Der Autor: Jörg Schulz, Prokurist und Sicherheitsberater, Von zur Mühlen’sche GmbH, Bonn
Zunehmend finden im Bereich Brandschutz auch Gesichtspunkte wie Ressourcenverbrauch, achtsamer Umgang mit Natur und Umwelt sowie die Eindämmung der Folgen des Klimawandels Beachtung. Bestenfalls kommen Planungsansätze und Brandschutzprodukte in Bezug auf Nachhaltigkeit innovativ und zukunftsfähig daher. Die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit im Brandschutz zeigt sich unter anderem in der zunehmenden Bedeutung von ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance), die die neuen Rahmenbedingungen zur Berücksichtigung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen in Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen im Bereich der Gewerbe- und Büroimmobilien setzen.
Am Beginn dieser Betrachtung stellen sich grundsätzliche Fragen:
- Welchen Beitrag kann das Thema Brandschutz überhaupt zur Nachhaltigkeit leisten?
- Die Ziele der beiden Themen entsprechen sich nicht zwangsläufig, ehr ist oft das Gegenteil der Fall, also wo können Zielkonflikte vermieden und mit guten Lösungen und innovativen Ansätzen überwunden werden?
- Gleichzeitig bringt das Thema Nachhaltigkeit an vielen Stellen neue Risiken mit sich, die durch gezielte Brandschutzmaßnahmen zu kompensieren sind. Welche Risiken sind das und wie sehen die Kompensationsmaßnahmen aus?
Brandschutzbereiche mit Nachhaltigkeitsrelevanz
Beim Thema Brandschutz kennen wir zunächst die Bereiche Prävention, Rettung und Abwehr. Die vorbeugenden Maßnahmen im Bereich der Prävention wirken der Entstehung und Ausbreitung eines Brandes vorsorglich entgegen, bevor es zum Eintritt des schädigenden Ereignisses kommt. Bei der Rettung geht es darum, bei einem schon eingetretenen Brandereignis Menschen und Tiere in Sicherheit zu bringen. Abwehrmaßnahmen schließlich beschreiben reaktive Gegenmaßnahmen, konkret Löscharbeiten und den Schutz angrenzender Bereiche und Objekte vor Brandüberschlag.
Die folgende beispielhafte, aber keineswegs abschließende Liste umfasst Themenfelder für den Brandschutz mit dem Potenzial, Nachhaltigkeitsaspekte einzubeziehen und gegebenenfalls zu verbessern, ohne dass das Schutzziel des Brandschutzes auf der Strecke bleibt:
- die grundsätzliche Planung einer Bebauung
- die Bauweise
- die Auswahl der Baustoffe und Bauprodukte
- die technische Gebäudeausrüstung
- das Thema Immissionsschutz und Vermeidung
- die Auswahl technischer Löschmittel sowie
- Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.
Nicht alle Themen können in diesem Beitrag erschöpfend erörtert werden, daher konzentrieren wir uns auf einige wichtige Fragen. Schlussfolgerungen und Erkenntnisse können aber in andere Bereiche transferiert werden, denn die Methodik, verschiedene, für das individuelle Vorhaben relevante Eigenschaften, Parameter und Attribute einzeln abzuwägen und zu gewichten, dürfte vielen Anwendern bekannt sein.
Baustoffe
Bei der Auswahl eines Baustoffes sind zahlreiche Eigenschaften zu berücksichtigen und anhand des gewünschten Ziels gegeneinander abzuwägen. Nach den individuellen Anforderungen der zu lösenden Aufgabe, den Rahmenparametern und den Befindlichkeiten der Nutzergruppen müssen diese Eigenschaften einzeln untersucht und priorisiert werden. So mag etwa eine bauliche Konstruktion aus Beton hervorragende Eigenschaften bezüglich Brandschutz, Einbruchschutz, Schallschutz und Statik aufweisen. Beim Thema Nachhaltigkeit oder Wärmeschutz steht sie jedoch nicht so gut da. Zudem ist Bauen mit Beton nicht immer die günstigste Bauweise. Stellt man dem nun beispielhaft eine bauliche Konstruktion aus Holz entgegen, können die Eigenschaften beim Punkt Nachhaltigkeit zumindest bei entsprechend strenger Ausrichtung der Lieferketten deutlich günstiger ausfallen, aber die Bereiche Brandschutz, Einbruchschutz und Schallschutz stellen sich weniger optimal dar. Auch ist eine Holzkonstruktion oft nicht preisgünstiger als ein Betonbau. Insofern gilt es immer, aus dem Zusammenspiel der verschiedensten Eigenschaften den besten Kompromiss zu finden. Hierzu sind detaillierte Kenntnisse zu entsprechenden Varianten und Alternativen nötig.
Dämmmaterialien
Im Bereich der Dämmstoffe stellen wir beispielhaft erdölbasierte, mineralische und organische Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen pflanzlicher und tierischer Herkunft gegenüber.
Bei der Wärmeleitfähigkeit sind aufgeschäumte Kunststoffe nach wie vor das Maß der Dinge. Mineralische Dämmstoffe wie Schaumglas oder auch Mineralwolle dämmen nicht ganz so gut, genau wie Dämmstoffe biologischen Ursprungs wie Holzfasern, Stroh und Schafwolle. Dafür stehen sie bei Herkunft und Kreislauffähigkeit der Rohstoffe besser da als alle erdölbasierten Produkte. Mineralische und biologisch-organische Dämmstoffe wiederum sind weniger beständig bei Defekten und Wassereintritten im eingebauten Zustand als erdölbasierte, umgekehrt sind letztere jedoch kaum recyclingfähig.

Im Bereich des Brandschutzes sind mineralische Dämmstoffe die einzigen, die als nicht brennbar gelten. Dämmstoffe biologischen Ursprungs können zwar genauso wie solche auf Erdölbasis mit Brandschutzkomponenten ausgerüstet werden, eine Nichtbrennbarkeit wie Mineralwolle werden sie jedoch nicht erreichen. Zudem sind die Chemikalien, mit denen sie ausgerüstet werden, nicht immer ökologisch unbedenklich.
Löschmittel
Auch bei Löschmitteln stationärer Löschanlagen ist es nicht nur eine Eigenschaft, die über Eignung und Zweckmäßigkeit entscheidet, sondern die Kombination aus verschiedensten Merkmalen, wie beispielsweise:
- der Raumbedarf für die Bevorratung des Löschmittelvolumens
- die elektrische Leitfähigkeit
- die Personengefährdung
- die Ozonschädlichkeit und die Treibhauswirkung
- die Folgeprodukte bei Ausbringung beziehungsweise Löschung sowie
- die Wirtschaftlichkeit.
Halone gehören aufgrund ihrer signifikanten Ozonschädlichkeit und Treibhauswirkung und der typischen Folgeschäden schon lange zum alten Eisen und werden bis auf sehr spezielle Ausnahmen im Bereich der Luftfahrt bei neuen Anlagen nicht mehr eingesetzt. Auch aus dem Bestand dürften solche Löschmittel nahezu vollständig verschwunden sein.
Moderne chemische Löschmittel, wie der Stoff Perfluor(2-methyl-3-pentanon), besser bekannt als NovecTM 1230, verfügen über weniger ozonschädigende und treibhauswirkende Inhaltsstoffe, benötigen weniger Volumen und passen von der elektrischen Leitfähigkeit her auch zu Einsätzen in Serverräumen und Rechenzentren.
Und oft kann in kleineren Bereichen auf eine Druckentlastung verzichtet werden. Jedoch sind diese Löschmittel in die Diskussion geraten, da sie PFAS enthalten, das heißt die so genannten Ewigkeitschemikalien. Diese Substanzen sind äußerst beständig, biologisch oder anderweitig kaum abbaubar und reichern sich daher in Umwelt, Mensch und Tier an. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sollte man also davon Abstand nehmen.
Wasser hingegen benötigt zwar viel Raum für die Vorhaltung des Löschmittels; Klima- oder Ozonschädlichkeit und Toxizität sind jedoch hier kein Thema. Zugleich verursacht aber Wasser, insbesondere wenn es massiv eingebracht wird, einen hohen Sanierungsbedarf nach dem Löschen eines Brandes. Zudem ist es für elektrische und elektronische Anlagen ungeeignet. Einen guten Kompromiss stellen Inertgase dar, sie benötigen zwar mehr Raum als chemische Löschmittel, sind aber elektrisch nicht leitfähig und im Bereich der Ozonschädlichkeit und der Treibhauswirkung neutral. Bei der Wirtschaftlichkeit liegen sie im mittleren Bereich, benötigen aber oft zusätzliche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes von anwesenden Mitarbeitern.
Technische Gebäudeausrüstung
In der TGA gibt es eine Vielzahl von Bereichen mit Relevanz für die Nachhaltigkeit.
So finden sich erfreulicherweise in der Elektrotechnik Produkte und Lösungen, die sowohl bei typischen elektrotechnischen Problemen wie EMV (elektromagnetische Verträglichkeit) oder Fehlerschutz günstig daherkommen; genauso wie bei den Themen Brandschutz und Nachhaltigkeit. Vorteilhaft ist etwa der Einsatz von Metall- statt Kunststoffsystemen für die Leitungsführung und für Trassen, wo er sich anbietet. Manchmal sind metallische Systeme zwar aufwändiger zu montieren und dadurch in der Anschaffung teurer, im langen Betriebsprozess einer Anlage können sie jedoch ihre Vorteile optimal ausspielen.
Im Bereich der Klimatechnik sind beispielsweise die Kältemittel einen genauen Blick auf ihre Eigenschaften bezüglich des Brandschutzes und der Nachhaltigkeit wert. Wir unterscheiden zunächst grob zwischen
- natürlichen beziehungsweise konventionellen Kältemitteln, wie Ammoniak, Kohlendioxid, Wasser und Kohlenwasserstoffen und
- synthetischen Kältemitteln, vertreten durch die halogenierten Kohlenwasserstoffe.
Die erstgenannte Gruppe verursacht verhältnismäßig wenig Treibhausgase und schädigt die Ozonschicht nicht. Leider sind jedoch insbesondere Ammoniak und Kohlenwasserstoffe wie Propan brennbar. Wasser ist der einzige Stoff der genannten Gruppe, der als nicht gesundheitsgefährdend eingestuft werden kann. Als wirtschaftlich günstigste Lösung für Kühlanlagen gilt derzeit keiner der genannten Vertreter der Kategorie.

Kostengünstiger hingegen sind Kälteerzeugungssysteme mit halogenierten Kohlenwasserstoff-Substanzen im Kältekreislauf. Sie haben jedoch mitunter ein enormes Treibhauspotenzial und sind teilweise brennbar und gesundheitsgefährdend.
Insofern erkennen wir hier wieder typische Zielkonflikte und müssen feststellen, dass das eine optimale System zur Kälteerzeugung noch nicht erfunden ist, sondern dass auch hier wieder Eigenschaften gegeneinander abzuwägen und Priorisierungen vorzunehmen sind.
Transformationsrisiken
Neue Risiken der Energie- und Mobilitätswende, die einen Einfluss auf das Thema Brandschutz haben, bergen etwa Wallboxen und Ladesäulen als neue Großverbraucher mit permanentem Lastfluss sowie Photovoltaikanlagen. So speisen letztere abhängig vom Tagesverlauf beträchtliche Leistungen in die Elektroanlage ein, die dann beispielsweise über die Wallbox in das klimaschonende Elektroauto fließen. Der Umgang und die Handhabung mit diesen zusätzlichen Energieflüssen verlangt von Betreibern und Planern zu überprüfen, ob bestehende Schalt- und Leitungsanlagen diese zusätzlichen Lasten sicher führen können.
Neben diesem generellen Aspekt kommen konkrete Risiken auf uns zu. Als weitere Strukturierung soll das allseits bekannte Modell des Verbrennungsdreiecks herangezogen werden. Als Voraussetzungen, die gemeinsam auftreten müssen, damit es zu einem Brand kommt, benennt es die drei Komponenten Sauerstoff, Zündquelle und Brandlast.

Insbesondere die Brandlasten und Zündquellen werfen im Zusammenhang mit der Energie- und Mobilitätswende Fragen auf.
Zu den Risiken im Bereich der Zündquellen, die in der Planungs- aber auch in der Betriebsphase besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, gehören:
- die Anschlusspunkte von Solarmodulen, die durch die Reihenschaltung der Module allesamt hohe Ströme führen müssen
- die Gleichstrom-Verkabelung mit ihrer besonderen Eigenart, dass Lichtbögen beim Abschalten schwer löschbar sind
- die Wechselrichter mit ihrer Verlustwärme, insbesondere in Phasen eines hohen Ertrages durch hohen Sonnenstand
- Batteriespeicher mit ihren Anschlusspunkten und ihrer Wärmeentwicklung
- Wallboxen mit ihren zahlreichen Schalt- und Steuerelementen.
An jeder dieser Komponenten besteht die Gefahr, dass bei nicht korrekter Auslegung der Anlagenteile oder auch bei nicht auslegungskonformer Betriebsweise eine Erwärmung auftritt und sich dadurch Zündquellen bilden.
Neue Brandrisiken ergeben sich zudem bei:
- der zusätzlichen Verkabelung für die genannten Systeme wie Photovoltaik und Elektromobilität
- den zusätzlich erforderlichen Leitungsführungssystemen, wo viel zu oft Kunststoff eingesetzt wird
- Wechselrichtern mit ihrem hohen Kunststoffanteil bei Gehäuse, innerem Aufbau und Komponentenbestückung
- Wallboxen in ähnlicher Ausprägung wie Wechselrichter oder
- Batteriespeichern, die durch das Brandverhalten von Lithium-Ionen-Akkus eine besondere Betrachtung bezüglich des vorbeugenden und gegebenenfalls abwehrendem Brandschutzes erfordern, wie zum Beispiel
- brandschutztechnisch separate Aufstellung
- Zugangsbeschränkung
- Brand-Früherkennung
- Freischaltmöglichkeit
- Konzepte zur Löschung und Entrauchung sowie
- Warn- und Hinweis-Beschilderung.
All diese Bauteile und Systeme stellen neue Brandrisiken dar, mit denen umzugehen ist.
Zusammenfassend treffen Brandschutz und Nachhaltigkeit an vielen Punkten und bei vielen Themen aufeinander, ohne dass die Zielrichtungen der beiden Themen zwangsläufig synchron sind, oft ist eher das Gegenteil der Fall. Als Lösungsansatz kann empfohlen werden, unter vielen anderen die Themen Brandschutz und Nachhaltigkeit spezifisch zu gewichten und Lösungen passend zur individuellen Aufgaben- oder Problemstellung auszuwählen.
Heutige und Künftige Generationen schützen
Resultate, bei denen sowohl die Ziele des Brandschutzes als auch der Nachhaltigkeit bestmöglich erreicht werden, sind oft nicht die günstigsten. Jedoch ist zu erwarten, dass sich durch die marktüblichen Skalierungseffekte in Zukunft eine Verbesserung der Situation ergibt. Insofern kommen wir dem Ziel ein Stück näher, uns sowohl im Bereich des Brandschutzes als auch im Bereich Nachhaltigkeit achtsam zu verhalten und den kommenden Generationen keine Altlasten zu überlassen. ⟵
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