Mit Abstand, Technik und Hygiene zu erfolgreichen Resilienzstrategien
Seit Beginn der Pandemie wird eine Frage rege diskutiert: Wie können wir dafür sorgen, dass Gebäude die Gesundheit ihrer Nutzerinnen und Nutzer noch besser schützen? Ein Gebäude sollte grundsätzlich ein Ort sein, an dem ein Gefühl der Sicherheit vorherrscht. Dieses Empfinden hat sich während der Pandemie verändert, denn die Ansteckungsgefahr durch Aerosole spielt vor allem in geschlossenen Räumen eine besondere Rolle.
Zur Optimierung eines Gebäudes hinsichtlich des Infektionsschutzes können verschiedene Maßnahmen sowohl bei Neubauten als auch im Bestand umgesetzt werden. Klar ist, einen hundertprozentigen Schutz kann auch ein optimiertes Gebäude nicht garantieren, aber es kann die Risiken, die Schadenshöhen und auch die Eintrittswahrscheinlichkeiten reduzieren. Zusätzlich sollen gesunde Gebäude auch wirtschaftlich sowie ökonomisch effizient sein und den modernsten baulichen und technischen Kriterien entsprechen.
Da Corona- oder auch andere Viren unter anderem über Aerosole übertragen werden, kann ein erster Ansatz für Optimierungsmaßnahmen in Gebäuden die Verbesserung der Innenraumluftqualität sein. Mitarbeitende sollten möglichst keine mit Schadstoffen oder Krankheitserregern versetzte Luft einatmen.
Optimierungspotenziale in verschiedenen Gebäudebereichen erkennen
Um das Optimierungspotenzial eines Gebäudes voll auszuschöpfen, ist es notwendig, seine einzelnen Bereiche und das Risiko einer Ansteckung je Bereich zu untersuchen. In jedem Bereich gibt es verschiedene Möglichkeiten, dieses Risiko zu reduzieren. Dabei sind zwei Faktoren wichtig: die Aufenthaltsdauer und die potenzielle Virenlast. Diese und weitere Faktoren wurden in ein mathematisch unterstütztes Modell gespeist, um Bereiche mit erhöhtem Risiko zu identifizieren.
Die potenzielle Höhe des Infektionsrisikos sowie die Optimierungspotenziale in einem Bürogebäude lassen sich anschaulich anhand des typischen, täglichen Bewegungsablaufes eines Mitarbeitenden im Bürogebäude aufzeigen – unter der Annahme, die Person sei infiziert und infektiös. Der Tag beginnt in der Tiefgarage. Sie liegt mit einer potenziell geringen Virenlast im grünen Bereich, da zum einen die Aufenthaltsdauer gering ist. Zum anderen herrscht durch die gering frequentierten Flächen sowie standardmäßig sehr gute Lüftung für das Abführen von Abgasen ein erhöhter Luftwechsel. Das potenzielle Infektionsrisiko steigt am Ausgang der Tiefgarage: In der Schleuse müssen häufig Türen und Lichtschalter angefasst werden. Zudem befinden sich an diesem Ort gegebenenfalls mehrere Personen gleichzeitig auf engstem Raum. Da Schleusen in der Regel nicht be- und entlüftet werden, steht dort die Luft – und führt zu einer hohen Virenlast. Hier herrscht daher selbst Stunden später bei kurzem Aufenthalt eine gewisse Ansteckungsgefahr.
Auf dem Weg von der Tiefgarage in die Büroräume wird der Aufzug genutzt. Im Aufzugsvorraum stellt sich die Situation ähnlich wie in der Schleuse dar: Auch der Vorraum wird in der Regel weder be- noch entlüftet. Im Aufzug selbst ist die Aufenthaltsdauer zwar gering, das Risiko einer Ansteckung jedoch signifikant höher – immer in Abhängigkeit des Kabinenfüllgrades.
Einen Großteil des Tages befindet sich der Mitarbeitende dann im Büro – je nach Ausstattung im Einzel-, Mehrpersonen-, oder Großraumbüro. Nicht alle Gebäude sind mit moderner Be- und Entlüftungstechnik ausgestattet (gerichtete Zu- und Abluft). Oft bleibt den Mitarbeitenden nur das klassische Lüften durch Öffnen der Fenster. Dadurch entstehen jedoch oft Zugerscheinungen und vor allem Wärmeverluste.
Ein weiterer Bereich, der nicht außer Acht gelassen werden darf, sind die WC-Räume. Hier ist – wenn auch gegen jede Logik – eine Fensterlüftung oft nicht der Standard und manchmal auch ein Durchlüften schwierig.
Bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen
Das Infektionsrisiko in Innenräumen gänzlich zu reduzieren ist nicht möglich, ein Restrisiko wird immer bestehen bleiben. Ganzheitliche, durchdachte Maßnahmen können das Risiko jedoch senken.
Zur strukturierten Vorgehensweise müssen drei verschiedene Perspektiven eingenommen werden: Abstand, Technik und Hygiene. Aus jeder Perspektive wird die IST-Situation betrachtet, um dann mögliche bauliche, technische und organisatorische Optimierungspotenziale zu entwickeln.
Smarte, flexible Lösungen für den Arbeitsalltag
Effektive Lösungen müssen nicht kostspielig sein. Selbst einfache bauliche, technische oder organisatorischen Maßnahmen können helfen, das Risiko zu minimieren. In Büros und Besprechungsräumen können beispielsweise CO2-Messgeräte oder Leuchten mit integrierten CO2-Messsensoren signalisieren, dass es Zeit ist, zu Lüften. CO2-Messgeräte bieten dabei nicht nur Schutz vor ansteckenden Krankheiten, sie schützen auch vor Konzentrationsschwäche durch schlechte Luft und fördern damit die Produktivität.
Auch für den WC-Raum gibt es nahezu kostenneutrale Alternativen zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos. Dazu gehören der Bau von Einzelkabinen, die Erhöhung der Reinigungszyklen und der Einbau leistungsfähiger Lüftungstechnik, die für konstante Zu- und Abluft sorgt (Abluft lässt sich beispielsweise zum Teil auch über die Keramik absaugen).
Abgesehen vom Thema Luft, Be- und Entlüftung gibt es weitere Möglichkeiten, den Arbeitsalltag sicherer und gesünder zu gestalten. Mit einer Buchungs-App für Arbeitsplätze kann zum einen die Auslastung beziehungsweise Überlastung des Büros nachverfolgt werden, zusätzlich kann sich jeder Mitarbeitende einen favorisierten Arbeitsplatz buchen, der nach der Nutzung hygienisch gereinigt wird. Insbesondere bei Desk-Sharing ist auf eine regelmäßige gründliche Reinigung der Flächen zu achten. Auch flexible Möblierungskonzepte, die mehr Raum und dadurch Abstand bieten, sind mittlerweile gefragt.
Langfristig prognostizieren Experten, dass das verstärkte Bewusstsein der Gesellschaft für ansteckende Krankheiten eine neue Art von Büro einleiten könnte. Klarer denn je wird die Gesundheit und das Wohlbefinden berücksichtigt.
Was kosten mögliche Optimierungen?
In verschiedenen Projekten und Studien haben die Optimierungsmaßnahmen in Summe mit ca. 50–100 €/m2 Bruttogrundfläche (BGF) zzgl. erhöhter Betriebskosten, abzüglich Energieeinsparung zu Buche geschlagen. Dagegen stehen aber vor allem neben dem sicheren Gefühl eine vorstellbare Reduzierung von Krankheitstagen. Bei einer angenommenen Wertschöpfung eines Mitarbeitenden von beispielsweise ab 500 Euro pro Tag geht die Rechnung schnell auf.
Maßnahmen zur Gebäudeoptimierung: ein Plus für ESG
Die Abkürzung ESG (Environment Social Governance, deutsch: Umwelt Soziales Unternehmensführung) ist in aller Munde. Ein gesünderes Gebäude zahlt signifikant auf die Umwelt, insbesondere den Faktor Energie ein. Beispielsweise kann mit lufttechnischen Anlagen die Fensterlüftung unterbunden und stattdessen eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung eingesetzt werden. Denn die Kosten für Energie sind signifikant gestiegen.
Auch wenn es für die Kriterien „Soziales“ und „Unternehmensführung/Aufsichtsstrukturen“ noch keine einheitlichen Standards gibt – die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden steht an oberster Stelle, denn sie sind das höchste Gut eines Unternehmens. Nutzende eines Gebäudes fühlen sich durch Maßnahmen, die der Verbesserung der Luftqualität an ihrem Arbeitsplatz dienen, wertgeschätzt und wohler. Gerade in Zeiten des hybriden Arbeitens und des Homeoffice müssen Anreize geschaffen werden, damit die Menschen wieder gerne ins Gebäude kommen. Dass Krankheitserreger wie Viren und Bakterien dabei kein Hemmnis sein müssen, zeigt der Erfolg von Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie. Gemäß den Angaben der Techniker Krankenkasse verzeichnete Deutschland 2021 den niedrigsten Krankenstand seit Jahren. So ist die jährliche Grippewelle ausgeblieben und auch weitere Erkältungskrankheiten wurden stark eingedämmt. Im Resultat haben sich weniger Menschen aufgrund von Erkältungskrankheiten oder Grippe krankgemeldet.
Durch optimierte Gebäude können nicht nur gesundheitliche Risiken reduziert werden – die Maßnahmen können gleichzeitig auf das Risiko- und Reputationsmanagement des Unternehmens einzahlen.
Das neue Normal: Gesundheitsschutz als integraler Bestandteil von Immobilien
In Zukunft wird der Gesundheitsschutz in Gebäuden eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Dies trifft gleichermaßen auf Bürogebäude, Hotels, Wohnhäuser und Schulen zu. Um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren, können im Rahmen so genannter Quick Checks Optimierungspotenziale aufgezeigt werden. Dabei wird jede Fläche hinsichtlich der entscheidenden Kriterien Abstand, Hygiene und Technik betrachtet. Daraus lassen sich konkrete und umsetzbare Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen, mit denen die Übertragungswahrscheinlichkeit von Krankheitserregern, wie Bakterien und Viren, reduziert werden kann. Die Investitionen in den Gesundheitsschutz lohnen sich, denn langfristig führen sie zu weniger Krankheitstagen, höherer Produktivität und damit letztlich zu zufriedeneren Nutzerinnen und Nutzern.
Kay Promehl
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