Umweltwirkung der TGA

Perspektivenwechsel bei der Entscheidung für eine Versorgungslösung

Im April dieses Jahres wurde auf europäischer Ebene die Novellierung der Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) verabschiedet und am 08.05.2024 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die EPBD, die auch bei Auswahl von TGA-Lösungen ein Umdenken erfordert, trat am 28.05.2024 in Kraft.

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Treibhausgasemissionen des Handlungsfelds „Errichtung und Nutzung von Hochbauten“ auf Grundlage der Daten des Klimaschutzplans 2050 Umweltfußabdruck von Gebäuden in Deutschland; BBSR Online-Publikation Nr. 17/2020, ISSN 1868-0097; Darstellung BBSR Bild: BBSR
Treibhausgasemissionen des Handlungsfelds „Errichtung und Nutzung von Hochbauten“ auf Grundlage der Daten des Klimaschutzplans 2050 Umweltfußabdruck von Gebäuden in Deutschland; BBSR Online-Publikation Nr. 17/2020, ISSN 1868-0097; Darstellung BBSR Bild: BBSR

Mit der Verabschiedung der aktualisierten Richtlinie zur Energieeffizienz von Gebäuden (EPBD) im April 2024 werden neue Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Gebäuden gestellt. Ab 2028 soll für alle neuen Bauten mit einer Nutzfläche von mehr als 1.000 m² eine Bewertung der Umweltwirkungen im Lebenszyklus (Lebenszyklusbewertung) durchgeführt werden. Ab 2030 gilt diese Anforderung für alle neuen Gebäude unabhängig von ihrer Größe. Des Weiteren fordert die EPBD, dass der Energieausweis in Zukunft auch die Treibhausgasemissionen des Energieverbrauches sowie das Gesamt-Lebenszyklus-Treibhausgaspotential (GWP) der verbauten Materialien ausweist. Die Mitgliedstaaten haben bis Mai 2026 Zeit, die formulierten Anforderungen und Grenzwerte in nationales Recht umzusetzen /1/.

Die EPBD-Novelle enthält u. a. zahlreiche Neuerungen im Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung. Sie erhöht damit den Druck auf herstellende Unternehmen und Planende, sich mit den Umweltwirkungen der einzelnen Komponenten und Systeme auseinandersetzen und wird einen Perspektivenwechsel bei der Entscheidung für eine bestimmte Versorgungslösung bewirken. Die Planung der TGA wird sich in Zukunft auf eine neue Betrachtungsweise, von der rein energetischen Bewertung des Gebäudebetriebs hin zur ökobilanziellen Bewertung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, einstellen müssen. Wichtigstes Hilfsmittel ist dabei die Lebenszyklusanalyse (englisch: life cycle assessment LCA).

 

EPBD (Energy Performance of Buildings Directive):

Die EPBD ist eine europäische Richtlinie. Im Bereich des EU-Rechts gibt es verschiedenste Rechtsvorschriften und Umsetzungen. Während z. B. Verordnungen und Beschlüsse einmal gefasst sofort für die gesamte EU gültig sind, müssen Richtlinien hingegen von den einzelnen Ländern national umgesetzt werden. Zur nationalen Umsetzung von Anforderungen der EPBD wird in Deutschland bislang das Gebäudeenergiegesetz (GEG) genutzt /2/.

Treibhausgasneutralität:

Treibhausgasneutralität beschreibt das Gleichgewicht zwischen den vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen und deren Abbau innerhalb festgelegter Systemgrenzen. Dabei können die Treibhausgase (THG) entweder vollständig vermieden (absolute THG-Neutralität) oder mithilfe zulässiger Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden (netto THG-Neutralität) /5/.

 

Einflussfaktor Bauwesen – Neue gesetzliche Vorgaben

Der Klimaschutzplan 2050 beschreibt die aktuelle Situation sowie die zukünftigen Zielvorgaben für die Treibhausgasemissionen in Deutschland. Dabei erfolgt die Unterteilung in die Sektoren Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Sonstiges. Um einen vollständigen Überblick über die gebäudebezogenen Emissionen zu erhalten, ist es wesentlich, die Sektoren übergreifend zu betrachten. Die Produktion von Baustoffen wird beispielsweise nicht dem Gebäudesektor, sondern dem Sektor der Industrie zugeordnet. Das erweiterte Handlungsfeld „Errichtung und Nutzung von Hochbauten“ geht somit über den Sektor „Gebäude“ hinaus und betrachtet die gesamten Umweltauswirkungen des Hochbaus, von der Rohstoffgewinnung bis zur Herstellung, der Errichtung, dem Erhalt und der Modernisierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden /3/.

Nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) soll Deutschland bis 2045 Treibhausgasneutralität erreichen. Auf dem Weg zur angestrebten Treibhausgasneutralität ist der Gebäudesektor unverzichtbar, da dieser in großem Umfang zu den derzeitigen Umweltemissionen beiträgt /4/.

Der prozentuale Anteil dieses Handlungsfeldes an den nationalen Treibhausgasemissionen liegt bei 40 % Einfluss (Stand 2014). Etwa 25 % werden von den vorgelagerten Lieferketten der Herstellung, Errichtung, Modernisierung und durch die direkten Emissionen der Bauwirtschaft verursacht. Während die Bauprozesse auf der Baustelle mit einem Anteil von 2,6 % vergleichsweise geringe Treibhausgasemissionen verursachen, stoßen die Baustoffindustrie sowie andere direkte Zulieferer der Bauwirtschaft erhebliche Mengen an Treibhausgasen aus (22,8 %) /3/. Diese Zahlen verdeutlichen den Einfluss des Gebäudebereichs und insbesondere der Materialketten in der Nachhaltigkeitsdebatte.

Nachhaltige Gebäude: Lebenszyklusbetrachtung und die Bedeutung grauer Emissionen

Das Hauptaugenmerk für die Optimierung der Nachhaltigkeit von Gebäuden liegt bisher auf der Reduzierung des Energieverbrauchs in der Betriebsphase. Dies kann jedoch durchaus mit einem Anstieg der Treibhausgasemissionen aufgrund von Herstellung, Errichtung, Erhalt und Aufbereitung/Entsorgung der zusätzlich eingebauten Materialien verbunden sein. Eine ausschließliche Betrachtung der energetischen Qualität kann daher leicht zu Fehleinschätzungen bezüglich der tatsächlichen Nachhaltigkeit von Maßnahmen führen. Somit wird die Bilanzierung der Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden zukünftig eine wichtige Rolle spielen und die bisherige energetische Bewertung des Gebäudebetriebs ergänzen /6/.

Die Plattform „Ökobaudat“ bietet in Form einer Datenbank eine harmonisierte Datengrundlage für die Berechnung von Umweltwirkungen an. Die öffentlich zugänglichen Daten können mithilfe von Ökobilanzierungstools, wie z. B. dem Programm eLCA, verwendet werden, um den Lebenszyklus eines Gebäudes abzubilden. Das Programm eLCA wird vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) kostenlos zur Verfügung gestellt.

Die über den gesamten Lebenszyklus hinweg betrachteten Emissionen der Materialien nennt man graue Emissionen. Sie werden mit dem Treibhausgaspotenzial, dem GWP (Global Warming Potential in kg CO2-Äqv.), angegeben /7/.

Unterschieden werden dabei fünf verschiedene Datensatztypen:

  • Specific Dataset: spezifische Datensätze eines konkreten Produkts
  • Average Dataset: durchschnittliche Datensätze von Industrieverbänden, einer Mehrzahl von Firmen oder Werken
  • Representative Dataset: repräsentative Datensätze für ein bestimmtes Gebiet
  • Template Dataset: Vorlagendatensätze werden auf der Basis eines Musters erstellt und sind für spezifische Produkte festgesetzt
  • Generic Dataset: generische Datensätze werden auf Basis der EN 15804 mithilfe von Literatur, Expertenwissen oder ähnlichem erstellt und beinhalten im Regelfall einen Sicherheitszuschlag.

Ökobilanzen bilden viele verschiedene Umwelteinflüsse ab. Neben dem globalen Treibhauspotenzial werden 23 weitere Indikatoren wie beispielsweise das Versauerungspotenzial (AP) oder das Eutrophierungspotenzial (EP) bestimmt /8/. Mit 1.560 Datensätzen in der Ökobaudat (Stand: Oktober 2024) werden bereits viele Bauprodukte abgebildet. Die Anlagentechnik stellt dabei jedoch aktuell den kleinsten Anteil dar und ist in vielen Bereichen lückenhaft /9/.

Lebenszyklusbewertung:

Die ökologische Bewertung im Lebenszyklus, kurz Ökobilanzierung genannt, ist eine Berechnungsmethodik, die der Analyse der Umweltwirkungen von Materialien und/oder ganzen Gebäuden über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg dient. Die verschiedenen Lebenswegphasen sind in der DIN EN 15978 geregelt.

Lebenswegphasen nach DIN EN 15978 „Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode“; Darstellung BBSR Bild: BBSR nach DIN EN 15978
Lebenswegphasen nach DIN EN 15978 „Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode“; Darstellung BBSR Bild: BBSR nach DIN EN 15978

Neben der reinen Betriebs- und Nutzungsphase (Modul B6) werden weitere Phasen, wie bspw. die Herstellung und Errichtung (Modul A) sowie Rückbau, Aufbereitung und Versorgung (Modul C), berücksichtigt. Das Recyclingpotenzial (Modul D) wird im Regelfall lediglich bestimmt, findet aber in den derzeitigen Ökobilanzierungen keine rechnerische Anwendung. Mit den Normen DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 werden allgemeine Grundlagen für die Lebenszyklusanalyse festgelegt. Bauprodukte sind mit der DIN EN 15804 genauer geregelt /6/.

 

Einfluss und Optimierungspotenziale der TGA in der Lebenszyklusanalyse

Dabei hat gerade die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) einen signifikanten Anteil an den Umweltwirkungen eines Gebäudes. Die vorherrschenden Materialien der Kostengruppe (KG) 400 sind Metalle und Kunststoffe, die große Umweltwirkungen besitzen. Des Weiteren wirkt sich die vergleichsweise kurze Lebensdauer der Bauteile auf die Instandhaltungs- und Ersatzzyklen aus. Starkstromanlagen (KG 440) gefolgt von Raumlufttechnischen Anlagen (KG 430) und Wärmeversorgungsanlagen (KG 420) lassen sich bei Ökobilanzierungen häufig als die Treiber der Gebäudetechnik identifizieren /10/. In frühen Phasen der Planung entscheiden sich mit der Festlegung der Bauweise nicht nur die energetischen Standards. Auch die Nachhaltigkeitsaspekte lassen sich gerade anfangs entscheidend beeinflussen. Die richtigen Stellschrauben können mithilfe einer planungsbegleitenden Lebenszyklusanalyse rechtzeitig angepasst werden. Neben den ökologischen Aspekten können nachhaltige Gebäude auch einen wirtschaftlichen Vorteil bieten. Der derzeitige CO2-Preis bezieht sich bisher rein auf fossile Brennstoffe /11/. Durch die mögliche Ausweitung der Anwendung des CO2-Preises und/oder der Einführung von Klimakosten auf den gesamten Lebenszyklus, wird eine umfassende Betrachtung der Bau- und Lebenszykluskosten ermöglicht. Die Einbeziehung dieser Kosten kann eine Wirtschaftlichkeitsberechnung signifikant beeinflussen /6/.

Die Optimierung der Anlagentechnik in der Planung sowie die Wahl der Produkte wird immer wichtiger. Bislang wird die KG 400 jedoch oftmals nur vereinfacht abgebildet. In den Gebäudezertifizierungen (z. B. DGNB, BNB, BNK, QNG /13/) sind zwar bereits Ökobilanzierungen verpflichtend durchzuführen, jedoch wird die Betrachtung der TGA derzeit häufig nicht detailliert, sondern mithilfe von pauschalen Sockelbeiträgen oder Zuschlägen, einbezogen /14/.

CO2-Preis:

Die CO2-Bepreisung beschreibt eine nationale Abgabe auf fossile Brennstoffe. Diese erfolgt in der Systematik des Zertifikathandels. Die Energie- und Industrieunternehmen müssen je nach entstehenden Emissionen ihrer Produktion Zertifikate erwerben. Die Anzahl dieser Zertifikate wird jedes Jahr verringert. Somit steigt nicht nur der Wert der Zertifikate, sondern auch der Druck emissionsärmer zu produzieren /11/.

Klimakosten/Umweltkosten:

Der Klimawandel belastet die Umwelt und führt zu einem Anstieg von Schadensereignissen, beispielsweise Gesundheits- und Materialschäden, Ernteverluste oder Beeinträchtigungen der Ökosysteme. Deren Kosten werden überwiegend von der Gesellschaft getragen. Auf der Grundlage von Abschätzungen zur Art und Auswirkung der zunehmenden Schadensereignisse lassen sich den Umweltbelastungen Kosten zuordnen. Diese Kosten werden Klimakosten oder Umweltkosten genannt. Sie symbolisieren den Preis unterlassenen Umweltschutzes und zeigen die ökonomische Dringlichkeit hoher Umweltziele und deren Erreichung /12/.

Fazit – Perspektive

Mit dem Inkrafttreten der EPBD-Novelle auf europäischer Ebene und den darauf aufbauenden kommenden nationalen Vorgaben wird sich die Betrachtung der Umweltwirkungen auch im Bereich der TGA weiterentwickeln.

Die Einführung der Ökobilanz dient der dringend erforderlichen Reduzierung der Umweltwirkung unserer Gebäude. Sie ermöglicht den Vergleich verschiedenster Planungsvarianten hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Umwelt im Lebenszyklus, im Bereich der TGA bspw. den Vergleich verschiedener Versorgungssysteme.

Alle am Bau Beteiligten, insbesondere die Planer, werden von einer rein energetischen Betrachtungsweise zu einer Integration der Ökobilanzierung in ihre Planungsabläufe übergehen müssen. So können bereits in frühen Planungsphasen Entscheidungen über die Wahl der Technischen Ausstattung auf Basis ökologischer Kriterien getroffen werden. Dieser ganzheitliche Ansatz trägt nicht nur zur Schonung der Umwelt bei, sondern verbessert auch die langfristige Wirtschaftlichkeit von Gebäuden. Insgesamt zeichnet sich ab, dass sich die Ökobilanzierung als ein zentrales Element der TGA-Planung entwickeln und damit die Bauindustrie in eine nachhaltigere Zukunft führen wird.

Literaturhinweise

Bei der Erstellung von Ökobilanzen auf Gebäudeebene spielen Umweltproduktdeklarationen (EPD) eine zentrale Rolle. Einer DGNB-Analyse zufolge nimmt...
ESG und EPD
ESG steht für Umwelt, Soziales und Führung (Environment, Social, Governance) und bezieht sich auf die Kriterien, anhand derer Unternehmen hinsichtlich...

M.Eng. Luisa Eibl

M.Eng. Luisa Eibl

Dr.-Ing. Olaf Böttcher

Dr.-Ing. Olaf Böttcher
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· Artikel im Heft ·

Perspektivenwechsel bei der Entscheidung für eine Versorgungslösung
Seite 10 bis 13
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