Mit modularisierter Gebäudetechnik schnell, effizient und nachhaltig zum Ziel
Die häufigste Anwendung fand das modulare Bauen in der Vergangenheit bei Gebäudetypen wie Industriehallen, einfachen Bürogebäuden oder Wohnungsbauten mit geringer Komplexität und Standardgrößen. Inzwischen lassen sich jedoch auch komplexe Architekturentwürfe ohne Abstriche in Ästhetik und Funktionalität in Module übersetzen. Dabei kann es sich um einzelne Bauteile wie Fenstermodule handeln, um ganze Baugruppen wie Wände mit Fenstern, Leerrohren und Steckdosen bis hin zu fertig ausgebauten Raummodulen.
Die Vorteile des modularen Bauens liegen auf der Hand: Es reduziert die Komplexität in der Planung und erleichtert die Projektabwicklung durch kürzere Bauzeiten sowie kompaktere Baustelleneinrichtung und höhere Termintreue. Der Architekturentwurf wird in sich wiederholende, gleiche Elemente übersetzt, die nur einmal geplant werden müssen. Im Idealfall können diese witterungsunabhängig und kontrolliert industriell vorgefertigt und anschließend termingenau auf die Baustelle geliefert werden. Dort nimmt der Einbau nur noch einen Bruchteil der Zeit im Vergleich zur vollständigen Montage vor Ort in Anspruch.
Nicht zu vernachlässigen ist zudem, dass sich die Verlagerung eines Großteils der Montage ins Werk positiv auf die Suche nach Fachkräften auswirken kann: Je mehr Arbeitsschritte vorab in der Halle ausgeführt werden, desto einfacher wird die Arbeit bei der Montage auf der Baustelle. Zeitaufwändige, kleinteilige Arbeiten, die sonst bei Schnee, Regen oder Hitze vor Ort erledigt werden müssten, sind bereits im Werk abgeschlossen. Für die Fachleute vor Ort bringt dies eine erhebliche Entlastungsfunktion mit sich.
Potenzial von Modularisierung in der Gebäudetechnik heben
Im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) sind modulare Lösungen derzeit noch selten. Der Großteil der gesamten Gebäudetechnik wird nach wie vor auf der Baustelle errichtet und teilweise auch erst dort mit anderen Gewerken koordiniert. Dabei müssen Wettereinflüsse und Verfügbarkeiten von Fachpersonal berücksichtigt, Verkettungen zwischen den technischen Gewerken und dem Hochbau bedacht und infolge dessen Montagearbeiten oft unter Zeitdruck und mit beschränktem Arbeitsraum durchgeführt werden – oft mit erheblichen negativen Auswirkungen auf Qualität, Kosten und Termine.
Dabei ist das Potenzial der industriellen Vorfertigung von Gebäudetechnik eindeutig vorhanden. Moderne Bürogebäude beispielsweise verfügen heute häufig über geradlinige Verteiltrassen für Wärme, Kälte, Lüftung und Elektrotechnik unterhalb der Deckenebene von Fluren und Großraumflächen. Aus diesen Trassen heraus werden die angrenzenden Nutzflächen versorgt. Die Installation vor Ort ist trotz der einfachen Logik des Aufbaus aufwändig, denn auf engem Raum müssen Komponenten mehrerer Gewerke installiert und betriebsrelevante Einstellungen an Ventilen und Reglern vorgenommen werden.
Hohe Zeitersparnis durch vorgefertigte Technikmodule
Um bei diesen Anwendungsfällen die Vorteile der industriellen Vorfertigung auszuschöpfen, hat Drees & Sommer zusammen mit der Adolf Würth GmbH & Co. KG ein neues, innovatives TGA-Modul entwickelt. Es enthält Elemente der technischen Gebäudeausrüstung – darunter Heizungs-, Klima und Elektrotechnik – und verschmilzt damit verschiedene Gewerke miteinander. Es kann in Geometrie und Leistungsfähigkeit auf projektspezifische Erfordernisse angepasst werden und ist somit flexibel bei diversen Objekten und Nutzungsszenarien einsetzbar. Das Design berücksichtigt zudem den Trend der sichtbaren Technik. Eingesetzt wurde das Modul erstmalig beim Neubau des Bürogebäudes OWP12 von Drees & Sommer am Hauptsitz in Stuttgart.
Die Vorfertigung der TGA-Module bietet klare Vorteile: Wenn sowohl das Verladen, der Transport und die Installation bereits in der Entwicklung bedacht werden, kann das fertige Modul sehr effizient aus der Fertigung bis an den finalen Einsatzort gebracht werden. Auf der Baustelle entfaltet die Vorfertigung anschließend ihr volles Potenzial zur Zeitersparnis: Das Entladen vom Lkw, der Transport zur individuellen Einsatzstelle und die Montage eines einzelnen Moduls benötigten beim Drees & Sommer-Neubau jeweils nur rund 45 bis 60 min. Die einzelnen Module bestehen aus 42 Einzelteilen mit einem Gesamtgewicht von 160 kg bei 5,4 m Länge. Sie wurden auf der Baustelle bei offener Fassade eingebracht, mit dem Hubtisch an die Decke gefahren und mit fünf Schrauben auf jeder Seite fixiert.

Ganzheitlich betrachtet erfolgte die Montage auf der Baustelle circa zwölf Mal schneller als die klassische Installation der einzelnen Medien durch das jeweilige Gewerk vor Ort. Ein weiteres Plus der Vorfertigung ist eine verbesserte Qualität der Bauteile, da die einzelnen Module millimetergenau produziert werden können.

Effiziente Planung mit BIM
Für solche komprimiert ausgestatteten Fertigteile der TGA ist es ein Muss, mit einer digitalen Planungsmethode wie Building Information Modeling (BIM) zu arbeiten. In einem BIM-Modell lassen sich Entwurfsvarianten in einer sehr frühen Planungsphase durchspielen. Da alle Bauakteure im gleichen Modell arbeiten, sind sämtliche Informationen sofort verfügbar. Wird in der Planung beispielsweise der Gebäudegrundriss abgeändert, werden automatisch davon beeinflusste Parameter angepasst. Passen Entwürfe nicht mehr zusammen, weist das Modell frühzeitig auf Planungsfehler hin. So können teure Fehlentscheidungen oder Planungsunstimmigkeiten bereits im Vorfeld vermieden werden.
Die digital geplanten TGA-Module mit allen zugehörigen Daten und Informationen zu Abmessungen, Material oder technischen Eigenschaften fügen sich in die BIM-Modelle ein. In die Zukunft gedacht können diese Daten aus dem Modell auch einmal direkt an Maschinen oder 3D-Drucker für die Produktion von standardisierten Serienelementen übermittelt werden.

Zerlegbarer Rohstoff- und Bauteilspeicher
Die Vorfertigung der TGA-Module und die Planung in BIM unterstützen zudem Bemühungen um die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Das gesamte Gebäude OWP12 wurde in weiten Teilen nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip realisiert, einem Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip sieht vor, dass die in einem Gebäude verbauten Materialien bei Rück- oder Umbau in Stoffkreisläufe zurückgeführt und in hoher Qualität wiederverwertet werden können. Dazu müssen die verbauten Produkte und Konstruktionen entsprechend sortenrein trennbar gestaltet und so „gesund“ sein, dass später keine Schadstoffe in Rezyklate oder Umwelt gelangen können. Das neu entwickelte TGA-Modul für die OWP ist dementsprechend so konzipiert, dass alle Bauteile wie Rohre, Kanäle, Elektro-Trassen und Ventile problemlos rückbaubar sind.
Durch das BIM-Modell und die kontrollierte Vorfertigung der Technikmodule kann der Einsatz von Baustoffen zudem deutlich besser nachgehalten und dokumentiert werden: Aus dem so genannten digitalen Zwilling des Gebäudes wissen die Verantwortlichen genau, welche Module mit welchen Stoffen an welchen Stellen im Gebäude verbaut sind. Informationen zu den verwendeten Materialien und deren chemischer Beschaffenheit wurden auf der Grundlage des BIM-Modells in einen von EPEA, einem Tochterunternehmen von Drees & Sommer, entwickelten Materialausweis überführt: den „Circularity Passport Buildings“. Ein solcher Materialausweis, auch Gebäuderessourcenpass genannt, gibt Auskunft darüber, welche Materialien wo und in welcher Qualität und Menge im Gebäude enthalten sind und ermöglicht es damit, potenziell alle Stoffe am Ende des Lebenszyklus der Kreislaufwirtschaft zuzuführen.
Mit der Rückbau- und Wiederverwendbarkeit von Materialien sind auch Leasing-Geschäftsmodelle denkbar: Am Ende der Vertragslaufzeit oder der Nutzungszeit des Gebäudes können Bauteile entnommen und entweder direkt im nächsten Gebäude verbaut oder in ihre Einzelteile zerlegt und die Materialien einzeln wiederverwertet werden.
Moderner Modulbau unterstützt zukunftsorientiertes Bauen
Die zunehmende Modularisierung der Gebäudetechnik kann eine Antwort auf den Fachkräftemangel sein und künftig zur Qualitätssicherung beitragen. Sie ermöglicht kürzere Bauzeiten und kann sich positiv auf Kosten- und Terminsicherheit auswirken. Bei einer präzisen Dokumentation der verwendeten Baustoffe erleichtert sie eine Kreislaufwirtschaft und trägt dazu bei, zukunftsorientierte Gebäude zu entwickeln. Damit es gelingt, all diese Vorteile auszuspielen, setzt sie jedoch digitale Planungsmethoden sowie partnerschaftliche Planungsteams voraus, die die traditionellen Grenzen der Gewerke und Leistungsphasen überwinden.
Frank Kamping

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