Komplexe Bauvorhaben partnerschaftlich planen und durchführen
Bauen wird teurer, Fachkräfte sind Mangelware. Aber die Bundesregierung will Gebäude schneller, besser, effizienter und kostendisziplinierter planen, bauen und betreiben. Das gilt insbesondere für die selbst genutzten Bundesbauten. Zu diesem Zweck wurde bereits 2016 das Reformvorhaben „Reform Bundesbau“ – später „Effizientes Bauen im Bund“ – ins Leben gerufen. Damit ging u. a. ein Forschungsauftrag zu alternativen Vergabe- und Vertragskonzepten zum klassischen Einheitspreisvertrag einher. Die Forschungsnehmer erarbeiteten eine Empfehlung, Mehrparteienverträge in öffentlichen Bauvorhaben zu wagen, berichtete Cordula Getz, Referentin für Bauvertragsrecht beim Bundesbauministerium, auf dem Marktdialog des BMWSB im März in Berlin. Diese Veranstaltung, die bereits zum zweiten Mal stattfand, hat die Vernetzung mit öffentlichen und privaten Bauherren und künftigen potenziellen Partnern in Projektallianzen zum Ziel. Wie die Besucherzahlen des Marktdialogs und auch der 5. IPA Konferenz im Juli zeigten, ist das Interesse am partnerschaftlichen Bauen deutlich gestiegen. Das BMWSB will das fördern, beobachten und begleiten und den wissenschaftlichen Diskurs fördern. „Gute Kooperation ist nicht nur gewünscht und gewollt, sondern im Allianzmodell auch möglich“, sagt Cordula Getz.
IPA Netzwerkplattform
2016 hatte es in Deutschland noch keine derartigen Projekte gegeben. Die beiden ersten gingen erst 2018 mit dem privaten Bau des Kongresshotels HafenCity durch ECE Hamburg und der Sanierung der Kattwykbrücke mit dem öffentlichen Bauherrn Hamburg Port Authority (HPA) an den Start.
Inzwischen werden hierzulande eine ganze Reihe öffentlicher und privater Großprojekte in Projektallianzen durchgeführt (derzeit sind es 17), die sich in unterschiedlichen Phasen der Realisierung befinden. Neben dem Bund sind u. a. die Deutsche Bahn und Siemens dabei. Das IPA Kompetenzzentrum für integrierte Projektabwicklung, das eine offene Netzwerkplattform für Wissens- und Erfahrungsaustausch rund um IPA schaffen will, verfolgt und fördert die Entwicklungen auf vielerlei Art: durch Netzwerkveranstaltungen, Schulungen, Publikationen uvm. Shervin Haghsheno, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Technologie und Management im Baubetrieb am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Mitglied in Leitung und im Beirat des IPA Zentrums, stellte den aktuellen Stand zu IPA-Projekten in Deutschland zuletzt auf besagter Konferenz im Juli in Berlin vor (siehe Bild 2).
Als „laufende“ IPA-Projekte gelten Projekte, bei denen mindestens die Phase „Partnerauswahl“ begonnen hat. Vier Projekte befinden sich derzeit in der Phase der „Integrierten Realisierung“, sechs Projekte in der „Integrierten Planung“ (davon eins unterbrochen). Sechs weitere sind noch in der Phase „Partnerauswahl“ /1/. Das erste Projekt der öffentlichen Hand, die Grundsanierung der Kattwykbrücke durch die Hamburg Port Authority, die den Austausch der Hubtechnik und die Erneuerung der EMSR einschloss, wurde 2022 fertiggestellt.

Neubau der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Eines der Bundesbau-Großprojekte, die partnerschaftlich in Integrierter Projektabwicklung (IPA) durchgeführt werden, ist der Neubau für die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung im Technologiepark Berlin Adlershof. Bauherrin ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.
Das Projekt BAM GBD 149 ist nach seinem Standort am Groß-Berliner Damm benannt. Im April 2023 unterzeichnete der Bundesbau Baden-Württemberg (BBBW) in Berlin gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern einen Mehrparteienvertrag für die Planung und Ausführung mit einem Auftragsvolumen von rund 230 Mio. Euro.

Die Ausschreibungsverfahren für die Planungsbüros und die ausführenden Firmen begannen im Frühjahr 2022 und durchliefen zwischenzeitlich mehrere Stufen. Im Vergabeverfahren qualifizierten sich folgende Büros und Firmen, die den Mehrparteienvertrag mitunterzeichneten:
- Objektplanung: Burckhardt Deutschland GmbH, Berlin
- TGA-Planung: Buro Happold GmbH, Berlin
- TGA-Ausführung: Rud. Otto Meyer Technik GmbH & Co. KG, Hamburg
- Erweiterte Rohbauarbeiten: W. Markgraf GmbH & Co. KG, Bayreuth
- Ausbau: Apleona R&M Ausbau Berlin GmbH, Berlin.
Begleitet wird das Unterfangen außerdem durch die Beratungsunternehmen Yukon Projects GmbH, ECE Group Services GmbH & Co. KG und Breyer Rechtsanwälte PartmbB, die u.a. die Teams in der Co-Location anleiten. Yukon ist beauftragt als IPA-Coach, vermittelt die IPA-Kultur und Lean-Methoden, coacht und begleitet das IPA-Team. ECE begleitet und unterstützt die Organisation und Abläufe im Projekt-Management-Team.
Die Zusammenarbeit der Partnerinnen und Partner vor Ort in der Co-Location am Groß-Berliner Damm 149 begann mit der Vertragsunterzeichnung Ende April 2023. Eine mehrtägige Kick-off-Veranstaltung mit verschiedenen Workshops sorgte für ein intensives Kennenlernen der Vertragsparteien.

Technische Gebäudeausrüstung im Projekt BAM GBD 149
Das neue Forschungsgebäude soll 2027 fertiggestellt sein und die Anforderungen für den BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen) Standard Silber erfüllen.
Für den Neubau mit ca. 16.500 m² Nutzfläche sind Fernwärme, Wärmepumpen und Photovoltaik vorgesehen und natürlich umfangreiche Laborausrüstungen, erzählt Alexander Flügge, Technischer Direktor des Berliner TGA-Teams und Partner bei Buro Happold und Mitglied im Seniormanagementteam (SMT) des Bauvorhabens, Anfang Mai im Gespräch mit der Redaktion. Darüber hinaus gebe es keine Vorgaben der Bauherrin.
„Der Anteil der Fernwärme soll möglichst gering sein, hängt aber davon ab, welche Wärmepumpen-Technologie eingesetzt werden kann“, erklärt Flügge. Im Gespräch seien Luftwärmepumpen, aber auch Erdwärme- bzw. Geothermienutzung. Da sich das Baufeld jedoch im Trinkwasserschutzgebiet mit einem hohen Grundwasserspiegel befinde und somit keine Bohrungen zulässig seien, würden alternative Lösungen entwickelt. So werde es eine Prozessabwärmenutzung geben.
Flügge freut sich auf die Zusammenarbeit mit den Partnern im Team. Interesse an derlei Projekten gebe es schon lange, nun habe es auch mit einer Beteiligung geklappt. „IPA ist für uns ein Weg, mit gleichgesinnten Projektpartnern in konstruktiver Atmosphäre und weit effektiver an Projekten zu arbeiten, als es die üblichen Verfahren nach HOAI erlauben“, sagt Flügge. IPA fokussiere auf gemeinschaftliche Lösungen statt Mehrleistungen und die Verwerfungen, die daraus regelmäßig entstehen. Integrierte Projektabwicklung sei auch kein Fremdwort für Buro Happold. „Die Kollegen im britischen Heimatland des Unternehmens arbeiten schon lange damit.“
Für das ausführende TGA-Unternehmen Rud. Otto Meyer (ROM) Technik GmbH & Co. KG ist die IPA ebenfalls nicht so neu wie vielleicht für den öffentlichen Auftraggeber, sagt Frank Zulauf, Leiter der Hauptniederlassung in Hamburg und für das BAM-Projekt ebenfalls im SMT tätig. „ROM war u.a. gemeinsam mit der Zech Group in einem partnerschaftlichen Modell beim Bau der Olympus Firmenzentrale in Hamburg, tätig und hat zudem Erfahrungen in Projekten der Deutschen Bahn gesammelt.“
Auch er freue sich auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit: „Anders als bei konventionellen Bauprozessen, bei denen man das Planungsergebnis fertig auf den Tisch bekommt, ist der ausführende TGA-Betrieb in der Planungsphase begleitend dabei und kann Feedback geben. Das erspart später den vielfach notwendigen, aber unnötigen und teuren Schritt zurück.“
Nach IPA gibt es kein Zurück
Feedbacks und Hoffnungen wie sie die Partner im Projekt BAM GBD 149 äußern, lassen sich auf den Veranstaltungen, die sich um die integrierte Projektabwicklung drehen, reichlich vernehmen. Wenn man einmal mit IPA gearbeitet hat, möchte man eigentlich nicht zurück zur konventionellen Projektabwicklung, auch wenn diese laut Cordula Getz etwa im Bundesbau durchaus ihre Berechtigung hat. „Wir haben wohl alle keinen Bock mehr auf streiten“, drückte es ein Teilnehmer der 5. IPA Konferenz in Berlin aus.
Der Bundesbau Baden-Württemberg
Der Bundesbau Baden-Württemberg plant und realisiert vielfältige Bauprojekte im Auftrag des Bundes – in Baden-Württemberg, Berlin und im Ausland. In der Bauhütte Berlin arbeiten Teams der Staatlichen Hochbauämter Karlsruhe und Ulm, unterstützt von der Betriebsleitung in Freiburg, an komplexen Berliner Großprojekten, zu denen auch das Museum der Moderne am Kulturforum gehört.
Dass beim Neubau BAM GBD 149 in Berlin Adlershof nicht das Berliner Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, sondern der Bundesbau Baden-Württemberg (BBBW) tätig wird, sei nichts Ungewöhnliches, sagt Gisa Hinrichs, Dipl.-Ing. Architektin beim Staatlichen Hochbauamt Ulm/Bauhütte Berlin. Bei den Bauaufgaben des Bundes in Berlin unterstützen auch die Bauverwaltungen der Länder.
Literaturhinweise
/1/ Haghsheno, S.; Schilling Miguel, A.: IPA-Report 2023 –Integrierte Projektabwicklung (IPA) –Entwicklung und Merkmale von IPA-Projekten; Hrsg.: Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technologie undManagement im Baubetrieb
Korrekturhinweis:
Im Absatz Technische Gebäudeausrüstung im GBD 149 wurden zwei Korrekturen bzw. Aktualisierungen gegenüber der Printausgabe vorgenommen.
MSc, Dipl.-Ing. Silke Schilling

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