Wärmebasierte Brandfrüherkennung

Thermografie in der Kreislaufwirtschaft

Unsachgemäß entsorgte Batterien und Akkus sind für die Kreislaufwirtschaft ein echtes Problem: Immer wieder verursachen sie in Recyclingbetrieben gefährliche Glutnester, deren Detektion selbst normenkonforme Brandmeldetechnik in diesem frühen Stadium der Brandentstehung an ihre Grenzen bringt. Vor diesem Hintergrund wird der ergänzende Einsatz von Thermografie zur Brandfrüherkennung als vielversprechende Lösung betrachtet.

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Die Erfassung von Temperaturverteilungen durch Infrarotkameras kann andere Systeme zur Brandfrüherkennung wirkungsvoll ergänzen, zum Beispiel in der Kreislaufwirtschaft. Bild: Siemens AG
Die Erfassung von Temperaturverteilungen durch Infrarotkameras kann andere Systeme zur Brandfrüherkennung wirkungsvoll ergänzen, zum Beispiel in der Kreislaufwirtschaft. Bild: Siemens AG

Der Autor: Carsten Meißner, Senior Consultant Safety Lifecycle Portfolio, Siemens Smart Infrastructure, Siemens AG Deutschland

Die Verwendung und steigende Anzahl von Lithium-Ionen-Batterien im täglichen Bedarf und Handeln birgt erhebliche Brandgefahren. Diese betrifft nicht nur Privathaushalte, sondern insbesondere die Müll- und Recyclingindustrie.

Batterien: brandschutztechnische Herausforderung im Recycling

Für Betreiber ergeben sich somit Herausforderungen für die zuverlässige Auswahl der Detektionsmöglichkeiten zur Brandfrüherkennung. In der Regel sind diese Maßnahmen schon bei der Risikoanalyse und Planung auszuwählen. Unerwartete Umgebungsbedingungen können zu einer erheblichen Anzahl an Falschalarmen führen, die bisweilen sogar eine Revision des Brandschutzkonzeptes erfordern. Der steigenden Anzahl von Lithium-Ionen-Batterien und den resultierenden Zündmechanismen in Schrotten muss zudem auch durch Branddetektion entgegengewirkt werden.

Auch wenn sich Recyclingunternehmen des Risikos defekter Lithium-Ionen-Batterien als Zündquelle in ihrem Prozess bewusst sind, so ist eine frühzeitige Detektion von erwärmten oder brennenden Batterien aufgrund ihres Brandverhaltens nicht leicht umsetzbar. Auf jeden Fall müssen bei der Auswahl einer geeigneten Methode zur Brandfrüherkennung zwei Aspekte bewertet werden: zum einen das charakteristische Brandverhalten von Batterien und zum anderen der Einfluss, den der Recyclingprozess auf die Brandentwicklung und die Zuverlässigkeit der Detektion hat.

Auslegung der Brandfrüherkennung

Mit einer zuverlässigen Brandfrüherkennung lassen sich die Risiken minimieren und die Folgen begrenzen. Wie auch in anderen Anwendungsbereichen folgt die Auslegung der Brandfrüherkennung in Recyclingbetrieben stets einem definierten Schutzziel. Allerdings sind hier weitere Aspekte wie etwa die wechselnde Zusammensetzung der angelieferten Schrotte zu beachten.

Im Fall eines Recyclingunternehmens für Dosenschrotte ist beispielsweise davon auszugehen, dass sowohl bei der Ein- und Auslagerung von angelieferten Schrotten in Form von gepressten Paketen mittels Flurförderfahrzeugen als auch der Behandlung im Vorreißer Batterien bereits in der Form mechanisch beschädigen können. Dadurch kann es zu einem thermischen Durchgang mit entsprechendem Brandpotenzial kommen.

Unsachgemäß entsorgte Batterien und Akkus verbergen sich häufig auch in scheinbar sortenreinen Schrotten und verursachen dort unter Umständen gefährliche Glutnester. Bild: Siemens AG

Bei der Auswahl einer geeigneten Brandfrüherkennung auf den anschließenden Förderbändern empfiehlt sich der Einsatz von Infrarot-Kameras. Diese nutzen als bildgebendes Verfahren zur Anzeige der Oberflächentemperatur von Objekten die Thermografie.

Werden die Lithium-Ionen-Batterien im folgenden Prozess durch die Hammermühle zerkleinert, kann dies einen offenen Brand auf den Förderbändern in Richtung Zwischenlagerung im Silo auslösen.

Beide Szenarien sind vor Erreichen eines Silos zur Zwischenlagerung zwingend auszuschließen. Konventionelle Brandsensorik hat bei der Erkennung von Rauch, Flammen oder Wärme unter solchen Bedingungen sehr oft einige Schwierigkeiten. Videobasierte Branddetektion und Thermografie hingegen können diese Brandkenngrößen früh und sicher erkennen und an eine Brandmeldezentrale übermitteln.

Lagerung, Zerkleinerung, Transport

Unsortierte Wertstoffe werden in den meisten Fällen in großen, hohen, offenen Hallen oder auf Freiflächen außen gelagert. In diesen Umgebungsbedingungen ist es für konventionelle Brandmeldetechnik nicht oder erst sehr spät möglich, einen Brand zu erkennen. Eine fehlende Überdachung, unter der die Brandmelder installiert werden können, sowie Witterungseinflüsse wie Wind, Nebel, Sonne usw. stellen hier die größten Herausforderungen dar. Für die Zerkleinerung und den Transport über Förderbänder, meist in andere Gebäudeabschnitte, ist die Gefahr groß, Brände oder Glutnester im Prozess zu verteilen und somit eine mögliche Brandausbreitung zu beschleunigen.

Der Einsatz einer Brandfrüherkennung empfiehlt sich folglich in erster Instanz für die Transportwege (Förderbänder). Ein Ausschleusen oder Löschen wiederum ist in der jeweils nachgeschalteten Anlage zusätzlich denkbar. So verfügt die Hammermühle über eine Löschung, die bereits durch den Anlagenhersteller berücksichtigt wurde. Eine Brandfrühdetektion kann sie mittels Brandfallsteuerung auslösen. Obwohl ein Anlagenfahrer einen flammenden Abbrand auf den Förderbändern zwar erkennen (= organisatorische Maßnahme) und Löschmaßnahmen einleiten kann, lässt sich eine gefährliche thermische Aufheizung als potenzielle Zündquelle jedoch nicht ohne Weiteres feststellen.

Grundsätzlich ist für den Einsatz einer Brandfrüherkennung auch die Geschwindigkeit des Förderbandes und somit des brennbaren Materials sowie die diffus umgebenden Stäube zu berücksichtigen. Temperaturen können vernachlässigt werden, da Brandgut die gleiche Temperatur wie die Umgebung hat.

Videobasierte Branderkennung und Thermografie

Besonders in der Pyrolysephase, also noch vor Entstehen eines Schwelbrands oder eines offenen Feuers, können selbst empfindliche Brandmelder die frühen Anzeichen nicht immer erkennen. Deshalb empfiehlt sich hier der Einsatz von zusätzlichen Detektionsverfahren. Schon seit einiger Zeit bietet Siemens deshalb eine Lösung für eine videobasierte Brandfrüherkennung an, die nun mit dem Thermografiesystem ThermoCatcher ergänzt wird.

Das neue Thermografiesystem ThermoCatcher ergänzt das Brandmeldeportfolio von Siemens. Bild: Siemens AG

Videobasierte Branderkennung funktioniert in sichtbaren Lichtbereichen (VIS). Das heißt: Was unser menschliches Auge erkennen kann, kann auch von der Videosensorik detektiert werden. Das gilt sowohl für die Rauch- als auch die Flammendetektion. Hierbei wird der Wellenlängenbereich von 400 bis etwa 750 Nanometer genutzt. Dieses kleine Spektrum entspricht dem sichtbaren Lichtbereich. Im Vergleich zu konventionellen Brandmeldern bietet diese Technologie den Vorteil, dass es nicht von physikalischen Faktoren abhängt, welche Rauchaerosole, Gase oder Wärme den Sensor unter der Decke erreichen. Stattdessen wird ein entstehender Brand im Sichtfeld des Kamerabildes am Entstehungsort erkannt. Das bringt einen enormen Zeitvorteil mit sich. Zudem können Rauchschwaden, die hinter Gegenständen aufsteigen, im Sichtfeld der Kamera erkannt werden.

Die Thermografie hingegen ist ein Verfahren, das Temperaturverteilungen sichtbar macht. Die Wärmestrahlung, die für das menschliche Auge unsichtbar ist, wird mittels einer Infrarot-Kamera (IR) erfasst. Dadurch lassen sich Temperaturen von Oberflächen und Gegenständen in einem Wärmebild sichtbar machen und anhand unterschiedlicher Farbgebung erkennen. Hierfür werden typischerweise Lichtwellenlängen zwischen 750 Nanometer und 1 Millimeter genutzt.

Mit dem Thermografieverfahren lassen sich Temperaturen von Oberflächen und Gegenständen in einem Wärmebild sichtbar machen und anhand unterschiedlicher Farbgebung erkennen. Bild: Siemens AG

Die Nutzung von IR-Kameras setzt den freien Blick auf das zu überwachende Objekt und dessen Oberfläche voraus. Hindernisse wie zum Beispiel Pfeiler im Gebäude verdecken die Sicht, so dass dahinter keine Temperatur gemessen werden kann. Mittels der Infrarot-Technologie kann auch eine offene Flamme erkannt werden, wie es herkömmliche Flammenmelder ermöglichen. Bei der Überwachung mit IR-Kameras lassen sich so auch bewegte Flammen, etwa auf einem Förderband, erkennen. Heiße Oberflächen bzw. Hotspots durch Glutnester, wie sie bei Abfallbergen in der Recyclingindustrie auftreten, lassen sich mittels Thermografie überwachen. So kann ein entstehender Brand aufgrund der Wärmeentwicklung frühzeitig erkannt werden.

Welches Detektionsverfahren jeweils am besten für eine Überwachung geeignet ist, richtet sich nach dem Brandrisiko und den zu erwartenden Brandkenngrößen (Rauch, Flammen oder Wärme). Soll beispielsweise eine Brandquelle wie eine thermisch durchgehende Lithium-Ionen-Batterie in einem Müllberg erkannt werden? Geht es um die Absicherung eines Lagerplatzes für die Batterien in Umverpackungen aus Karton oder Kunststofffolie? In solchen Fällen behindern Hindernisse oder die Verpackung eine frühzeitige Erkennung der Hotspots. Aus diesem Grund wäre die videobasierte Branderkennung die bessere Wahl, um einen möglichen Schwelbrand der Kartonage zu erfassen.

Ist es hingegen möglich, heiße Oberflächen (so genannte Hotspots) oder Temperaturanomalien zu erkennen, dann ist Thermografie die bessere Alternative. Das könnte zum Beispiel bei der Überwachung der Lagerung von Batteriezellen der Fall sein, vorausgesetzt sie werden unverpackt gelagert.

Erfahrungen und Anwendungsfelder

Im Recyclingumfeld kommt es immer auf den Anwendungsfall an bzw. darauf, welcher Prozessschritt überwacht werden soll. Verschiedene Tests haben gezeigt, dass die Überwachung eines Müllbunkers oder einer Förderbandanlage durch Thermografie eine schnelle Detektion von Hotspots ermöglicht. Bei der Überwachung von Lagerhallen mit verschiedenen Materialien wie Kunststoffen, Verpackungen oder Wertstoffen ist eine videobasierte Brand- und Rauchdetektion die bessere Alternative.

Weitere Anwendungsbeispiele im industriellen Umfeld sind Bereiche, in denen konventionelle Brandmelder wegen der normativen Vorgaben nicht mehr genutzt werden können, oder wo klimatische Raumbedingungen wie etwa hohe Luftgeschwindigkeiten ihre Zuverlässigkeit beeinträchtigen. Gleiches gilt für seitlich offene Areale, nicht überdachte Lagerflächen oder Freilandflächen. Hier kann die Thermografie den Brandschutz wirkungsvoll ergänzen und durch frühzeitige Detektion Schäden minimieren. ⟵

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Thermografie in der Kreislaufwirtschaft
Seite 26 bis 29
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