Vergabepraxis

Herausforderungen und bedenkliche Tendenzen für Berliner Architekturbüros

Das aktuelle Vergabemonitoring der Architektenkammer Berlin zeigt, dass insbesondere die Auftragsbeschaffung für kleinere und mittelständische Büros immer schwieriger wird.

Bild: stock.adobe.com/Schneestarre
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Der neue Jahresbericht Vergabemonitoring fasst zusammen, wie es 2023 um das Ausschreibungsgeschehen und die Vergabepraxis der öffentlichen Hand im Bereich von Architektur- und Planungsleistungen in Berlin stand.

Seit November 2020 erfasst die Architektenkammer Berlin systematisch alle relevanten öffentlichen Ausschreibungen für Planungsleistungen in Berlin, prüft monatlich alle relevanten Auslobungen für die in der Kammer organisierten Berufe (Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur sowie Stadtplanung) und wertet die Daten jährlich aus. Der dritte „Jahresbericht Vergabemonitoring“ umfasst den Zeitraum von Oktober 2022 bis Oktober 2023. In dieser Spanne wurden 150 Verfahren in den Tätigkeitsfeldern der Mitglieder der Architektenkammer Berlin durch das Vergabemonitoring untersucht. Diese bilden die Grundlage der dritten statistischen Aufbereitung, die auch einen Vergleich mit den Vorjahresergebnissen beinhaltet.

Der Jahresbericht Vergabemonitoring 2023 zeigt, dass die Anzahl der Berliner Verfahren insgesamt in etwa gleich geblieben ist, der Anteil der Planungswettbewerbe nach RPW sinkt jährlich. Die Präsidentin der Architektenkammer Berlin, Theresa Keilhacker, wiederholt deshalb mit Nachdruck: „Wir erwarten von der Regierung, dass sie auch bei ihren landeseigenen Gesellschaften die Einhaltung der Gesetze zur mittelstandsfreundlichen Vergabe nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) einfordert und umsetzen lässt.“

Carl Herwarth von Bittenfeld, Mitglied im Vorstand, ergänzt, dass das Land Berlin sich selbst keinen Gefallen tue, das große Potenzial an interessierten qualifizierten Büros bei weitem nicht auszuschöpfen.

Zu umfangreiche Leistungspakete

Auslobende schreiben zunehmend umfangreiche Leistungspakete aus, die die Kapazitäten vieler Planungsbüros übersteigen. Diese Bündelung von Bau- und Planungsleistungen kann vor allem durch Generalplanende gestemmt werden, kleinere Büros können lediglich als Subunternehmer agieren. Vor dem Hintergrund, dass gerade in Berlin große Teile der Bauaktivitäten durch die öffentliche Hand gesteuert werden, ist eine nur auf die größten Büros und Bauunternehmen ausgerichtete Ausschreibungspraxis daher für einen großen Teil der Büroeinheiten und Baudienstleistenden problematisch. Sie trägt zu einer Verengung des Marktes bei und damit zu einer unnötigen Erhöhung der Preise.

Zu streng ausgelegte Teilnahmebedingungen in vielen Verfahren

Die Zugangsbedingungen zur Teilnahme an den Verfahren werden immer enger gefasst. Dadurch wird vor allem, aber nicht nur, jungen Büros die Teilnahme am Marktgeschehen zunehmend erschwert bis gar nicht mehr ermöglicht – eine strukturelle Benachteiligung für den Marktzugang von Newcomern.

Wenige Verfahren nach RPW

Die Vorgaben für faire Vergabeverfahren sind mit den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW) und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) festgeleg. Die wenigsten Verfahren werden jedoch noch nach der RPW durchgeführt, Tendenz sinkend. Laut § 78 Abs. 2 VgV müssen Auftraggebende jedoch vorab prüfen, ob sich eine Aufgabenstellung für einen Planungswettbewerb eignet und dies dokumentieren. Zu oft bleibt die Entscheidung über die Wahl des Verfahrens aber unklar. Im Zeitraum 2023 wurden nur 17 Verfahren (24%) als Planungswettbewerbe ausgeschrieben. Im Vorjahr lag dieser Anteil bei 27%.

Mehr architektonische Qualität und Vielfalt!

Architektonische Qualität und eine Vielfalt an Ergebnissen werden Argumenten zu vermeintlichen Kosten- und Zeitersparnissen in VgV-Verfahren untergeordnet. „Insbesondere bei landeseigenen Gesellschaften ist ein qualitätsorientierter Ansatz unterrepräsentiert, sodass aus Sicht der Architektenkammer Berlin bei diesen Auftraggebenden noch die Überzeugung wachsen muss, dass sich Planungswettbewerbe auch für sie lohnen. So würde die baukulturelle und gestalterische Vielfalt in der Stadt wieder wachsen und der kleinteilig geprägte Mittelstand könnte zu einer gelungenen Berliner Mischung in den Quartieren zukunftsorientiert und nachhaltig beitragen“, sagt Theresa Keilhacker und führt aus: „Bei RPW-Planungswettbewerben, die der Bund als Auftraggeber auch als geeignetes Verfahren wählt, werden für den einmaligen und anteiligen Honoraransatz der Leistungsphase 2 in der Regel 15 bis 20 Planungsansätze auf Vorentwurfsniveau präsentiert, d. h. ein Variantenvergleich, der die bestmögliche Umsetzung eines Projekts enorm unterstützt.“

Die Architektenkammer Berlin bietet im Vorfeld Beratung bei der Wahl der richtigen Verfahrensart sowie angemessener und sinnvoller Teilnahmebedingungen an. Sie berät auch bei allen weiteren Fragen zu Wettbewerbs- und Vergabeverfahren.

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