Braunschweigs Europabad durch modernen Neubau erweitert

Der Neubau des Heidbergbades im Süden von Braunschweig ersetzt das alte Hallenbad und trägt wesentlich zur Attraktivität der Bäderlandschaft der knapp 250.000 Einwohnern umfassenden Stadt im östlichen Niedersachsen bei.

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Neuer Anbau an alter Stelle, im Hintergrund links das Dach des Bestandsbades. Bild: Christian Bierwagen
Neuer Anbau an alter Stelle, im Hintergrund links das Dach des Bestandsbades. Bild: Christian Bierwagen

Autor:innen: Frauke Stroman, pbr Planungsbüro Rohling AG, Büro Osnabrück - Hans-Helmut Schaper, Planungsgruppe VA GmbH, Hannover

Das im Jahr 1973 errichtete Heidbergbad stellt das jüngste und differenzierteste in der Reihe der Europabäder in Braunschweig dar. Es wurde auf Basis eines vom Europarat einberufenen Seminars über „Preiswerte Sportstätten – Bau und Betrieb von Schwimmbädern“ errichtet. Dabei umfasst der Begriff „Europabad“ nicht einen unabänderlichen Grundriss, sondern ist vielmehr die Zusammenfassung kostensparender Ideen. Ganz im Sinne der Erweiterungsfähigkeit von Europabädern wurden in unmittelbarer Nachbarschaft des Heidbergbades im Jahr 1993 ein Sportbad mit einem wettkampftauglichen 50-m-Schwimmerbecken sowie 1998 eine Saunaanlage errichtet.

Das Heidbergbad entsprach zuletzt nicht mehr den heutigen Ansprüchen an Aufenthaltsqualität, Funktionalität und Energieverbrauch. Nach einer Untersuchung zur Beantwortung der Fragestellung „Sanierung oder Neubau?“ entschied sich der Bauherr, die Stadtbad Braunschweig Sport und Freizeit GmbH, für die Errichtung eines Neubaus. Neben der verlängerten Nutzungsdauer sprach eine Verringerung der Energiekosten dafür.

Design am Standort

Das rund ca. 13. 000 m² große Grundstück liegt am Sachsendamm südlich der Innenstadt von Braunschweig. Die Umgebung ist geprägt von einer heterogenen Baustruktur mit Reihen- und Mehrfamilienhäusern sowie Einzelhandelsimmobilien, aber auch eine parkähnliche Grünanlage befindet sich in unmittelbarer Nähe. Der neue Baukörper wurde an Stelle des zurückgebauten Bestandsgebäudes in einer orthogonalen Struktur auf dem Grundstück platziert und straßenbegleitend, dem Verlauf des Sachsendamms folgend, schräg ausgebildet. Über den vorhandenen Vorplatz wird, wie schon der Bestand, auch das neue Bad erschlossen. Um die Attraktivität des Standortes zu stärken und ein einladendes Entree für Besuchern des Bades zu schaffen, wurde die Gebäudeecke am Sachsendamm als „Schaufenster“ großzügig verglast. Auf diese Weise öffnet sich das Bad nach außen und ermöglicht spannende Blickbezüge zwischen Außen- und Innenraum.

Alt und Neu werden Eins

Eingeschossig und mit einem Technikkeller ausgebildet, wurde der neue Baukörper direkt an das Sportbad aus dem Jahr 1993 angeschlossen angebaut. Das neue Foyer nimmt die Höhe des Sportbades auf und fügt sich auf diese Weise optimal in die Situation vor Ort ein. Bei der Fassadengestaltung wurde Wert darauf gelegt, Neubau und Bestand zu einem Ensemble zusammenzuführen.

Erschließung und Raumprogramm

Die Badegäste betreten das neue Schwimmbad über die Eingangshalle im Süden, die über eine großzügige Verglasung bereits den Blick in die Badehalle freigibt. An das Foyer schließt sich der ebenerdige Umkleidetrakt für das neue Bad und die Sauna an, außerdem können von hier die vorhandenen Umkleiden des bestehenden Sportbades im Untergeschoss erreicht werden. Neben vier Sammelumkleiden und zwei variabel von Damen, Herren oder Familien zu nutzenden Umkleidebereichen hält das Umkleide-Angebot eine Saunaumkleide mit einer integrierten Einzelumkleide bereit. Der Dusch- und Sanitärbereich bietet je zehn Duschen für Damen und Herren sowie WC-Anlagen.

Variable Badelandschaft

Das Bad bietet seinen Gästen, von sportlich ambitionierten Besuchern bis hin zu den Kleinsten, ein vielseitiges Raumprogramm. Diese Badelandschaft wurde entlang der Glaswand des bestehenden Sportbades angeordnet. Sie besteht aus einem 25-m-Sportbecken -Schwimmerbecken mit einer Wasserfläche von ca. 250 m² und einer Wassertiefe von 1,80 m, einem Lehrschwimmbecken mit ca. 80 m² Wasserfläche und einer durch einen Hubboden regulierbaren Wassertiefe von 0,00 bis 1,60 m sowie dem Kinderbecken mit ca. 15 m² Wasserfläche zzgl. einem Nassspielbereich. Für die Badebecken wurde eine Konstruktion aus Edelstahl gewählt. Mit diesem Material wird nicht nur eine hochwertige Optik erzielt, sondern auch Langlebigkeit und geringer Reinigungsaufwand angestrebt.

Bild: Christian Bierwagen
Das 25-m-Schwimmerbecken. Bild: Christian Bierwagen

Bei der Konzeption der Badeplatte wurde ein besonderes Augenmerk auf eine möglichst variable Nutzung gelegt. Diese wird nicht nur durch den Hubboden im Lehrschwimmbecken geboten, sondern auch über die Möglichkeit, das Schwimmerbecken während des Trainings um eine Bahn zu erweitern. Für diesen Zeitraum wird auch entsprechend ein fünfter Startblock installiert. Das Schwimmerbecken ist durch eine großflächige Fensterfront akustisch, aber nicht optisch vom Lehrschwimmbecken getrennt. Von beiden Becken ist über eine durchgehende Glaswand der Blick in das bestehende Sportbad gegeben. Das Kinderplanschbecken öffnet sich über eine Verglasung der Ostseite Richtung Sachsendamm. Der neue Saunabereich schließt im Norden an die Badelandschaft an und ist über die Badehalle zu erreichen. Alle dienenden Räume wie Personalräume und Lagerflächen befinden sich im Untergeschoss unterhalb der Sauna und den Umkleiden.

Die gesamte Erdgeschossebene des Hallenbades kann barrierefrei erschlossen werden. Rampen ergänzen, wo erforderlich, die ebenerdige Erschließung. Ein Wegeleitsystem und ein Beckenlifter unterstützen zudem die Badnutzung durch Menschen mit Geh- oder Sehbehinderung.

Badewasseraufbereitung nach DIN 19643

Die Badewasseraufbereitung erfolgt gemäß DIN 19643. Es wurden drei Wasserkreisläufe für das neue Hallenbad vorgesehen, in allen Becken erfolgt die Aufbereitung jeweils mittels einer Unterdruckfilteranlage. Während im Schwimmerbecken eine Vertikaleinströmung über Bodenrinnen zum Einsatz kommt, wurde für das Lehrschwimmbecken eine zweireihige Horizontaldurchströmung und für das Planschbecken, aufgrund der geringen Wassertiefe, eine Vertikaleinströmung vorgesehen. Dabei wird die Wasseraufbereitung nach der Verfahrenskombination „Flockung – Mehrschichtfiltration mit adsorptiver Kohle – Chlorung“ durchgeführt. Den ersten Verfahrensschritt innerhalb der Aufbereitungsanlage stellt die Flockung mit Polyaluminiumchlorid (PAC) dar. Dabei erfolgt die Dosierung des Flockungsmittels proportional zum Umwälz-Volumenstrom über eine Dosierpumpe direkt aus einem Liefergebinde. Über eine 600 mm hohe Filterkiesschicht wird innerhalb des zweiten Verfahrensschrittes die Abtrennung des durch die Flockung entstehenden Aluminiumhydroxid gewährleistet. Im dritten Verfahrensschritt wirkt die 600 mm starke oberste Filterschicht adsorptiv, sodass Desinfektionsnebenprodukte zurückgehalten werden. Zuletzt erfolgt in Abhängigkeit des im Becken gemessenen freien Chlorgehaltes die Desinfektion über Chlorzugabe. Hierzu wurde im Außenbereich ein kompakter Chlorgasraum als Containerlösung installiert. Die Chlorgasanlage versorgt auch das bestehende Sportbad.

Außerhalb der Betriebszeiten werden die Becken gemäß DIN 19643 mit 50 % der erforderlichen Umwälzleistung betrieben. Frequenzumrichter an den Umwälzpumpen sorgen so dann für eine Leistungsanpassung und damit für einen wirtschaftlichen Betrieb.

Bild: Christian Bierwagen
Die Filtratanlagen (von links) Spülwasseraufbereitung (gelb), Pufferbehälter (grau, rund) und die Saugfilter- bzw. Unterdruckfilter.
Bild: Christian Bierwagen

Die Filteranlagen wurden als Niederdruckfilter ausgeführt und sind vollständig automatisiert. Die hierzu erforderlichen Ringabsperrklappen wurden mit pneumatischen Antrieben versehen, die notwendige Druckluft wird über eine zentrale, ölfreie Druckluftanlage bereitgestellt. Auf diese Weise entfällt die Ableitung des Kondensats über einen Öl-Wasser-Separator. Der durch Verdunstung und stetigen Ablauf entstehende Wasserverlust in den Beckenkreisläufen wird über eine niveaugesteuerte Trinkwassernachspeisung automatisch ergänzt.

Die Filteranlagen sind mit einer automatischen Rückspülung ausgerüstet. Das bei der Rückspülung anfallende Abwasser wird direkt in einen Spülabwasserspeicher geleitet. Das für diesen Vorgang notwendige Spülwasser wird für alle Becken in einem Spülwasserspeicher bevorratet, der über die sich im Filtratstrom befindenden Stetsabläufe aller Wasserkreisläufe kontinuierlich gespeist wird. Das entnommene Filtrat wird automatisch über die Frischwassernachspeisungen der Rohwasserspeicher in Abhängigkeit des Füllstandes ausgeglichen.

Neue Kompakt-Fernwärmeübergabestation

Der Fernwärmeanschluss, der sich ursprünglich sich im zurückzubauenden Bestandsgebäude befand, musste in eine neu zu errichtende Heizzentrale im bestehenden Sportbad verlegt und als neue Kompakt-Fernwärmeübergabestation installiert werden. Sowohl das bestehende Sportbad als auch der Neubau wurden an diese Übergabestation angebunden. Weil auch die Wärmeversorgungsleitung für das Lüftungsgerät des bestehenden Sportbades durch das abzureißende Kellergeschoss des Bestandsgebäudes verlief, wurde die Wärmeversorgungsleitung zur Beckenwassererwärmung des Sportbades genutzt, um das Lüftungsgerät zu versorgen. Ferner musste aus der Heizzentrale des zurückzubauenden Bestandsbades eine Warmwasseraufbereitung in die neue Heizzentrale umgesetzt und an das Trinkwassernetz im bestehenden Sportbad angeschlossen werden. Die Warmwasseraufbereitung für den Neubau erfolgt über ein Speicherladesystem (Warmwasserspeicher mit außenliegendem Plattenwärmetauscher), das mit Frischwasser versorgt wird. Dabei wird das Warmwasser mit einer Temperatur von 60 °C gespeichert.

Be- und Entlüftung

Die Frischluftversorgung des Neubaus erfolgt über Lüftungsanlagen, die auf dem Dach des Umkleidebereichs positioniert wurden. Die RLT-Anlage wurde gemäß VDI 2089 dimensioniert. Für die Entfeuchtung der Schwimmhallenluft ist eine Luftmenge von insgesamt ca. 28.000 m³/h erforderlich. Dabei erfüllt die Lüftungsanlage, die zur Deckung des Wärmebedarfs im Bereich des Schwimmer- sowie des Lehrschwimmbeckens und des Planschbeckens zum Einsatz kommt, thermodynamische Vorgänge, wie Luftaustausch zur Feuchteregulierung, Lufterwärmung durch Wärmerückgewinnung (max. Wärmerückgewinnungsgrad > 75 %) und Erwärmung durch Heizwasser. In der Badehalle mit den beiden kleineren Becken kommt je ein Kanal-Nacherhitzer zum Einsatz, der eine höhere Raumtemperatur gegenüber der in der großen Badehalle mit dem Schwimmerbecken gewährleistet. Die Ventilatoren wurden als freilaufende Räder mit stufenloser Regelung über Frequenzumformer ausgeführt. Die Ansaugung der Außenluft sowie die Abführung der Fortluft erfolgt über am RLT-Gerät angebrachte Wetterschutzgitter.

Bild: Christian Bierwagen
Durch Glastrennwände wird der Tageslichtanteil im gesamten Bad erhöht. Bild: Christian Bierwagen

Im Bereich des Schwimmerbeckens und des Lehrschwimmbeckens wird die Zuluft über Weitwurfdüsen unterhalb der Schwimmhallendecke eingebracht. Die Abluft wird über Lüftungsgitter in der Trennwand zum Duschbereich abgesaugt. Die Zuluftführung für das Planschbecken wurde in der abgehängten Decke installiert. Die Zulufteinbringung erfolgt hier ebenfalls über Lüftungsgitter. Die Abluft im Hallenbereich wird über bodennahe Lüftungsgitter in der Trennwand zum Duschbereich abgesaugt. Die Anlagen werden vollautomatisch in Abhängigkeit der Raumfeuchte und Raumtemperatur sowie entsprechend der Nutzungszeiten betrieben.

In einer weiteren Anlage werden der Eingangsbereich sowie die Umkleiden und Duschräume be- und entlüftet. Dusch- und WC-Bereiche wurden darüber hinaus an eine Nacherwärmungsanlage angeschlossen, welche die Abluft aus den Umkleiden zusätzlich erwärmt und als Zuluft in die Duschen und WCs weiterleitet. Die Abluft gelangt über Tellerventile in die Umkleiden. Die Luftkanalführung erfolgt teils auf dem Dach, teils über ein Rohrsystem im Zwischendeckenbereich des Erdgeschosses. Eine Anbindung an das bestehende Kanalsystem für die Duschen und die Umkleiden im bestehenden Sportbad wurde im Untergeschoss vorgenommen.

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