VDMA Sanitärarmaturenindustrie

Vertriebswege im Wandel: Markenunternehmen fordern gleiche Gestaltungsfreiheit für alle Marktpartner

Die Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturen (AGSI) im VDMA bestätigte anlässlich einer Gremiensitzung ihren Vorsitzenden Dirk Gellisch, Geschäftsführer Viega Holding, im Amt und stellte auf der anschließenden Jahrespressekonferenz ihre neuen Positionen vor.

 Thilo C. Pahl, Vorstandsvorsitzender Industrieforum Sanitär (links), Dirk Gellisch, Vorsitzender AGSI (Mitte), Wolfgang Burchard, Geschäftsführer AGSI (rechts)
Thilo C. Pahl, Vorstandsvorsitzender Industrieforum Sanitär (links), Dirk Gellisch, Vorsitzender AGSI (Mitte), Wolfgang Burchard, Geschäftsführer AGSI (rechts)

Die AGSI bewertet neben der endkundenorientierten Entwicklung der Vertriebswege auch das Verhältnis der Markenunternehmen zu den Fachmessen neu. Präsenzmessen würden demnach nur als hybrid und eventorientiert gestaltete Formate gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen.

Innovationsorientierte Markenhersteller sollen in Hinsicht auf Nachwuchsförderung und Zertifizierung verstärkt und auf internationaler Ebene koordinierter vertreten werden. Mit der teilweisen Neupositionierung und dem Netzwerkgedanken reagiert die Sanitärarmaturenindustrie auf das durch Krisen und disruptive Prozesse gekennzeichnete „New Normal“, dem sich die Branche in einer durch Inflation bestimmten konjunkturellen Situation stellen muss. Auch die Sanitärarmaturenindustrie muss für 2023 wohl mit einem realen Umsatzrückgang im niedrigen einstelligen Bereich rechnen.

Personalien

In seiner Sitzung am 10. November wählte der Lenkungsausschuss der AGSI seinen Vorsitz neu. Dirk Gellisch, Geschäftsführer Viega Holding, wurde als Vorstiotzender im Amt bestätigt und Peter de Gruyter, Gesellschafter Heinrich Schulte, als stellvertretender Vorsitzender wiedergewählt.

Der AGSI-Lenkungsausschuss war bereits am 01. September wurde in München neu bestimmt worden und setzt nunmehr aus folgenden Personen zusammen: Andrea Bußmann, Schell, Dirk Gellisch, Viega, Stefan Gesing, Dornbracht, Oliver D. Gessert, KWC Aquarotter, Peter de Gruyter, Heinrich Schulte Armaturen, Lubert Winnecken, Keuco.

 

Wirtschaftliche Erwartungen

Die Sanitärarmaturenindustrie ist laut AGSI-Geschäftsführer Wolfgang Burchard vor allem vom prognostizierten Rückgang der deutschen Bauwirtschaft betroffen: Das IW Köln etwa erwartet einen Rückgang der Bauinvestitionen um 2% in 2022 und von weiteren 1,5% in 2023. Auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie senkte seine Prognose entsprechend. Vor allem im
Wohnungsbau sind demnach die Aussichten eingetrübt; neben einem erwarteten realen Umsatzminus von 4% in diesem Jahr wird 2023 von einem noch stärkeren Rückgang ausgegangen.

Das primär durch das Auslandsgeschäft der ersten 3 Quartale 2022 erwirtschaftete
nominale Umsatzplus der Sanitärarmaturenindustrie von 10% gegenüber dem
Vorjahr, werde durch die Inflation auf real 0 reduziert.

Vertrieb

Die Weiterentwicklung des klassischen Vertriebswegs zugunsten der Endabnehmerbedürfnisse begleitet die Sanitärarmaturenindustrie ihrem unternehmerischen Selbstverständnis entsprechend offen und konstruktiv, auch wenn sie den dreistufigen Vertriebsweg besonders unterstützt, da er ausgezeichnete Produktqualität sowie fortlaufende Innovationen in den Bereichen Design, Technik und Umwelt gewährleistet.

Design

„Betrachtet man heute den Weg eines Sanitärproduktes vom Hersteller zum Endkunden,  sieht man Vielfalt. Der Kunde ist König“ stellt Dirk Gellisch, der gerade wiedergewählte AGSI-Vorsitzende, zunächst klar. Der Prozess sei allerdings zwischen den Partnern des dreistufigen Vertriebswegs nicht immer harmonisch verlaufen.

Die Entwicklungen im Onlinehandel und bei den Handels- bzw. Hausmarken des Großhandels sowie die zunehmende Praxis im Handwerk, Handelsmarken einzubauen – laut Handwerkerbefragung der Querschiesser Unternehmensberatung im Jahr 2021 verarbeiten 85% der Befragten mittlerweile Handelsmarken – lassen daran zweifeln, ob und inwieweit das Modell des dreistufigen Vertriebsweges von den Partnern noch gleichermaßen getragen werde. „Vor diesem Hintergrund fordert die AGSI – ein ums
andere Mal – das allseitige Bekenntnis, dass Freiheitsgrade in einer echten und von allen
ernst genommenen Partnerschaft ausgewogen verteilt sind.“

Gilt wirklich gleiches Recht für alle, muss konsequenterweise auch der Industrie das notwendige Maß an Unabhängigkeit zum Erreichen ihrer Ziele und bei der Realisierung ihres Geschäftes eingeräumt werden“, forderte Gellisch unter Verweis auf die Debatte um erste herstellerseitige Kontaktaufnahmen zum Endkunden.

Messen müssen hybrid werden

Die AGSI unterstützt alle Bemühungen, die Position der ISH als Weltleitmesse im internationalen Wettbewerb zu erhalten bzw. zu stärken. Ihre Stellung ist Spiegelbild der weltweit führenden Stellung der deutschen Sanitärindustrie.

Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass klassische Präsenzveranstaltungen unersetzbar sind. Ungeachtet dessen gilt es aus Sicht der AGSI aber, reale Messeveranstaltungen wie die ISH zukünftig mit digitalen Begleitangeboten sinnvoll zu ergänzen.

Messen müssen sich zu emotionalen Events entwickeln, die Besucher und Aussteller auf keinen Fall verpassen möchten. Ein von der AGSI verfasster Maßnamenkatalog mit Berücksichtigung von Faktoren wie der Verschiebung zur Gebäudetechnik – Stichwort Dekarbonisierung – und deren notwendige Anpassung an die Ausstellungsnomenklatur, der Ausgestaltung digitaler Begleitangebote und der Eventisierung fand sowohl in Essen als auch in Frankfurt wenig Widerhall.

Zusammenarbeit mit den Messen in Essen und Frankfurt endet

In der Folge wurde die langjährige Mitwirkung der AGSI im SHK Beirat von der Messe Essen im Einvernehmen mit dem SHK Fachverband NRW kurzerhand aufgekündigt. Die AGSI bewertet diese Entwicklung als bedenklich. Als Konsequenz aus dem wenig partnerschaftlichen Umgang mit dem Unterstützungsangebot der AGSI beendete diese dann auch mit Bedauern die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Messe Frankfurt. Die AGSI zieht sich aus den ISH-Beiräten zurück und verzichtet auf die traditionelle Standpräsenz in Halle 4.0.

Inrernationale technische Regelungen und Zertifizierungen, PFAS

Die AGSI fordert die AGSI eine Harmonisierung technischer Regelungen auf internationaler Ebene bei gleichzeitiger Sicherung des hohen deutschen Qualitätsstandards.

Aktuell machen der AGSI vor allem die ins Auge gefassten Werkstoffrestriktionen der EU Sorgen. Der Werkstoff Blei gilt als ideologisch verbrannt. Relativ neu im Fadenkreuz der EU und ihrer europäischen Chemieagentur ECHA sind Dichtungswerkstoffe: „Rund 8.000 PFAS’s, heißt Per- und polyfluorierte Chemikalien, sollen nach Vorstellung der Europäischen Chemikalienagentur verboten werden. Für die Armaturenindustrie nicht akzeptabel“, so Gellisch, denn viele der Substanzen seien für die Dichtungsproduktion unverzichtbar. Zudem seien ihre Gefahren für die Gesundheit keineswegs so eindeutig
wie oft behauptet nachgewiesen.

Produktzertifizierung ist in vielen Märkten Voraussetzung für eine erfolgreiche Marktbearbeitung. Problematisch dabei ist die hohe Variationsbreite bei den nationalen Produktanforderungen. Die AGSI fordere eine Harmonisierung technischer Regelungen auf internationaler Ebene bei gleichzeitiger Sicherung des hohen deutschen Qualitätsstandards, so Gellisch.

Digitalisierung

Die AGSI sieht die Sanitärarmaturenindustrie bei der Digitalisierung ihrer Betriebsprozesse und ihrer Produkte gut aufgestellt. Vor allem ihr digitaler Blick über die einzelne Armatur hinaus auf das gesamte System, die Trinkwasserinstallation, habe überzeugende und zukunftssichere Produktentwicklungen hervorgebracht. Insgesamt jedoch bleibe die Branche nach wie vor weit hinter ihren Möglichkeiten.

Nachwuchs

Die AGSI sieht in der gelebten Digitalisierung zudem einen Schlüsselfaktor zur Lösung des Nachwuchsproblems im SHK-Handwerk. Bei einer zielgruppengerechten Präsentation und authentischem Auftritt haben SHK Handwerksbetriebe weit weniger Probleme, Nachwuchs zu finden. Facebook und Instagram oder jobspezifische Plattformen wie Xing oder LinkedIn seinen hierfür bekanntermaßen geeignete Foren.

Von den reinen Zahlen her betrachtet sieht die Nachwuchsfrage gar nicht so schlecht aus: Während die Anzahl der Installateur- und Heizungsbetriebe von 2010 bis 2020 zwar um drei Prozent zurückging, nahm die Zahl der Beschäftigten um 1% zu. Bei den Lehrlingsverhältnissen stieg das Niveau sogar um 12 Prozent.

Dennoch steht das SHK-Handwerk mit seinem Angebot aber nicht unter den TOP 10 der Ausbildungsberufe. Ein zentrales Problem ist seine fehlende Attraktivität, nicht zuletzt auch
mit Blick auf die vergleichsweise geringe Ausbildungsvergütung. Hier befindet sich das
SHK-Handwerk nur auf Rang 26 und damit weit abgeschlagen hinter anderen handwerk-
lichen Ausbildungsberufen.

IFS unterstützt die Verbreiterung der Digitalisierung

Thilo Pahl betonte beim Thema Digitalisierung die Bedeutung der intelligenten Gebäudetechnik für die gesamte Sanitärtechnik: „Vom Spiegelschrank mit Radioempfang, der Badewanne mit individuellen Nutzerprofilen oder dem hoch- und runterfahrenden DuschPanel: Die Sanitärindustrie bietet ganzheitliche Lösungen, die nicht nur die Lebensqualität, sondern auch Effizienz und Nachhaltigkeit steigern können.“ Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Initiative „Blue Responsibility – Nachhaltige Sanitärlösungen“, die vom IFS aktiv mitgetragen wird.

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