Für die Planung und Dimensionierung von Dach- und Grundstücksentwässerungsanlagen ist eine sehr gute Kenntnis über die regionalen Niederschlagsverhältnisse wichtig. Insbesondere die Expertise über das Auftreten bzw. die Stärke bestimmter Starkregenereignisse spielt dabei eine besondere Rolle. Viele Regelwerke beziehen sich dabei heute bei der Bestimmung der maßgeblichen Regenspenden auf die koordinierte Starkniederschlagsregionalisierung- und -auswertung des Deutschen Wetterdienstes (KOSTRA-DWD).
Historische Entwicklung der Regenspendedaten
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, mit der zunehmenden Nutzung von Regenschreibergeräten (Bild 2), konnten Formeln entwickelt werden, um insbesondere kürzere Starkniederschläge in Abhängigkeit ihrer Andauer und Wiederkehrzeit zu beschreiben. Daraus wurden dann die für die Planung relevanten Regenspenden abgeleitet. Jedoch entstand erst in den 1980er Jahren mit KOSTRA-DWD eine über Bundesländergrenzen hinweg koordinierte und mit den Fachnutzern abgestimmte Starkniederschlagsstatistik. Dabei arbeitet der DWD mit der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und der heutigen Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) zusammen. Der Datensatz wurde über die Jahre stetig weiterentwickelt und fortgeschrieben. Dazu gehörten auch immer die Aufarbeitung und Digitalisierung von historischen Messungen. So wurden in Intervallen von ca. zehn Jahren stetig aktualisierte Datensätze veröffentlicht.

Die bislang letzten Fortschreibungen erfolgten im Jahr 2016 mit KOSTRA-DWD-2010 bzw. 2017 mit der Revision KOSTRA-DWD-2010R. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits abzusehen, dass für eine kommende Fortschreibung eine grundlegende Überarbeitung der statistischen Methoden notwendig sein wird.
Forschungsprojekt MUNSTAR
Gemeinsam mit dem Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft der Leibniz Universität Hannover sowie dem Büro für Ingenieurhydrologie, Angewandte Wasserwirtschaft und Geoinformatik (IAWG) Ottobrunn, startete der DWD bereits kurz darauf das Forschungsprojekt MUNSTAR (Methodische Untersuchungen zur Novellierung der Starkregenstatistik für Deutschland). Das Projekt wurde von Personen aus Wissenschaft und Praxis, insbesondere der DWA und der LAWA, fachlich begleitet. Eine finanzielle Förderung kam von der LAWA sowie dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Ziele waren eine umfassende Überarbeitung der statistischen Methodik sowie eine erneute umfassende Erweiterung der zugrundeliegenden Datenbasis.
Innerhalb von vier Jahren (2018 bis 2021) gelang es, für das Projekt zusätzlich Messreihen von insgesamt über 1.400 Stationen zu akquirieren, die in den vorherigen Fortschreibungen zum größten Teil nicht berücksichtigt werden konnten. Sie stammen vor allem aus den Messnetzen externer Betreiber wie Landesämtern, Wasserverbänden oder Stadtentwässerungsbetrieben. Neben der Prüfung der Messwerte nahm auch die Aufarbeitung der Metadaten, also z.B. der Stations- oder Gerätehistorie, einen besonderen Stellenwert ein. Zudem wurden erneut nahezu 200.000 Beobachtungstage von insgesamt rund 40 langen Stationsreihen aufwändig digitalisiert. In einem dreistufigen Verfahren wurden die beim DWD archivierten Registrierstreifen der Niederschlagsmessung (Bild 2) dafür zunächst gescannt, im Anschluss am PC den korrekten Kalenderdaten zugeordnet und abschließend, unterstützt durch eine webbrowserbasierte Software, halbautomatisch in digitale Summenkurven umgewandelt. Die Arbeiten werden von geschulten Wetterbeobachterinnen und Wettertechnikern durchgeführt und weiter fortgeführt.
Berücksichtigung neuer Wetterextreme
Hinsichtlich der fachlichen Methodik lag der Fokus des Projekts MUNSTAR auf der Weiterentwicklung der lokalen Extremwertstatistik und der Regionalisierungsverfahren, d.h. auf der Frage, wie die an den Stationen gemessenen Extremniederschläge optimal geschätzt und auf andere Orte in Deutschland übertragen werden können. Eine weitere wesentliche Neuerung sind die erstmals für jeden Ort individuell bestimmten Unsicherheitsinformationen. Somit kann lokal überprüft werden, wie gut die Parameterschätzung der Extremwertverteilung und Regionalisierung der Ergebnisse funktioniert hat. Ergebnisse in Regionen mit einer hohen Messnetzdichte und langen Messreihen, können dabei tendenziell als robuster eingestuft werden. Die Unsicherheitsinformationen sind nicht als genereller Sicherheitszuschlag zu sehen, sondern beruhen auf der Ungewissheit der Methodik und der Datengrundlage, die auf die vergangene Entwicklung bis heute zurückschaut. Sie eignen sich daher nicht per se für die Berücksichtigung zukünftiger Klimaentwicklungen.
Neuer Datensatz gilt seit 01.01.2023
Auf der Basis der Forschungsergebnisse von MUNSTAR sowie dem im Verlaufe des Projekts gewonnenen Datenschatz hat der DWD im Jahr 2022 den neuen Datensatz KOSTRA-DWD-2020 entwickelt, der nun seit 01.01.2023 den bisherigen Datensatz KOSTRA-DWD-2010R ablöst.
Der neue Datensatz steht darüber hinaus wieder als „offene Daten“ (Open Data) allen interessierten Personen frei zur Nutzung und zum Download in verschiedenen Formaten im Climate Data Center (CDC, www.dwd.de/kostra) des Deutschen Wetterdienstes zur Verfügung.
Änderungen zum alten Datensatz ergeben sich zum überwiegenden Teil aus Änderungen in der Methodik und der Datengrundlage. Im Bereich sehr kurzer Dauerstufen (D= 5 min) wurden z.B. erstmals systematische Unterschätzungen durch die Regenschreiber berücksichtigt. Extreme Starkniederschläge solch kurzer Dauer konnten von den alten mechanischen Geräten oft nicht korrekt wiedergegeben werden. Die Korrektur führt im Mittel zu einer deutlichen Anhebung der Starkniederschlagshöhen. Bei Dauerstufen um D= 60 min kommt es im Mittel eher zu Absenkungen der Starkniederschlagshöhen, da hier eine vermeintliche Überschätzung im alten Datensatz nach unten korrigiert wurde. Im Bereich langer Dauerstufen ab D= 24 h zeigen sich wiederum eher Anhebungen der Starkniederschlagshöhen bei seltenen Wiederkehrzeiten aufgrund der Nutzung einer detaillierten Anpassung der extremwertstatistischen Verteilungsfunktion. Die Änderungen zwischen altem und neuem Datensatz sind als relativer Vergleich des Deutschlandmittels für alle Dauerstufen und Wiederkehrzeiten in Bild 3 dargestellt.

Im Detail gestalten sich die Änderungssignale jedoch räumlich heterogen, es gibt also regional unterschiedlich starke Ausprägungen der Absenkungen bzw. Anhebungen der Starkniederschlagshöhen (Bild 4). Insgesamt liegen die Ergebnisse von KOSTRA-DWD-2020 jedoch im Mittel im Niveau des bisherigen Datensatzes.

Annäherung an reale Bedingungen
Auch wenn man mit KOSTRA-DWD-2020 nicht in die Zukunft schauen kann, so bietet die Analyse historischer Starkniederschlagsereignisse einen wichtigen Einblick in das aktuelle regionale Starkniederschlagsverhalten. Insgesamt sind das Projektteam, die begleitenden Gremien und der DWD davon überzeugt, dass man mit dem neuen Datensatz den realen Starkniederschlagsverhältnissen im jetzt gültigen Bezugszeitraum 1951–2020 wieder ein gutes Stück nähergekommen ist und dies hilft uns trotz alledem insbesondere bei der Bewältigung aktueller und zukünftiger Aufgaben, wie die stetige Anpassung an die sich fortlaufend wandelnden Klimaverhältnisse in Deutschland.
Thomas Junghänel

Dr. Thomas Deutschländer

Dr. Jennifer Ostermöller

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