Der 15. FGK Klima-Tag fand am 12. September im Maritim Hotel Düsseldorf statt. In einem Podiumsgespräch kamen mit Anja Daniels (Umweltbundesamt), Prof. Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert (TU Dresden), Dietmar Brockes (für die FDP im Landtag NRW) und Udo Jung (Trox GmbH) Vertreter aus Wissenschaft, Industrie und Politik zusammen. FGK-Geschäftsführer Frank Ernst (links) moderierte die Runde. Bild: Marcus Lauster

Wie wichtig Luft zum Leben ist, wird oft erst klar, wenn irgendwas nicht stimmt mit ihr. Sei es, dass sie krankheitsverursachende Mikroorganismen, Partikel oder Gase enthält, zu feucht oder zu trocken, zu kalt oder zu warm ist. Auf dem 15. Klima-Tag des Fachverbandes Gebäude-Klima e. V. wurden fachliche Hintergründe und auch verbreitete Fehlauffassungen zur Raumluftqualität und Raumluftfeuchte beleuchtet und Lösungskonzepte für die TGA vorgestellt.

Luft ist ein Lebensmittel, das vielfach nicht den gleichen Auflagen unterliegt wie andere. Welche Lebensmittel wir täglich zu uns nehmen, beschrieb Prof. Dr. Christoph Kaup, Howatherm Klimatechnik GmbH, auf dem FGK-Klima-Tag am 12. September in Düsseldorf so: 1 kg feste Nahrung, 3–4 kg Wasser und 12–15 kg gasförmige Nahrung, sprich Luft, (1 kg entspricht 1,2 m³). Er gibt jedoch folgendes zu bedenken: „Die Außenluft wird nicht frischer, denn sie enthält heute 0,04 % CO2 – viel mehr als vor der Industrialisierung.“ Etwas Gutes gibt es auch zu sagen: „Die Partikelbelastung sinkt, auch wenn die EU-Grenzwerte noch immer drastisch überschritten sind“, so Kaup.

Gute Luft in Innenräumen

Der Fachverband Gebäude-Klima e. V. veranstaltet den Fachtag jedes Jahr zu einem Spezialthema. Die diesjährige Veranstaltung stand unter dem Motto „TGA für gesundes Raumklima“ und richtete zunächst einen Fokus auf Luft als Lebensmittel, die vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhält. Neben Fragen der Schadstoffbelastung, Beleuchtung oder auch Akustik in Innenräumen ging es auch um das Thema Raumluftfeuchte und die ausgewogene Balance, die Gesundheit und Bauwerk gleichermaßen schützt. Beispiele aus der Praxis zeigten, mit welchem Raumklima Lernende und Lehrende derzeit in Bildungsstätten konfrontiert sind, was das für Auswirkungen auf ihre Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit haben kann und wie sich die Nachrüstung von Lüftungsanlagen in Klassenzimmern umsetzen lässt.

CO2 im Klassenzimmer – auch nach der Pandemie ungelöst

Laut Weltgesundheitsorganisation sei die Luftverschmutzung derzeit die größte Umweltbedrohung, erläutert Kaup. 2021 seien deshalb weltweit 3,3 Mio. Menschen vorzeitig gestorben, in Europa 253.000. Schadstoffe in der Außenluft könnten neben zahlreichen anderen Erkrankungen auch Demenz verursachen.

In Innenräumen wiederum finden sich neben potenziellen Schadstoffeinträgen aus der Außenluft Ausgasungen aus Baumaterialien und Einrichtungen, Feuchtigkeit, die Schimmel verursachen kann, Mikroorganismen und ein zu hoher Kohlendioxidanteil.

Während der Corona-Pandemie rückte in vielen öffentlichen Einrichtungen und besonders in Bildungseinrichtungen die Raumluftqualität in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Während sie in bestimmten Bereichen der Industrie und des Gesundheitswesens ganz selbstverständlich gesichert wird – auch durch entsprechende Normen und Technik – gerieten speziell die Schulen nach Ende der Pandemie sofort wieder in Vergessenheit. Die Luftreiniger stehen im Keller, raumlufttechnische Anlagen, die für frische Luft sorgen, gibt es nach wie vor nicht. Vielfach nicht einmal ein Wissen um deren Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit. Dabei ist sich die Wissenschaft einig, dass eine Konzentration von 1.000 ppm CO2 in der Raumluft nicht überschritten werden sollte. In Klassenräumen messe man nach einer Doppelstunde schnell mal 2.000 ppm. „Ab 3.000 ppm verringert sich die kognitive Kapazität um 10 Prozent“, führt Prof. Kaup aus. Ab 10.000 ppm treten Kopfschmerzen und Übelkeit auf, ab 20.000 Herzrasen, Atemnot und auch Schlaganfälle.

Schnelle Lösung für Schullüftungen

Nun besteht gerade in Schulen auch insgesamt ein extrem hoher Sanierungsbedarf. Jede zweite der 33.000 deutschen Schulen sei sanierungsbedürftig, sagt Univ.-Prof. Dr. Dirk Müller von der Heinz Trox Stiftung. Laut einer Studie, die die Stiftung zusammen mit der HTx Wissenschafts gGmbH durchführte, betrage der Gesamtinvestitionsrückstau für deutsche Schulen ca. 45 Mrd. Euro. Bei jeder Sanierung sollte natürlich eine zentrale RLT-Anlage installiert werden, doch bei mehreren Zehntausend Schulen würde das insgesamt viel zu lange dauern. Zudem seien in vielen Klassenräumen der Geräuschpegel zu hoch und die Beleuchtung nicht ausreichend.

Die Heinz Trox Stiftung wünschte sich deshalb ein smartes Konzept, das schnell und ohne Unterrichtsausfall umgesetzt werden kann, hochgradig modular und anpassungsfähig für lokale Gegebenheiten aufgebaut ist und wenig Vorplanung braucht. Entwickelt wurde eine Systemlösung mit dezentraler Lüftung, verbesserter Beleuchtung und Akustik, die flach an der Decke von Klassenräumen installiert werden kann. Pro Klassenraum dauert das zwei bis fünf Tage. Die Bauelemente kommen von verschiedenen Herstellern, die ihre Geräte den modularen Vorgaben anpassen.

Einige Projekte wurden beispielhaft für verschiedene bauliche Gegebenheiten umgesetzt. Es zeigte sich, dass die CO2-Spitzen von über 2.700 ppm auf unter 1.500 ppm sanken, die Nachhallzeit verkürzte sich und mit 30 % weniger Beleuchtungsleistung wurde die Lichtstärke von 280 auf 980 Lux erhöht.

Ist Luftbefeuchtung Luxus?

Diese Frage stellte Prof. Dr.-Ing. Uwe Franzke, Geschäftsführer des Instituts für Luft- und Kältetechnik in Dresden, zunächst an das Auditorium. Nach gemischter Resonanz ging er daran, die Probleme darzulegen, die ihr Fehlen im Arbeitsalltag verursacht. Menschen haben keine Sensoren für Luftfeuchte, aber ist die Luft zu trocken (unter 40 %), merken wir die Folgen. Das fängt beim Austrocknen der Schleimhäute an oder den trockenen Augen, die insbesondere Computerarbeitende beklagen. Durch Luftbefeuchtung könnte ein Teil der Fehltage wegen Atemwegserkrankungen eingespart werden. Laut aktueller Datenlage entstehen in deutschen Unternehmen jährlich 415 Fehltage wegen Atemwegserkrankungen pro 100 Krankenversicherte. Wenn auch nur etwa 10 % davon durch Luftbefeuchtung eingespart werden könnten, liegt der finanzielle Vorteil bei jährlich etwa 4 Mrd. Euro.

Bild links: Die Raumluftsituation von Schulen im Winter ohne aktive Luftbefeuchtung - Bild rechts: Die Raumluftsituation von Schulen im Winter mit aktiver Luftbefeuchtung auf 8,5 g Wasser pro 1 kg Luft - Bilder: Condair

Im GEG tauche der Begriff Luftfeuchte nicht auf und beim Auslegen der raumlufttechnischen Anlagen werde die Raumluftfeuchte meist vernachlässigt, so Franzke. Das ILK begutachte viele Gebäude. Im Schnitt sei es im Winter darin mit 24 °C deutlich wärmer als vor 30 Jahren und trotzdem werde über Frieren (und zu trockene Luft) geklagt. Die Verbindung zwischen hohen Raumtemperaturen und trockener Luft werde aber häufig nicht erkannt.

Dazu erinnert etwa Michael Löscher von der A. Kaut GmbH, der im Übrigen für die Luftbefeuchtung argumentierte, an die physikalischen Grundlagen: Luft kann bei 0 °C Außenlufttemperatur pro kg nur 2 g Wasser aufnehmen, bei –10 °C bis –12 °C nur 1 g/kg. Beschränkt man sich für Luftaustausch, Sauerstoffzufuhr und CO2-Abfuhr auf die Fensterlüftung, werden daraus bei Innenraumtemperaturen von 20 °C nur noch 14 %.

Die von Franzke befragte KI ChatGPT sei jedenfalls zu dem Schluss gekommen, dass eine Überwachung der Raumluftfeuchte positive Implikationen hat und ein zweiter Blick ins Auditorium am Ende seines Vortrags ergab nun auch ein eindeutiges Votum dafür.

Mit Details zu Randbedingungen, Technik und energetischen Aspekten der direkten und indirekten Verdunstungskühlung beschloss Claus Händel vom FGK die Reihe der Präsentationen.

MSc, Dipl.-Ing. Silke Schilling

Dipl.-Ing. Silke Schilling
Chefredakteurin
AnhangGröße
Beitrag als PDF herunterladen208.47 KB

· Artikel im Heft ·

TGA für gesundes Raumklima
Seite 36 bis 37
10.12.2024
Normgerechtes Heizungswasser
Anlagenwasser soll laut VDI 2035 eine definierte Qualität aufweisen – soweit die Theorie. In der Praxis zeigt sich, dass hier immer noch Nachholbedarf besteht. Nicht selten wird die...
14.08.2024
Ludwig-Maximilians-Universität München
Der HighTech Campus der LMU am Westrand Münchens ist eines der größten Wissenschaftszentren Europas, in dem Grundlagenforschung, Lehre und Technologieinnovation zusammengeführt sind. In der Fakultät...
18.06.2024
Planung und Beratung, Umsetzung und Betrieb
Große Immobilien im innerstädtischen Raum beherbergen oft sowohl unterschiedliche Gewerbe als auch Wohneinheiten, die sich den Trinkwasseranschluss und diverse Bereiche der Trinkwasserinstallation...
15.05.2024
Begriffsklärung
Immer häufiger wird sowohl in Fachpublikationen als auch im öffentlichen und publizistischen Sprachgebrauch der Begriff „Frischluft“ verwendet; aus dem Kontext der jeweiligen Publikation wird jedoch...
15.05.2024
Lüftung und Gebäudeautomation
Das Energieunternehmen Stockholm Exergi modernisiert in der schwedischen Hauptstadt Wohngebäude für eine nachhaltigere und effizientere Energieversorgung. Im Fokus steht dabei auch die Art und Weise...
29.02.2024
Bildung im Baukastensystem
Typisierte und modular konzipierte Schulen und Sporthallen haben einen gravierenden Vorteil. Sie sind wirtschaftlich, flexibel nutzbar und – ob in Holz oder Sichtbeton – in wenigen Monaten errichtet...