Neubau Firmenstandort

Bauteilaktivierung mit Photovoltaik

Ein solarelektrisches Gebäude benötigt thermische Speichermasse, um den Tagesgang der Sonnenenergie optimal nutzen zu können. Beim Bau des neuen Firmen- und Produktionsstandortes der Firma my-PV erfolgt die Aktivierung der Fundamentplatte als Wärmespeicher erstmals mit Kabeln statt Rohren. Der Beton wird zum Tagspeicher für den Überschuss der Photovoltaikanlage.

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Das zukünftige Firmengebäude von my-PV im oberösterreichischen Sierning. Bild: my-PV
Das zukünftige Firmengebäude von my-PV im oberösterreichischen Sierning. Bild: my-PV

In der Gemeinde Sierning, ca. 40 km südlich von Linz, entsteht das erste solarelektrische Firmengebäude Österreichs. Der Bau eines neuen Firmen- und Produktionsstandortes ist ein bedeutender Meilenstein. Gehört er einem Hersteller von Photovoltaik-Komponenten, versteht es sich von selbst, dass die eigenen Innovationen auch am eigenen Standort verwirklicht werden.

Während üblicherweise Wasser oder Luft als Energieträger zum Aktivieren des Betonkerns eingesetzt werden, sieht das Konzept von my-PV vor, dass eine elektrische Fußbodenheizung die Energie an den Beton abgibt.

Eine 100 kWp Photovoltaikanlage, die auf dem Pultdach und an der Fassade des Gebäudes installiert wird, stellt massiv Überschussenergie bereit, die mit der im Gebäude vorhandenen thermischen Speichermasse optimal ausgenutzt werden kann.

Gebäudestandard

Grundvoraussetzung für ein solches Konzept ist ein hoher Dämmstandard des Gebäudes. Denn die Oberflächentemperatur der aktivierten Fundamentplatte kann nur wenige Grad über der gewünschten Raumtemperatur liegen. Andernfalls würde die Behaglichkeit in den Räumen beeinträchtigt werden.1) Das neue Firmengebäude wird daher in Holzleichtbauweise ausgeführt. Neben der Verwendung nachhaltiger Rohstoffe wird dadurch auch der thermische Standard eines Niedrigenergiehauses erreicht. Um ungewollte Wärmeverluste aus dem Energiespeicher Fundamentplatte in Richtung Erdreich zu begrenzen, wurde darunter eine Dämmschicht angelegt.

Thermischer Energiespeicher für Strom

Regenerative Energien unterliegen naturgemäß einer schwankenden Produktion. Der Raumwärmebedarf deckt sich zeitlich oft nicht mit der zur Verfügung stehenden Menge an Umweltenergie. Durch die Speicherung der anfallenden Produktionsspitzen in der Bauteilmasse lässt sich aber ein erheblicher Anteil der zur Verfügung stehenden PV-Überschussleistung unmittelbar vor Ort in sinnvoller Weise nutzen. Zudem wird die Netzeinspeisung wesentlich vermindert. Die riesige Masse des Betons stellt ein geeignetes und kostengünstiges Speichermedium für Wärme dar und ermöglicht auch bei ganzjähriger Betrachtung hohe Autarkiegrade.2)

Bisherige Projekte setzten für die Beladung des Betonspeichers stets auf die Medien Wasser oder Luft. In Sierning wird als Energieträger erstmals Strom für eine leistungsgeregelte 40-kW-Elektroheizung verwendet. Die Heizlast dieses Niedrigenergiegebäudes ist mit 14 kW zwar deutlich niedriger, jedoch steht dadurch ein sehr großer Regelbereich zur Beladung des Wärmespeichers zur Verfügung. Leistungsspitzen werden damit ausgeglichen.

Bauteilaktivierung mit PV-Wärme im Test

Die Umsetzung des Konzeptes „Kabel statt Rohre“ reduziert den materiellen und finanziellen Aufwand für die Haustechnik signifikant. Im Einfamilienhaus wie auch im mehrgeschossigen Wohnungsbau wurde das Konzept bereits mehrfach erfolgreich umgesetzt. Erfahrungen mit dem Einsatz solarelektrischer Haustechnik in einem Produktionsgebäude gibt es jedoch nicht, da es sich um ein Pilotprojekt handelt.

Um Fragen zur Funktionstauglichkeit und erreichbaren Autarkiegraden zu beantworten, wurde das Konzept daher vorab ausführlich simuliert und Heiz- und Kühllasten genau berechnet.

Fundamentplatte mit Doppelnutzen

Vergleicht man die Masse der Fundamentplatte und die Wärmespeicherkapazität von Beton mit den Werten von Wasser, lässt sich errechnen, dass schon bei wenigen Grad Erwärmung so viel Energie gespeichert wird, als würde man 12.000 l Wasser um 50 K erhitzen. Das Fundament erfüllt also statische Aufgaben und erspart daneben durch die Bauteilaktivierung auch einen riesigen gesonderten hydraulischen Wärmespeicher und den Aufwand für unzählige Verteilleitungen. Die Solarenergie wird erst dort in Wärme umgewandelt, wo sie benötigt wird, direkt im Boden.

Strom für 20 Haushalte

Der prognostizierte Jahresertrag am Standort beläuft sich auf über 80.000 kWh Solarstrom, das entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 20 Haushalten. Da ein Teil der PV-Module in die Fassade intergiert ist, wird ein nicht unwesentlicher Ertrag davon auch im Winter zur Verfügung stehen, wenn Energie für die Gebäudeheizung erforderlich ist. Somit wird trotz der hohen PV-Leistung von 100 kWp ein Drittel der erzeugten Energie direkt im Gebäude verwendet werden können. Sommerliche Überschüsse werden in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Trotz geringer Vergütung trägt auch das zu einer Verringerung der Betriebskosten bei.

Kühlen mit Wärmepumpe

Für die Kühlung wird eine reversible Wärmepumpe verwendet, die vom elektrischen Heizsystem komplett unabhängig arbeitet. Ein so genanntes VRF-Kühlsystem (variable refrigerant flow) sorgt für die Klimatisierung der Büro- und Produktionsflächen und soll ein optimales Behaglichkeitsgefühl für Besucher und Mitarbeiter bieten. Eine Außenkondensationseinheit ist mit mehreren Innenverdampfungseinheiten verbunden. Pro Inneneinheit kann die Menge an Kältemittel moduliert werden, um in den verschiedenen Gebäudebereichen individuelle Komfortregelungen zu ermöglichen.3)

Die Energie für das Kühlsystem wird ebenfalls von der Photovoltaikanlage bereitgestellt. Die notwendigen Antriebe werden zu 80 % vom PV-Kraftwerk am Gebäude versorgt werden können.

Erwartet werden jährliche Betriebskosten für Strom und Wärme im Bereich von ca. 2.100 €. Bestätigen lässt sich dieser Wert sicher erst nach den ersten Betriebsjahren, aber für ein Betriebsgebäude in dieser Größe ist dies außerordentlich günstig und ein Novum.

Fazit

Im Haus der Zukunft ist alles rein elektrisch und größtenteils solarelektrisch. Das kann von nun an auch für die Heizung in Betriebsgebäuden gelten. Wärmeerzeugung, die ohne bewegliche Teile auskommt, ist zudem nicht nur komplett wartungsfrei, sondern auch völlig geräuschlos. „Kabel statt Rohre“ vereinfachen die Installation und den Betrieb. Das Konzept ist bei entsprechender Dimensionierung der PV-Anlage außerdem sauber und nachhaltig.

Objektdaten

Bruttogrundfläche: 858 m²

Bauweise: Holzleichtbau

PV-Leistung und Ausrichtung: 100 kWp, davon 70 kWp am Pultdach, 30 kWp an der Fassade

Heizlast: 14 kW

Heizregelleistung: 40 kW

Kühllast: 30 kW

Fensterfläche: 100 m²

HWB Standortklima: 34 kWh/m²a

Fußnoten

Reinhard Hofstätter

Reinhard Hofstätter
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Bauteilaktivierung mit Photovoltaik
Seite 36 bis 37
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