denn es mussten zwei Hauptaufgaben optimiert gelöst werden, um eine maximale Punktzahl bei der Zertifizierung zu erreichen. Die eine bestand darin, die Gesamtelektroplanung, das Monitoring sowie weitere LEED-spezifische Parameter so aufzusetzen, dass der gebäudespezifische Energieverbrauch optimiert wird und der Umgang bzw. das Management mit der Ressource „Strom“ im Sinne und Geiste von LEED zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Gebäudes beiträgt.

Die zweite Hauptaufgabe bestand darin, die Schnittstellen zu den maßgeblich stromverbrauchenden Gewerken mit den zuständigen Planungsingenieuren gemeinsam energieeffizient auszubilden. Der HLSK-Planer (Heizung, Lüftung, Sanitär, Klima) ist bei Verwaltungsgebäuden dieser Art meist der wichtigste Ansprech- und Projektpartner. Die folgenden elektrotechnischen Planungsgegenstände stellten bei der Planung nach LEED eine besondere Herausforderung im Rahmen der Zertifizierung dar und unterscheiden sich von sonst bekannten Praktiken europäischer Prüfsysteme.

Lichtemission

LEED evaluiert bei der gesamten Betrachtung des Gebäudes, wie viel Licht durch die Fenster- und transparenten Fassadenflächen nach außen fällt. Ziel ist es, die Lichtabstrahlung aus dem Gebäude heraus zu minimieren und damit Folgendes zu erreichen:

  1. eine verbesserte Sicht auf den Nachthimmel
  2. verbesserte Nachtsicht durch Entblendung und Reduzierung der beleuchtungsbezogenen Auswirkungen des Bauprojekts auf das nächtliche Umfeld
  3. minimieren von Auswirkungen auf die Fauna.

Die Lichtemission zu errechnen, war für die Planer von HF eine besondere Herausforderung, da die in Europa gängigen Programme dies nicht vorsehen und zudem auf Basis des amerikanischen ASHRAE-Standards gerechnet werden muss. Die europäische Betrachtungsweise ist beim Thema Licht eher einseitig. Hier wird geprüft, welches Tageslicht wir von außen her im Rahmen der Lichtplanung nutzen können.

Selbstbestimmung versus Zentralsteuerung

Bei der Beleuchtungsplanung vergibt LEED die maximale Punktzahl für die Berücksichtigung der Selbstbestimmung der Mitarbeitenden. Hätte jede/r Angestellte eines Büros also einen eigenen Lichtschalter, würde dies vom System positiv bewertet werden. Dies geht natürlich nicht immer, insbesondere bei Gemeinschaftsbüros ist dies nicht machbar.

Durch die Ausführung von Stehleuchten mit integriertem Präsenzmelder und Lichtsensor kann man hier jedoch die nach LEED gewünschte Effizienz nahezu optimal berücksichtigen. Was LEED mit dieser Forderung erreichen will, grenzt sich ebenfalls von europäischen Sichtweisen ab: Ein bemerkenswerter Aspekt des LEED-Systems ist, dass es das Empfinden, die Mitbestimmung und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht des arbeitenden Menschen höher bewertet als die zentrale, anonyme Steuerbarkeit.

Regionalität vermeidet Emissionen

Eine zentrale Forderung von LEED ist der bevorzugte Einsatz von Materialien und Produkten, die regional und mit Rohstoffen aus der Region hergestellt werden. Ziel von LEED ist es, heimische Produktion zu fördern und die Umweltbelastung durch weite Transportwege zu reduzieren. Der regionale Bezug erstreckt sich auch auf die zum Einsatz kommenden Menschen. Für Planer und Architektinnen über Bauunternehmen bis hin zum ausführenden Handwerk sollen durch kurze Anfahrtswege zur Baustelle möglich geringe Emissionen entstehen.

„Diese LEED-Forderungen konnten wir als regional ansässiges Bauunternehmen dahingehend abbilden, dass wir mit der HF-GmbH mit einem ortsnahen Planungsspezialisten für die Elektrotechnik sowie durch die Bank mit ortansässigen Handwerkern zusammengearbeitet haben“, bestätigt Architekt Otto Toews vom Mannheimer Bauunternehmen Diringer & Scheidel, das den Bau als Generalunternehmer umsetzte.

Elektroplanung ist der Schlüssel für das Monitoring von LEED

Die Planung der gesamten elektrischen Infrastruktur innerhalb des Gebäudekomplexes unterscheidet sich auch durch eine weitere LEED-Anforderung – das Monitoring. Roland Hofmann, Geschäftsführer der planenden HF-GmbH, über die Details: „Der Planungsansatz, den wir für dieses nach LEED zu konzipierende Gebäude entwickelt haben, basiert darauf, jede Leistungs- und Gebäudeeinheit während der Nutzung nicht nur managen, sondern ebenso auswerten zu können. So wurden wesentlich mehr Controlling-Einheiten verbaut als sonst üblich, um ein ganzheitliches Energie- und Umweltmonitoring während des Betriebs möglich zu machen“, sagt der Chef des Karlsruher Elektroplanungsunternehmens, das u. a. auch für die Deutsche Bahn, DHL oder den Europa-Park in Rust elektrische Infrastrukturen plant.

„Neben der Optimierung der Energieeffizienz im Bereich der Beleuchtungstechnik, also Lichtleistung pro Watt, war es unsere Aufgabe, die großen Energieabnehmer aus den Bereichen Heizung, Lüftung und Klima intelligent mit unserer Monitoringtechnik zu vernetzen. Schließlich werden bei LEED die Messwerte aller relevanten Einheiten regelmäßig von den USA aus abgefragt, um auch im Betrieb des Gebäudes beurteilen zu können, ob die geplanten Werte zutreffend sind“, so Hofmann weiter.

Abschließende Betrachtung des Planungsaufwands

Dokumentation sowie Planungsleistung bei LEED-Elektroplanung bedeuten einen wesentlich höheren Aufwand im Vergleich zu traditionellen oder auch DGNB-Planungen. Daher lohnen sich LEED-Planungen auch eher für international tätige Unternehmen mit vielen Liegenschaften. Ziel ist es meist, die weltweit vorhandenen Gebäude anhand eines Standards abgleichen zu können.

„Trotz des teilweise schon sehr hohen Aufwands unter teilweise auch sprachlich erschwerten Bedingungen“ (Anm.: die gesamte Planung muss in englischer Sprache erfolgen) attestiert Roland Hofmann LEED-zertifizierten Gebäuden „eine äußerst hohe Wertstabilität und Werthaltigkeit“: „Die teilweise schon etwas klinische anmutende Herangehensweise von LEED erzeugt ein deutlich höheres Bewusstsein bei allen Baubeteiligten für die Aspekte des Umweltschutzes sowie der nachhaltigen Bedeutung jeden Gebäudes.“

Die Qualität und Ausführung der Elektroplanung entscheidet bei LEED über die Kontrollier- und Steuerbarkeit der verbauten Anlagen in einem Gebäude. Diese Kontrollierbarkeit in Form eines regelmäßigen Monitorings ist umweltrelevant, denn schließlich entscheiden die Nutzer:innen durch ihre Gewohnheiten im täglichen Gebrauch darüber, wie nachhaltig ihr Gebäude in der Praxis wirklich ist. „Fehlverhalten des Menschen kann LEED im Sinne der Umwelt nicht verhindern. Jedoch vermag die Infrastruktur eines LEED-Gebäudes die Fehlerquellen zu benennen – und das ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, so Roland Hofmann.

Eine Information der HF-GmbH, Karlsruhe

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Elektroplanung im LEED-Kontext
Seite 127 bis 129
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