RLT-Anlagen bemessen

CO2-Ausstoß in Theorie und Praxis

Die Auslegung von RLT-Anlagen erfolgt u. a. auf Basis der Lastabtragung von CO2 in der Raumluft, aber die Diskussion darüber, wie viel CO2 Menschen tatsächlich ausatmen, dauert an. Diese echten Werte sind jedoch entscheidend für die notwendigen Außenluftströme, die in den Richtlinien Anwendung finden. In einem Masterprojekt an der TH Köln wurde der CO2-Ausstoß untersucht, der während unterschiedlicher Aktivitäten im Raum anfällt.

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Grundriss des Versuchsraums Bild: eigene Darstellung
Grundriss des Versuchsraums Bild: eigene Darstellung

Die Literatur weist widersprüchliche Aussagen bezüglich des CO2-Ausstoßes eines Menschen auf. Dieser Wert ist jedoch für die richtige Berechnung der benötigten Luftwechselzahl notwendig. Ziel dieses Masterprojekts war die Überprüfung der in der Literatur angegebenen Werte durch eine experimentelle Untersuchung des CO2-Ausstoßes, der während unterschiedlicher leichter und schwerer körperlicher Aktivitäten im Raum anfällt. Grundlage für die Untersuchung bildete die VDI 4300.

Grundlagen

Bei der Betrachtung des Raumklimas bezüglich der Raumlufttechnik stellen organische Emissionen einen Hauptfaktor dar. Sie werden im Wesentlichen durch Menschen herbeigeführt, d. h. durch Atmung und Ausdünstungen. Ein entscheidender Indikator für die Raumluftqualität ist insbesondere die CO2-Konzentration /1/, die in der Außenluft derzeit ca. 400 ppm beträgt. Im Innenraum kommt es durch die Atmung des Menschen zu einem Anstieg. Nach aktuellen Studien gilt eine Konzentration unter 1.000 ppm als hygienisch unbedenklich /2, 3/. Ab diesem Wert gilt das Innenraumklima als hygienisch auffällig. Überschreitet die Konzentration 2.000 ppm, so spricht man von einer hygienisch inakzeptablen Innenraumluftqualität (s. Tabelle 1).

Es lässt sich eine Verbindung zwischen dem CO2-Anstieg in der Innenraumluft und dem Wohlbefinden der im Raum befindlichen Personen feststellen. Mit zunehmendem CO2-Gehalt sinkt die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Dies führt unter anderem zu einer Verringerung des allgemeinen Wohlbefindens. Im Allgemeinen sind ca. ein Fünftel der Personen ab einer Konzentration von 1.000 ppm in der Innenraumluft unzufrieden /4/.

Die VDI 4300 gibt im Blatt 9 mehrere Werte für den CO2-Ausstoß bei verschiedenen Tätigkeiten an. Es wird zwischen der sitzenden Tätigkeit und drei verschiedenen Formen der Arbeit unterschieden. Für die sitzende Tätigkeit werden Volumenstrom-Werte mit 15 bis 20 l/h angegeben. Die Werte für die leichte Arbeit liegen bei 20 bis 40 l/h, für die mittelschwere Tätigkeit bei 40 bis 70 l/h und die schwere bei 70 bis 110 l/h. /5/

Das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichte 2008 eine Bekanntmachung zur Gesundheitlichen Bewertung von Kohlendioxid in der Innenraumluft. Darin wird der CO2-Ausstoß einer Person bei beliebiger Temperatur mit 0,7 kg/Tag angegeben /1/.

Ausgehend von einer spezifischen Gaskonstante von 188,9 J/(kg*K), einem Umgebungsdruck von 101.325 Pa und einer durchschnittlichen Atem-Ausstoßtemperatur von 34,4 °C, lässt sich über das ideale Gasgesetz das Ausstoßvolumen in l/h unter Zuhilfenahme der Formel 1 ermitteln /6, 7/.

Formel

Formel 1: Ideales Gasgesetz nach Volumenstrom umgestellt

V˙ = Volumenstrom in l/h

p = Umgebungsdruck in Pa

m˙ = Massenstrom in kg/h

Rs = spezifische Gaskonstante von Luft in J/(kg × K)

T = Temperatur in K

Bei einem CO2-Ausstoß von 0,7 kg/Tag ergibt sich ein durchschnittlicher CO2-Ausstoß von 16,7272 l/h.

Neben der VDI und der UBA-Bekanntmachung von 2008 wurden weitere Literaturwerke über den CO2-Austausch zum Vergleich herangezogen; die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In Hermann Rietschels „Raumlufttechnik –Band 1: Grundlagen“ (16. Auflage, 2008) wird zwischen leichter, vorwiegend sitzender Tätigkeit oder entspanntem Stehen und stehender Tätigkeit unterschieden. Für die leichte, vorwiegend sitzende Tätigkeit und dem entspannten Stehen wird ein Wert von 20,4 l/h angenommen. Während einer stehenden Tätigkeit wird ein Ausstoß von 27,2 l/h angegeben /8/.

Auch bei Witthauer, Horn und Bischof in „Raumluftqualität: Belastung, Bewertung und Beeinflussung“ (1993) wird zwischen ruhigem Zustand, sitzender und stehender Tätigkeit unterschieden. Als Richtwerte für den ruhigen Zustand und die sitzende Tätigkeit werden 12 bzw. 18 l/h angegeben. Eine deutliche Steigerung des Wertes weist die stehende Tätigkeit mit 180 l/h auf /9/.

In der 77. Auflage des „Taschenbuch[s] für Heizung und Klimatechnik“ von Recknagel, Sprenger und Schramek (2015/2016) wird für den Ausstoß von CO2 lediglich die leichte und vorwiegend sitzende Tätigkeit beachtet. Die Autoren geben dafür einen Wert von 20 l/h vor /10/.

Versuchsdurchführung

Als Messort wurde ein leerstehender Raum im so genannten häuslichen Gewerbe (Mietwohnung) gewählt. Der Raum hat eine Breite von 3,46 m und eine Länge von 3,76 m. Die Grundfläche beträgt 13,01 m2. Mit einer lichten Raumhöhe von 2,47 m und unter Berücksichtigung aller zusätzlichen Körper im Raum, wie z. B. des Rollladenkastens, ergibt sich ein Volumen von 32,946 m3.

Die Fenster des Raumes wurden 2016 saniert. Es kann also von einem nahezu luftdichten Zustand ausgegangen werden. Es sind keine Durchbrüche zu anderen Räumen vorhanden. Lediglich die Tür zum Flur bietet mit ihren Undichtigkeiten und dem Schlitz unter dem Türblatt die Möglichkeit eines Luftwechsels.

Versuchsablauf

Bei der Versuchsdurchführung wurde darauf geachtet, dass der vorstehend beschriebene Raum kein Inventar enthält. Die Tür zum Flur wurde mit Klebeband versiegelt, um den Luftwechsel auf ein Minimum zu reduzieren. Der Datenlogger für den CO2-Gehalt wurde während der Versuche auf der Fensterbank platziert. An den Versuchen nahmen drei weibliche und vier männliche Testpersonen im Alter von 25–28 Jahren teil, darunter rauchende, gelegentlich rauchende und nicht rauchende Personen. Auch ihre Konstitution war unterschiedlich ausgeprägt.

Für die Durchführung der leichten (sitzenden) Tätigkeit wurde in der Mitte des Raumes ein Stuhl platziert. Die Versuchspersonen nahmen 30 min auf dem Stuhl Platz und gingen einer leichten Tätigkeit wie z. B. der Bedienung ihres Smartphones nach. Es wurde darauf geachtet, dass sie während des gesamten Zeitraums saßen. Lediglich für das Starten und Stoppen des Datenloggers mussten sie sich durch den Raum bewegen.

Bei der Durchführung der körperlichen Tätigkeit absolvierten die Versuchspersonen ein Workout über 20 min. An dieser Testreihe konnten nur fünf der sieben Personen teilnehmen. Das Workout bestand aus drei Abschnitten: einem Warm-Up-Programm über 5 min, einem Hochintensitäts-Intervalltraining von 10 min und einem Cooldown von weiteren 5 min. Das Intervalltraining bestand aus Kraftübungen wie Liegestütz, Baumstamm/Plank und Sit-Ups, das Cooldown aus einer Reihe von Dehnübungen.

Bei allen Tests befanden sich die Versuchspersonen jeweils allein im Raum. Der Raum wurde nach einem Versuchsdurchlauf über das Fenster und die Außentür stoßgelüftet, bis der CO2-Gehalt auf einen Wert um 600 ppm sank.

Messwerte und Auswertung

Bei den Messungen wurden Werte gemäß den Tabellen 3 und 4 erfasst. Dargestellt sind der Startwert, der Endwert, der Konzentrationsunterschied und der CO2-Ausstoß in l/h. Um die Vergleichbarkeit der Messergebnisse zu erhöhen und einen Abgleich mit den Literaturwerten zu erhalten, wurden die Messergebnisse in l/h umgerechnet erfasst.

Der CO2-Ausstoß der Versuchspersonen der Messreihe „im Sitzen“ liegt zwischen 12,35 und 22,66 l/h, was einen großen Bereich abbildet. Diese Ergebnisse sind somit über die gesamten Vergleichswerte der Literatur verteilt. Als Durchschnittswert ergibt sich ein CO2-Ausstoß von 18,14 l/h. Dieser Wert liegt im Bereich der VDI 4300. Das UBA nimmt einen geringeren Wert von 16,72 l/h an.

Die Messreihe „beim Sport“ weist einen Durchschnittswert von 85,3 l/h auf. Diese Ergebnisse spiegeln den Bereich der VDI 4300 wider. Der Literaturwert von 180 l/h von Witthauer, Horn & Bischof für ein geringeren Tätigkeitsgrad, liegt weit darüber /9/.

Fehlerrechnung

Bei der Messung wurde das Messgerät EMAQ-35 des Herstellers Electro-Mation GmbH verwendet. Für die Berechnung der Abweichung des Raummaßes wurde ein Ablesefehler von ± 2 mm angenommen. Bei der Zeitmessung wurde eine Abweichung von 10 s angenommen, während derer die Testpersonen aufstehen, das Messgerät deaktivieren bzw. es aktivieren und sich in ihre Messposition begeben. Die Abweichungen des Raummaßes und der Zeitmessung wurden für jeden einzelnen Wert errechnet und der Messfehler der jeweiligen Kategorie gemittelt, bevor die Endabweichung berechnet wurde.

Aus den Werten und der verwendeten Formel ergibt sich eine Endabweichung von 5,069 % für die Messergebnisse.

Analyse

Das Ziel des Projektes, die Untersuchung des CO2-Ausstoßes bei verschiedenen körperlichen Tätigkeiten, konnte erreicht werden. Es wurden speziell die Ausstöße bei körperlich leichter und bei körperlich schwerer Tätigkeit untersucht. Bei der körperlich schweren Tätigkeit ergab sich ein durchschnittlicher CO2-Ausstoß von 85,304 l/h und für die leichte Tätigkeit von 18,14 l/h. Aus diesen Werten können die Mindestlüftungszeiten für bestimmte Gebäudenutzungen und deren Räume überprüft und bestimmt werden.

Gemäß den Leitwerten des Umweltbundesamtes wird für die Berechnung eine maximale Konzentration von 1.000 ppm angenommen, um eine hygienisch unbedenkliche Arbeitsumgebung zu schaffen /4/.

Für einen Büroraum mit einer durchschnittlichen Grundfläche von 12 m2 und einer Höhe von 2,5 m ergibt sich ein Volumen von 30 m3. Um die zulässige Konzentration von 1.000 ppm nicht zu überschreiten, ist eine Stoßlüftung nach 59,5 min notwendig. Dies ergibt sich unter Anwendung der folgenden Formel:

Formel

Formel 2: Zeitberechnung bis zur Stoßlüftung /12/

tStoßlüftung Zeit bis zur Stoßlüftung (h)

VRaum Raumvolumen (m3)

P Personenanzahl (-)

CO2;P personengebundener CO2-Ausstoß (l/h)

CO2;ETA CO2-Konzentration in der Abluft (ppm)

CO2;ODA CO2-Konzentration in der Außenluft (ppm)

Aus dieser Berechnung lässt sich ableiten, dass das Produkt aus dem Gesamtvolumen pro 10 m3 des Raums mit einem Zeitwert von 20 min pro Person den Zeitraum bis zur nächsten Stoßlüftung ergibt, um die Einhaltung der 1.000 ppm als Grenze zu gewährleisten. Dieses ist in der Formel 3 veranschaulicht.

Formel

Formel 3: Zeitberechnung unter Einbezug der Ergebnisse

Die errechneten Zeiten bestätigen die Vorgaben aus der Arbeitsstättenrichtlinie ASR 3.6 /2/.

Formel

In der ASR 3.6, Abb. 4 wird für die Stoßlüftung von Büroräumen ein Orientierungswert von 60 min angegeben. Dieser Wert deckt sich dem Grunde nach mit dem errechneten Wert von 59,5 min für einen Standardbüroraum /2/.

In der Studie von Dr.-Ing. Heinz-Dieter Neumann „Abschätzung der CO2-Konzentration in Räumen anhand empirisch gewonnener Daten“ werden gewonnene Daten aus verschiedenen Schulformen analysiert. Es wird zwischen der Primär- und der Sekundarschule unterschieden. Die Studie für die Sekundarschule in ungelüfteten Räumen umfasst 221 Datenpunkte. Es wurden die CO2-Anstiege in einem Zeitraum von 45 min/Person in ppm oder in l erfasst. Der Median der Datenreihe liegt bei 12,4 l/45 min. Umgerechnet auf 60 min ergeben sich für den Ausstoß 16,53 l/h. Dieser Wert liegt ebenfalls in der von der VDI 4300 vorgegebenen Spanne von 15 bis 20 l/h und weicht um 1,61 l/h von dem Wert ab, der in dieser Arbeit ermittelt wurde /12/. Die Testpersonen In den Datenreihen von Neumann sind jedoch im jugendlichem bzw. heranwachsendem Alter; daraus lässt sich die Differenz erklären.

Ausblick

Für eine aussagekräftigere Belegung der ermittelten Ergebnisse ist in einem weiteren Schritt die Bestätigung durch eine größere Testpersonengruppe mit einem größeren Altersspektrum notwendig. Dies war jedoch leider im Rahmen dieses Masterprojekts nicht möglich, da es aufgrund der momentanen Coronaviruspandemie an freiwilligen Testpersonen fehlte. Darüber hinaus wurden in diesem Projekt nur die leichte und die schwere Tätigkeit betrachtet. Da in der Praxis jedoch unterschiedliche Anforderungen erfüllt werden müssen, sollten weitere Tätigkeiten erfasst und analysiert werden.

Mit der daraus resultierenden Datenmenge kann eine genauere Berechnungsgrundlage für die raumlufttechnischen Anlagen ermittelt werden, die zu Energieeinsparungen führen kann.

Literatur

Literaturhinweise

Tom Siebers

Tom Siebers

Prof. Dr.-Ing. Felix Hausmann

Prof. Dr.-Ing. Felix Hausmann

Daniel Lammers

Daniel Lammers
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· Artikel im Heft ·

CO2-Ausstoß in Theorie und Praxis
Seite 34 bis 37
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