Geschlossene Wasserkreisläufe korrosionssicher in Betrieb nehmen
In der VDI 2035 Vermeidung von Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen wird davon ausgegangen, dass ein Wasserkreislauf korrosionstechnisch geschlossen, also sauerstoffdicht ausgeführt wird. Daher sei die Wasserqualität für die Korrosionsvermeidung von untergeordneter Bedeutung, so die Richtlinie. Daher wird lediglich die Summe der Härtebildner verpflichtend begrenzt. Eine salzarme Fahrweise mit einer elektrischen Leitfähigkeit des Umlaufwassers von <100 µS/cm wird optional erwähnt, jedoch fehlt ein Hinweis, ob und wann diese anzuwenden ist. Ansonsten wird die elektrische Leitfähigkeit auf 1.500 µS/cm begrenzt. Praktisch bedeutet dies, dass es genügt, ein Standortwasser zu enthärten.
Im Forschungsprojekt KENBOP1 wurde gezeigt, dass die Annahme korrosionstechnisch geschlossener Anlagen nicht praxisgerecht ist. Ausführungsfehler, wie z.B. die unwissentliche Verwendung diffusionsoffener Kunststoffe oder Betriebsstörungen in Form von Druckverlust sowie einer kontinuierlichen Nachspeisung führen zu einer Erhöhung des Sauerstoffgehaltes im Umlaufwasser (teilweise >100 µg/l). Auch in korrosionstechnisch geschlossenen Anlagen mit niedrigsten Sauerstoffgehalten (um die 20 µg/l) konnte Korrosion beobachtet werden, wenn die Wasserqualität ungeeignet ist. Dies ist spätestens der Fall, wenn das Umlaufwasser durch mikrobiologische Vorgänge versauert und der pH-Wert unter 7 liegt.
Fußnote
1 KENBOP, Korrosionssichere Inbetriebnahme energieoptimierter hydraulischer Systeme, Förderkennzeichen 03ET1647 Laufzeit 2019–2022
Die VDI 6044 Vermeidung von Schäden in Kaltwasser und Kühlkreisläufen geht mit den Anforderungen an die Wasserqualität weiter als die VDI 2035. So werden die Gehalte an Chlorid, Sulfat, Nitrat, Ammonium und organischen Kohlenstoff (TOC) begrenzt. Wenn Kupfer- und Stahlwerkstoffe kombiniert werden, wird empfohlen, die elektrische Leitfähigkeit des Umlaufwassers auf 250 µS/cm zu begrenzen. Die Begrenzung der Gehalte an Sulfat, Nitrat und TOC dienen dem Entzug der Nährstoffgrundlage für Mikroben, deren Stoffwechselprodukte zu einer Versauerung des Umlaufwassers führen. Chlorid greift Deckschichten an und erhöht das Risiko für Lochkorrosion und Leckagen.
Beide Regeln behandeln das Thema Inbetriebnahme von hydraulischen Systemen untergeordnet. Dabei hat sich bereits im Forschungsprojekt EQM:Hydraulik2 gezeigt, dass die Inbetriebnahme für die Korrosionsvermeidung im späteren Betrieb eine bedeutende Rolle spielt. Aus dieser Erkenntnis heraus wurden im Forschungsprojekt KENBOP die Inbetriebnahme und die ersten Betriebsjahre von vier Neubauten wissenschaftlich begleitet. Die Erkenntnisse aus diesem Forschungsprojekt wurden in einen Leitfaden für die Inbetriebnahme und den Betrieb von geschlossenen Wasserkreisläufen gebündelt. Dieser Leitfaden übertrifft die Anforderungen der beiden VDI-Regeln und ermöglicht einen Transfer der Forschungsergebnisse aus der Forschung in die Praxis. Darüber hinaus ist dieser Leitfaden gleichermaßen für Kühl- und Heizsysteme anzuwenden. Somit wird man auch Change-Over-Anlagen gerecht, bei denen die Kühl- und Heizsysteme nicht hydraulisch getrennt sind.
Fußnote
2 Energie- und Qualitätsmanagement gegen Korrosion und Belagbildung in hydraulischen Systemen, Förderkennzeichen 03ET1270 Laufzeit 2015–2018
Das Forschungsprojekt KENBOP
Für das Forschungsprojekt KENBOP wurden vier Gebäude während des Baus, der Inbetriebnahme und in den ersten Betriebsjahren begleitet. Für das Monitoring wurden alle drei Monate Wasserproben entnommen und chemisch analysiert. Darüber hinaus wurden elektrochemische Sensoren in den Wasserkreisläufen installiert, deren Daten aufgezeichnet und auf einem webbasierten Dashboard visualisiert werden.
Folgende Gebäude wurden untersucht:
- Berliner Schloss, Berlin
- Neue Wilo HauptverwaltungWilopark, Dortmund
- Hotel Super 8 Berliner Tor, Hamburg
- Hotel Holiday Inn Berliner Tor, Hamburg.
Ergebnisse
Die geordnete Inbetriebnahme eines Kreislaufs mit einer vorangestellten und dokumentierten Spülung und Druckprüfung war in den meisten Fällen nicht zu beobachten. So erfolgen gerade bei großen Systemen die Befüllungen abschnittsweise und je nach Gegebenheit. Hier sind Kontrollinstanzen erforderlich, in die alle Akteure verpflichtend eingebunden werden müssen.
Für die Befüllung und Nachspeisung aller Systeme wurde aus der Erfahrung des Forschungskonsortiums und zur Einhaltung beider oben genannten VDI-Regeln vollentsalztes Wasser (VE-Wasser) empfohlen. Durch die Vermengungen des VE-Wassers mit Spülwasserresten stellten sich elektrische Leitfähigkeiten im Umlaufwasser zwischen 15 und 130 µS/cm ein, vgl. Tabelle S. 39. Bei fast allen Systemen sind die elektrischen Leitfähigkeiten in den ersten beiden Betriebsjahren angestiegen. Die häufigste Ursache waren erschöpfte Entsalzungskartuschen der Nachspeiseinheiten oder es wurden Enthärtungs- anstatt Entsalzungskartuschen verwendet. Gerade nach Fertigstellung kommt es im Rahmen der Mängelbeseitigung oder sonstigen Restarbeiten zu Teilentleerungen der Systeme, die anschließend über die automatische Nachspeisung wieder befüllt werden. Die hierfür erforderlichen Mengen überschreiten regelmäßig die Kapazität der Entsalzungskartuschen, so dass unbehandeltes Standortwasser nachgespeist wird.
Gerade nach der Erstbefüllung ist der Einfluss der Wasserqualität auf die Deckschichtbildung und dem daraus resultierenden Abklingen der normalen anfänglichen Korrosionsprozesse entscheidend. Rund zwei Jahre nach Erstbefüllung ist in den Systemen, die zu Anfang ein Umlaufwasser mit geringer elektrischer Leitfähigkeit aufweisen, weniger Korrosion zu beobachten als in Systemen mit Umlaufwässern hoher Leitfähigkeit (Bild 3).
In einem System wurden Unterflurkonvektoren nur teilweise gemäß der Planung mit einer festen Verrohrung angeschlossen. Bei dem Rest wurden diffusionsoffene Silikonschläuche verwendet (Bild 4). Durch den eindringenden Sauerstoff sind diese Schläuche mit Korrosionsprodukten zugewachsen. Bei der stichprobenhaften Prüfung wurde dieser Ausführungsfehler nicht bemerkt.
Der Leitfaden
Schwerpunkte des Leitfadens sind die Gewährleistung eines Umlaufwassers mit einer niedrigen elektrischen Leitfähigkeit <100 µS/cm, die Begrenzung korrosionsfördernder Inhaltsstoffe und einer hohen Kontrolldichte gerade während der Inbetriebnahme (Bild 5). Hiermit soll gewährleistet werden, dass die Systeme von Anbeginn an mit den richtig aufbereiteten Wässern betrieben werden. Die Kontrolle des pH-Wertes erfolgt im Gegensatz zu den VDI-Regeln nicht erst nach einem Jahr, sondern erstmalig nach drei Monaten, da gezeigt werden konnte, dass alle untersuchten Systeme nach dieser Zeit den Mindest-pH-Wert von 8,2 aufweisen. Darüber hinaus werden die wichtigsten Aspekte des Korrosionsschutzes bei Planung, Ausführung und Betrieb erwähnt. Nachspeisereinrichtung, Druckhaltung und der Erschöpfungsgrad der Kartuschen sind möglichst durch ein technisches Monitoring lückenlos zu kontrollieren. Für große kostenintensive Anlagen wird ein technisches Monitoring mit elektrochemischen Sensoren empfohlen, um Fehlentwicklungen aufzudecken, bevor Schäden entstehen. Der Leitfaden wird durch das SIZ energieplus auf Basis neuer Erkenntnisse laufend aktualisiert und ist unter siz-energieplus.de abrufbar.
Die Kontroverse um das VE-Wasser
Es besteht teilweise die Annahme, dass VE-Wasser aggressiv sei und die Korrosion fördere. Grund seien der hohe „Lösungsdruck“ und die fehlende Pufferkapazität, die zu einer starken Versauerung unter dem Einfluss von Kohlendioxid aus der Luft führt. Hinter der Vorstellung des „Lösungsdrucks“ steht die Eigenschaft des entsalzten Wassers, Stoffe leichter zu lösen. Allerdings betrifft dies nur wasserlösliche Stoffe, elementare Metalle sind hiervon nicht betroffen. Es ist auch kein anderer direkter chemischer Wirkmechanismus bekannt, bei dem entsalztes Wasser die Oxidation von Metallen fördert.
In korrosionstechnisch geschlossen betriebenen Anlagen überwiegen bei unbehandeltem Standortwasser die korrosionsfördernden Eigenschaften von Halogenidionen (hauptsächlich Chlorid) und die bei der mikrobiologischen Sulfatreduktion entstehenden korrosiven Schwefelverbindungen.
Die fehlende Pufferkapazität ist lediglich bei belüfteten Systemen relevant. In geschlossenen Systemen wirkt sie sich auch auf der alkalischen Seite aus. Vollentsalztes Wasser alkalisiert sogar schneller und weist durch die fehlende Pufferkapazität oft höhere pH-Werte als unaufbereitetes Wasser auf. Nur enthärtetes Wasser alkalisiert noch stärker aufgrund der sog. Sodaspaltung.
Aus diesen Gründen kann unzweifelhaft eine hervorragende Eignung vollentsalzten Füllwassers für korrosionstechnisch geschlossen geplante Systeme konstatiert werden. Der nach Entsalzung oft geringe pH-Wert ist dabei irrelevant, da sich innerhalb kürzester Zeit infolge der unumgänglichen anfänglichen Korrosionsprozesse alkalische Verhältnisse im Umlaufwasser einstellen.
Technisches Monitoring
Im Forschungsprojekt wurde das FeQuan-Sensorsystem in Verbindung mit einem Dashboard des Dienstleisters synavison weiter optimiert und zur Anwendungsreife gebracht (Bild 6).
Bei dem FeQuan-Sensorsystem werden mit elektrochemischen Sensoren nicht nur die Grundparameter der Wasserqualität wie z.B. der pH-Wert erfasst, sondern es wird auch über einen Algorithmus der Gehalt an gelösten Metallen als Indikator für die Korrosionsaktivitäten berechnet. Darüber hinaus wurden Methoden für eine automatisierte Auswertung und Alarmmeldung entwickelt und verbessert. Die Datenverarbeitung und Visualisierung der Daten in einem webbasierten Dashboard erfolgt über den Projektpartner synavision, der auf die Qualitätssicherung des Gebäudebetriebes spezialisiert ist.
Mehr zum Thema
Leitfaden für korrosionssichere Wasserkreisläufe von der Planung bis zum Betrieb, Stand Juli 2023
M.Sc. Marlies Wiegand
Dr.-Ing. Mani Zargari
Dr. rer. nat. Oliver Opel
B.Sc. Karsten Neumann
Anhang | Größe |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 587.96 KB |
· Artikel im Heft ·