In der thüringischen Kleinstadt Stadtroda wurde ein Wohnblock der früheren DDR-Plattenbau-Serie 70 (WBS 70) saniert. Das Gebäude mit 144 Wohneinheiten bietet 262 Menschen ein Zuhause. Ursprünglich wurde es zu 100 % mit Fernwärme versorgt. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten wurden im bewohnten Zustand ein innovatives Abwasserwärme-Rückgewinnungssystem und zwei Wärmepumpen eingebaut und erfolgreich in die bestehenden Heizzentralen integriert. Durch die Nutzung des Abwassers als Quelle für die Hochtemperatur-Wärmepumpen konnte eine effiziente und nachhaltige Lösung zur Unterstützung der Warmwasserbereitung realisiert werden. Das sorgfältig vom übrigen Abwasser getrennte Grauwasser wird nun mit Temperaturen zwischen 25 und 30°C zur Erzeugung von wöchentlich 2 MWh Wärme genutzt.
Bei einer Zieltemperatur von 60°C und einem durchschnittlichen COP (Coefficient of Performance) von 5,5 konnte der Fernwärmebedarf um etwa 20% reduziert werden. Dieses Sanierungsprojekt stellt ein herausragendes Beispiel für die erfolgreiche Implementierung umweltfreundlicher und energieeffizienter Technologien in Bestandsgebäuden dar und trägt maßgeblich zur Reduzierung des Energieverbrauchs sowie der Betriebskosten bei.
Das Verfahren der GrauwasserWärmerückgewinnung
Das gesamte Verfahren der Grauwasser-Wärmerückgewinnung lässt sich in zwei Prozesse untergliedern. Der erste Prozess befasst sich mit der Bereitstellung der Wärmequelle Grauwasser in einem Bestandsgebäude ohne separate Grauwasserleitung, der zweite mit der Wärmeübertragung aus dem Grauwasser mithilfe einer Wärmepumpe in die bestehende Warmwassererzeugung des Gebäudes.
Abwasserweiche macht Grauwasser als Wärmequelle nutzbar
Grauwasser, das vornehmlich aus Dusche, Wasch- und Spülmaschine stammt und keine fäkalen Verunreinigungen aufweist, ist für die Wärmerückgewinnungund Aufbereitung zu Oberflächenwasser oder Prozesswasser optimal geeignet. Im Bestand wird die Wiederverwendung von Grauwasser jedoch durch die fehlende separate Rohrführung erschwert. Die Abwasserweiche ABW-K2 von revincus ist speziell für die nachgeschaltete Trennung zwischen Grau- und Schwarzwasser aus einem Mischstrang entwickelt worden.
Die Abwasserweiche löst das Problem der fehlenden Systemtrennung durch eine nachgeschaltete Trennung am Ende eines jeden Fallstrangs. Eine gesteuerte Klappe separiert die beiden Abwässer voneinander. Im Normalzustand wird das Grauwasser seitlich abgeleitet und von einem Edelstahlgewebe gefiltert. In der Schwarzwasserstellung fällt das Abwasser ungehindert durch die Weiche. Im Zuge des Stellungswechsels wird dabei der Filter von einer Gummilippe abgestreift und rückgespült.
Ein Funktaster, der in jedem Spülkasten einer Toilette installiert wird, teilt der Steuerung den Zeitpunkt einer Toilettenspülung mit. Die Abwasserweiche schaltet in diesem Moment auf Schwarzwasserstellung und diefäkalbeschmutzten Abwässer fallen durch die Weiche hindurch und gelangen auf direktem Weg in die Kanalisation. Das Grauwasser hingegen wird mit dem Wärmetauscher ABW-PSW für die Wärmerückgewinnung verwendet.
Wärmetauschprozess – Integration in Heizungsanlage
Das separierte Grauwasser wird im Grauwasserwärmetauscher ABW-PSW von revincus aufgefangen und umspült einen aus Edelstahl gefertigten Wellrohrwärmetauscher. Dieser spiralförmig konstruierte Wärmetauscher erstreckt sich über die gesamte Höhe des Tanks und führt das quellseitige Zirkulationsmedium der Wasser/Wasser-Wärmepumpen des Typs Ochsner IWWHC P2d 30.
Besonderheit dieser Kompaktbaureihe ist neben der geringen Aufstellfläche von weniger als 1 m² auch die Möglichkeit der Nutzung von Quelltemperaturen bis 40 °C und Austrittstemperaturen bis zu 80 °C, die Voraussetzung für den Prozess im vorliegenden Plattenbau sind.
Die Wärme des Grauwassers wird von dem Zirkulationsmedium aufgenommen und an die Wärmepumpe abgegeben. Anschließend wird das nun abgekühlte Grauwasser zurück in die Kanalisation geleitet. Ein Bürstenkranz im Inneren des Tanks ist für die Reinigung des Wärmetauschers zuständig. Mittels einer Spindel bewegt er sich vertikal auf und ab, um die Spirale effektiv von jeglichen Ablagerungen zu befreien. Der ABW-PSW ermöglicht die dauerhafte Wärmenutzung des Abwassers und in Kombination mit einer Wärmepumpe die Integration in verschiedenste Anwendungen. In diesem Projekt ist das die Warmwasserproduktion.
Umsetzung am Gebäude
Der gesamte Wohnblock wird über zwei Heizzentralen versorgt. In beiden befinden sich Übergabestationen, die die Heizung und Warmwassererzeugung für die je 72 Wohneinheiten mit Fernwärme gewährleisten. Beide wurden jeweils mit einer Wärmepumpe der Hochtemperatur-Kompaktbaureihe Ochsner IWWHC P2d ergänzt, die senkenseitig drei 500 l Trinkwasserspeicher auf 60 °C Zieltemperatur erwärmen. Die Trinkwasserspeicher sind den bestehenden Speichern, die mit der Fernwärme versorgt werden, vorgeschaltet.
Das Grauwasser wird mithilfe der Abwasserweichen an jedem Mischabwasserstrang des Gebäudes im Keller abgetrennt. Die Wärmetauscher sind unter den Fallsträngen im Gebäude platziert und fangen das Grauwasser von zwei bzw. an den Enden der Gebäudeteile von einer Abwasserweiche auf. Die Wärmetauscher sind parallel über eine Tichelmannleitung verschaltet, quellseitig werden somit jeweils sieben Wärmetauscher für jede Wärmepumpe durchströmt.
Pro Gebäudeteil mit jeweils 72 Wohneinheiten und zwölf Fallsträngen kommen 72 Funktaster, zwölf Abwasserweichen, sieben Grauwasserwärmetauscher und eine Wärmepumpe zum Einsatz.
Mithilfe der Wärmepumpe wird dem abgepufferten Grauwasser in den Wärmetauschern Wärme entzogen, bis dieses 8 °C kalt ist. Das abgekühlte Grauwasser wird durch das nachströmende warme Grauwasser aus dem Wärmetauscher gedrückt und in die Kanalisation geleitet. Die aus dem Abwasser gewonnene Wärme und der zusätzliche Wärmeeintrag durch den Stromverbrauch der Wärmepumpe decken die Warmwasserversorgung ab. Aufgrund der hohen Durchschnittstemperatur von Grauwasser stellt die Wärmepumpe mit einem besonders effizenten COP von 5,5 die benötigten Temperaturen zur Warmwasserversorgung ohne witterungs- oder jahreszeitliche Schwankungen bereit.
Fazit und Aussicht
Grauwasser als Wärmequelle für Wärmepumpen ermöglicht eine besonders effiziente und regenerative Wärmeerzeugung. Mit Hilfe der vorgestellten Abwasserweiche kann Grauwasserwärme auch ohne kostenintensive Strangsanierungen in Bestandsgebäuden abgetrennt und dank des Wärmetauschers mit integrierter Reinigung wartungsarm mit einer Wärmepumpe genutzt werden. Abwasserwärme ist eine erneuerbare Energiequelle, die in jedem Wohngebäude vorhanden ist und das Potenzial bietet, die Warmwassererzeugung komplett abzudecken. Sie ist dadurch ein wichtiger Bestandteil der energetischen Transformation des Gebäudebestands. Die Unabhängigkeit von Jahreszeiten und Witterung sowie die geringen Gestehungskosten von 5 ct bis 10 ct/kWh unterstreichen die Attraktivität dieser Wärmequelle und sichern auch in Zukunft bezahlbare und CO2-neutrale Wärme. Das System wurde im vorgestellten Projekt im bewohnten Zustand installiert und schränkte die Bewohner zu keinem Zeitpunkt ein.
Aktuell befasst sich revincus mit der Entwicklung einer künstlichen Intelligenz zur Erkennung von Grau- und Schwarzwasser direkt am Ende des Mischabwasserstrangs im Keller. Damit könnte künftig auf den Einbau der Funktaster im privaten Wohnraum verzichtet werden. Testläufe der KI am Wohnblock ergaben eine Trefferquote von nahe 100%. Eine einbaufähige KI-Lösung ist für das Ende des Jahres 2024 vorgesehen. Dies würde eine Integration von Grauwasserwärmerückgewinnung ohne Eingriff und Absprache mit dem Mieter ermöglichen und Zeit sparen.
Felix Drechsel
Bernd Lieber
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