Heiz- und Kühlsysteme für die Wärmewende in Gebäuden
Der Klimawandel ist in vollem Gange und technische Lösungen für unseren Gebäudebestand werden dringend benötigt. Wir müssen uns bewusstmachen, dass unsere Entscheidungen bezüglich der eingesetzten Heiz-/Kühlsysteme die Emissionen und laufenden Betriebskosten von Gebäuden für Jahrzehnte beeinflussen. Zugleich dürfen die thermische Behaglichkeit für die Bewohner von Gebäuden sowie die Wirtschaftlichkeit der Immobilien für ihre Eigentümer nicht aus den Augen verloren werden.
Drei Bausteine sind laut Prof. Schenk wesentlich, damit die Energiewende funktioniert:
- der Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung
- die Nutzung der effizientesten verfügbaren Technologien
- die Senkung des Energiebedarfs.
Der erste Baustein für die Versorgung von Gebäuden liegt in der Erschließung und Nutzung erneuerbarer Energien. Die Vorgabe lautet daher auch im Gebäudeenergiegesetz (GEG), einen Anteil von mindestens 65 % an erneuerbaren Energien für die Versorgung von Gebäuden mit Heizwärme, Warmwasser (kurz 65 %EE ) zu gewährleisten. Um künftig die gesamte benötigte elektrische Energie mit erneuerbaren Energien erzeugen zu können, muss die Nutzung der Windkraft und der Photovoltaik ausgebaut werden. Bei Betrachtung verschiedener Szenarien erscheint der Ausbaufaktor für Wind mit 3 und für Photovoltaik um 8 am leichtesten umsetzbar.
Die effizienteste Technologie: Ganzheitliche Niedertemperatursysteme
Anhand von zahlreichen Messungen wurde im Labor der Hochschule München im Lauf mehrerer Projekte festgestellt, dass jedes Kelvin mehr an Vorlauftemperatur zu 3,5 % mehr Stromverbrauch führt, so Prof. Schenk bei seinem Vortrag zum BVF-Symposium. Dies stelle die enorme Relevanz eines guten Anlagenkonzeptes von der Wärmequelle über die Wärmeverteilung heraus, um nachhaltig Ressourcen zu schonen. Denn der Temperaturunterschied von teils 20 °C bei den Vorlauftemperaturen macht deutlich, wie hoch das tatsächliche Einsparpotenzial ist.
Für eine funktionierende Energiewende bieten sich eine Reihe marktüblicher Anlagenkonzepte an:
Wärmepumpe mit Flächenheizung
Die Flächenheizung ist durch eine Auslegung von 32 °C im Vorlauf und 27 °C im Rücklauf optimal für den Betrieb mit einer Wärmepumpe, denn nur so kann sie die bestmöglichen Jahresarbeitszahlen (JAZ) von über 6 erreichen. Dieser wesentliche energetische und wirtschaftliche Aspekt wird in den beiden Praxisbeispielen noch deutlicher.
Eine Spreizung von 5 K für einen effizienten Betrieb der Wärmepumpe sowohl für den Heiz- als auch den Kühlfallhat sich dabei als praktikabel erwiesen. Neben der Wärmeversorgung ermöglicht die Flächenheizung/-kühlung auch eine Kälteversorgung über die so genannte stille Kühlung. Dem Raum wird Wärme entzogen, um die gewünschte Raumtemperatur zu erreichen. Die Kühlleistung findet durch Strahlungsaustauch direkt (Mensch zur Kühlfläche) oder indirekt (Mensch zu Einrichtungsgegenständen und Umschließungsflächen) statt. Dieser Art der Kühlung ist besonders behaglich, da keine Zugerscheinung auftreten.
Hybridsysteme
Bei der Hybridheizung wird Wärme beispielsweise über thermische Solarkollektoren erzeugt und gespeichert. Über einen weiteren Wärmerzeuger wird Wärme zugeführt, sobald die von der Anlage erzeugte Wärmeenergie nicht mehr ausreicht bzw. der Pufferspeicher entladen ist.
Die zentrale Anlagenkomponente ist in diesem Fall der Pufferspeicher, der idealerweise als Schichtenspeicher ausgeführt wird und über eine entsprechende Regelung und zugehörige Mischventile bedarfsgerecht be- und entladen wird.
Eine weit verbreitete Hybridvariante ist die Kombination thermischer Solarkollektoren mit Wärmepumpen. Hier wird der Warmwasserbedarf im Sommer überwiegend durch Solarthermie gedeckt und die Wärmepumpe wird erst zu Beginn der Heizperiode in Betrieb genommen. Je nach gewählter Gebäude- und Anlagenkonzeption wird die Deckung der benötigten Wärmeenergie von der Größe der Solaranlage in Kombination mit einem passenden Pufferspeicher bestimmt.
Die gebräuchlichste Variante ist eine Kollektor-Speicherabstimmung zur Deckung des Warmwasserbedarfs im Sommer mit teilweiser Heizungsunterstützung. Bei einem Vier-Personenhaushalt entspricht dies einer Kollektorfläche von ca. 6 m² und einem Pufferspeicher von ca. 300 l.
Kalte Nahwärmesysteme
Neben herkömmlichen Nah- oder Fernwärmenetzen gibt es auch so genannte Kalte Nahwärmesysteme. Während konventionelle Nahwärmenetze Wasser oder Dampf mit hohen Temperaturen von 70 – 100 °C transportieren, arbeitet die Kalte Nahwärme mit Medientemperaturen von 5 bis 20 °C. Die Wärme wird über ungedämmte Rohrleitungen verteilt, in denen eine Sole zirkuliert. Der große Vorteil dieser Systeme ist, dass sie wegen ihrer niedrigen Temperaturen auf dem Weg wenig Energie verlieren, ggf. sogar noch Energie aufnehmen können, z. B.aus dem Erdreich. Das macht sie energetisch sehr effizient. Zudem müssen die Rohre nicht gedämmt sein. In den einzelnen angeschlossenen Haushalten wird die Temperatur mittels monovalent betriebener Wärmepumpen auf die nötige Heiztemperatur angehoben. Als Wärmequellen können etwa Geothermie, Grundwasserbrunnen, Solarthermiekollektoren oder Wärmeenergie aus Regenwasser dienen. Auch Abwärme aus Industrie- oder Gewerbegebieten kann genutzt werden.
Die Nutzung von Umweltwärme in Verbindung mit Strom aus erneuerbaren Energien für die Wärmepumpen macht kalte Nahwärmesysteme zu einer Wärmeversorgung, die zu 100 % auf erneuerbaren Energien basiert. In vielen Fällen kann damit auch eine direkte Kühlung ohne Energieeinsatz für den Kältekreislauf erfolgen. Dies führt zu einer effizienten Betriebsweise der Wärmepumpe und damit zu einer hohen Jahresarbeitszahl (JAZ). Das schützt Ressourcen und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.
Systeme für den Gebäudebestand
Die Hersteller von Flächenheizungs- und Flächenkühlungssystemen haben sich auf die Herausforderung der Bestandssanierung eingestellt und ein breites Angebot an Modernisierungs- und Sanierungssystemen entwickelt, die für jedes Projekt das richtige Produkt liefert. Auch eine Nachrüstung im bewohnten Bestand ist heute möglich. Die Planung des Flächensystems beginnt mit der Abstimmung des Wärmebedarfs mit dem Kunden. Dabei werden auch die Verlegung und der Aufbau anhand der Bauzeichnungen abgestimmt. Die Heiz- und Kühllastberechnung sowie die Verlegepläne und Auslegung der Durchflussmengen erfolgt meist über gängige Auslegungssoftware am Markt. Neben der Erstellung von Verlegeplänen geht es in diesem Schritt auch um den Verlauf der Steigestränge und die Aufstellorte für Verteiler. Entsprechende Schnittstellen zur Heizungs- und Kühlungsseite und das Regelungskonzept sind ebenfalls Bestandteile der Planungsphase.
Nachrüstung mit Deckensystemen
Das Ergebnis ist die Basis für die Wahl des Kühl- und Heizdeckensystems. Bei nachträglichem Einbau in Bestandsgebäude ist zudem stets zu prüfen, ob das Kühl- und Heizregister an eine Geschossdecke oder eine Dachfläche ohne Dämmung grenzt. Um Verluste an die darüber liegenden Räume zu vermeiden, kann eine Dämmauflage entweder direkt auf dem Heizkühlregister aufgelegt oder in einer Moduldecke integriert werden.
Insbesondere Trockenbausysteme lassen sich sehr gut im bewohnten Zustand installieren. So genannte Moduldecken haben sich im Gebäudebestand aufgrund geringer Aufbauhöhen und kurzer Montagezeiten bewährt. So kann etwa ein flexibles Plattensystem (siehe unten aufgeführtes Bild) mit nur 18 mm Aufbauhöhe fix und fertig an Decken und Dachschrägen montiert werden.
Die Wärmeleistung bei einer gewünschten Raumtemperatur von 20 °C entspricht hierbei 68 W/m² bei einem Vorlauf/Rücklauf von 35/30 °C. Dies sind optimale Systemtemperaturen zur Einbindung einer Wärmepumpe.
Nachrüstung von Fußbodensystemen
Für Systeme mit geringer Aufbauhöhe wie Dünnschicht- oder dünnschichtige Estrichsysteme in Anlehnung an die DIN EN 1264, die sehr leicht sind, kommen je nach Projektanforderung Rohrsysteme oder Flächenheizelemente zum Einsatz. Aufgrund der geringen Aufbauhöhe wird hier pro m² Heizfläche insbesondere beim Estrich Gewicht gespart, was sich positiv auf den CO2-Fußabdruck auswirkt.
Mehr zum Thema finden Sie zum kostenlosen Download im BVF-Infoblatt:
Nachrüstung von Wandsystemen
Stehen Boden- und Deckenflächen nicht für die nachträgliche Installation einer Flächenheizung zur Verfügung, kann auch die Wand für die Montage genutzt werden.
Unabhängig vom letztendlichen Umsetzungskonzept sind in allen Fällen eine optimale Regelung der Raumtemperatur sowie der hydraulische Abgleich des Systems erforderlich. Letzterer stellt einen einwandfreien und effizienten Betrieb der Heizungsanlage sowie die optimale Anbindung an die Wärmequelle sicher. Wie energieeffiziente Nachrüstung konkret in der Praxis aussieht, wird in den aufgeführten Praxisbeispielen deutlich.
Projekt 1: Sanierung einer Doppelhaushälfte in Rosenheim
In Rosenheim sollte die CO2-freie Heizung mit Warmwasserbereitung und Kühlung für ein Gebäude aus dem Baujahr 1991 installiert werden. Der Zeitrahmen von der Idee bis zur Umsetzung betrug sechs Monate; davon drei Wochen reine Bauzeit.
Die zu beheizende Wohnfläche liegt bei 150 m² und der Wärmeverbrauch pro Jahr bei 20.000 kWh.
Bei der Sanierung 2021 wurde als erstes der Gaskessel entfernt und durch eine Solewärmepumpe mit einer Heizleistung von 7,5 kW ersetzt. Als Wärmequelle dienen zwei Erdwärmesonden mit je 80 m Tiefe. Als Wärmeverteilsystem wurde im Erd- und Obergeschoss eine Fußbodenheizung mit einer maximalen Vorlauftemperatur von 35 °C verlegt. Dafür wurden Kanäle in den bestehenden Estrich gefräst. Im Dachgeschoss wurden vier vorhandene Heizkörper durch Niedertemperaturgebläsekonvektoren ersetzt.
Aufgrund der Speicherfähigkeit der Fußbodenheizung kann der Wärmepumpenbetrieb bei Netzspitzen unterbrochen werden. Damit sinken die Verbrauchskosten zusätzlich.
Ein Vergleich der gemessenen Verbrauchskosten über ein Jahr von Gaskessel mit Heizkörpern und Wärmepumpenanlage mit Flächenheizung ergibt folgende Werte:
- Gaskessel und Heizkörper: 2.500 €/a
- Wärmepumpen mit Niedertemperaturheizflächen: 900 €/a.
Projekt 2: Firmengebäude in Kolbermoor mithöchster Effizienz beim Heizen und Kühlen
Ziel des Projektes war die Umsetzung einer zukunftsweisenden Architektur mit umweltfreundlicher und hochkomfortabler Heiz- und Kühltechnik.
Zu diesem Zweck wurde für die Wärme/Kälteverteilanlage eine Heiz- und Kühldecke mit 4-Leiteranschluss und für die Nassräume eine Fußbodenheizung ausgewählt. Im Heizfall wird mit maximalen Vorlauf- und Rücklauftemperaturen von 35/31 °C und im Kühlfall mit 17/21 °C gearbeitet.
Als Wärmequelle dienen 13 Erdwärmesonden, die Wärmeerzeugung übernimmt eine zweistufige Solewärmepumpe mit COP 5,4 bei BO/W35. Kälte wird über die freie Kühlung ausschließlich mit Erdwärmesonden erzeugt. Das Monitoring der Anlagentechnik wurde von der Hochschule München begleitet und ausgewertet.
Üblicherweise beträgt die Effizienz beim Kühlen (SEER= Kältemenge/elektrische Energie) 2 bis 5. Durch die hohe Kühlwassertemperatur der Heiz- und Kühldecke in Kombination mit der Erdwärmesondenanlage wurde jedoch hier ein JAZ-Spitzenwert von über 120 (2021/22) und 108 (2022/23) erreicht.
Fazit
Gebäude haben einen wesentlichen Anteil am Gesamtenergiebedarf und an den Treibhausgasemissionen in Deutschland. Die erneuerbare Energieerzeugung, die Nutzung der effizientesten Technologie und die Senkung des Energiebedarfs spielen daher eine entscheidende Rolle zur Erreichung der Klimaziele.
Die Flächenheizung und -kühlung ist das Niedertemperaturübergabesystem der Zukunft, da sie neben der thermischen Behaglichkeit kostengünstig und energieeffizient arbeitet, eine lange Lebensdauer von 50 Jahren und mehr aufweist und zudem mit erneuerbarer Kälte kühlen kann.
Durch eine Flächenheizung wird darüber hinaus das gesamte Gebäude als Energiespeicher aktiviert. Energie wird somit kostengünstig und über Stundenund, je nach Gebäude, sogar Tage, gespeichert.
Prof. Dipl.-Ing. Werner Schenk
Dipl.-Ing. Alexandra Borke
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