Kältemittel mit reduziertem Treibhausgas-Potenzial

Kältemittel unterliegen der F-Gase-Verordnung, die eine weitere Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen zum Ziel hat. Natürliche Kältemittel wie Wasser, Ammoniak, CO2 und Propan haben Potenzial, stellen die Branche aber auch vor Herausforderungen.
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1 – Das Kühlschiff wird mit Ammoniak als Kältemittel betrieben. Bild: Ursula Horn
1 – Das Kühlschiff wird mit Ammoniak als Kältemittel betrieben. Bild: Ursula Horn

Aktuelle Daten zeigen, dass bisherige staatlicherseits eingeleitete Maßnahmen zur Senkung von Treibhausgasemissionen nicht völlig wirkungslos waren. Das gilt sicher auch für die Maßnahmen, die in der seit 2007 gültigen Fassung der F-Gase-Verordnung enthalten waren: Vorgaben zu regelmäßigen Dichtheitskontrollen, Anforderungen an die Ausbildung und Zertifizierung des Montage- und Servicepersonals sowie die Pflicht der Kältemittelhersteller, den Verbrauch von F-Gasen nachzuweisen. Doch wie sich bald herausstellte, ließen sich damit die zwischenzeitlich von der EU neu definierten mittel- und langfristigen Ziele zur Minderung von direkten Emissionen nicht erreichen (siehe auch Bild 2). Damit war klar, dass die Verordnung angepasst werden musste.

Die Regelungen der novellierten Verordnung sollen in erster Linie dazu dienen, einen Anreiz zur Entwicklung und Verwendung von Alternativen zur Verwendung von F-Gasen zu schaffen. Die EU will dafür die Emissionen von F-Gasen um 70 Mio. t CO2-Äquivalent auf 35 Mio. t CO2-Äquivalent bis zum Jahr 2030 senken. Die wohl wichtigsten neuen Ansätze in der seit dem 1. Januar 2015 gültigen Revision sind die Einführung einer schrittweisen Beschränkung der am Markt verfügbaren Mengen an HFKW. Diese gestufte Reduzierung („Phase down“-Verfahren) soll dazu führen, die in Verkehr gebrachten Mengen von teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen (HFKW) bis zum Jahr 2030 stufenweise auf ein Fünftel der heutigen Verkaufsmenge zu reduzieren. Unternehmen, die pro Kalenderjahr HFKW in Mengen von 100 t CO2-Äquivalent (CO2e) oder mehr in den Verkehr bringen wollen, benötigen dazu eine Quote. Hierzu müssen sie sich über ein F-Gas-Portal der EU registrieren und ihre Absicht, HFKW in den Verkehr zu bringen, bei der Europäischen Kommission anmelden. Das Anmeldeformular verlangt u. a. Angaben über die voraussichtlichen Mengen, die in Verkehr gebracht werden sollen. Gleichzeitig besteht die Pflicht zur Berichterstattung über den tatsächlichen Verbrauch.

Ferner enthält die neue F-Gase-Verordnung einige Verwendungs- und Inverkehrbringungsverbote, die ab unterschiedlichen Zeitpunkten gelten. So ist für eine Reihe von Anwendungen ein maximal zulässiger GWP-Wert des Kältemittels festgelegt. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Betreiber bestimmter Anlagen hatten bereits zuvor eine Reihe von Pflichten übertragen bekommen. Diese bleiben mit der neuen F-Gas-Verordnung weitgehend bestehen. Einige Pflichten kommen ergänzend hinzu, andere sind anders ausgestaltet. Für einen vollständigen Überblick empfiehlt es sich, den Verordnungstext und die dazugehörigen Anhänge zu lesen.

Natürliche Kältemittel für Wärmepumpen und Kälteanlagen

Wärmepumpen arbeiten heute vorwiegend mit HFKW-Kältemitteln wie R134a, R407C oder R410A. Aber wie alle halogenierten Kältemittel gehören diese zu den klimaschädigenden Treibhausgasen. Das ist einer der Gründe, weshalb schon seit vielen Jahren eine Rückbesinnung auf natürliche Kältemittel wie Wasser, Ammoniak, Propan, Propylen und auch CO2 (Treibhausgas, GWP-Wert = 1) zu beobachten ist.

Wasser als Arbeitsmittel für Kälteanlagen hoher Leistung

Wasser stellt als Kältemittel (R718) zwar hohe Anforderungen an die Verdichter- und Anlagengestaltung, denn Druckverhältnis und spezifisches Volumen von Wasserdampf unterscheiden sich beträchtlich von denen üblicher Kältemittel. Es bietet aber auch viele Vorteile: R718 ist nichts anderes als einfaches, nicht aufbereitetes Wasser aus der öffentlichen Versorgung; es ist ferner weder giftig noch brennbar und erfordert keine sicherheitstechnischen Aufwendungen für den Kältemaschinenraum; das Ozonabbau- und das Treibhauspotenzial sind gleich null. Auch auf der Maschinenseite gibt es Pluspunkte. So benötigen R718-Kälteanlagen keinen Ölkreislauf, der Aufwand für Wartung ist gering. Das Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH in Dresden (ILK Dresden) hat gemeinsam mit der Firma Axima Refrigeration in mehreren Installationen die technische Machbarkeit und Praxistauglichkeit von Wasser als Kältemittel untersucht. Dabei wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie Kaltwassersätze im Leistungsbereich zwischen 400 und 1.000 kW gefertigt und eingesetzt. Sie laufen bereits seit einigen Jahren und konnten belegen, dass das neue Kälteverfahren auch unter harten praktischen Einsatzbedingungen machbar und zuverlässig ist. Doch solche Einsätze sind bislang wegen des hohen technischen Aufwands mehr oder weniger Ausnahmen.

Ammoniak seit mehr als 100 Jahren im Einsatz

Auch Ammoniak (NH3) zählt zu den natürlichen Kältemitteln. In Industrie- und Großkälteanlagen verrichtet es schon seit mehr als 100 Jahren zuverlässig seinen Dienst. Es hat einige positive Eigenschaften, die dem industriellen Einsatz entgegenkommen: Ammoniak hat kein Ozonabbau- und kein direktes Treibhauspotenzial und ist zudem äußerst preiswert. Leider gibt es auch negative Aspekte: Ammoniak ist giftig und brennbar, weshalb besondere Sicherheitsvorschriften für Bau und Betrieb unerlässlich sind. Die thermodynamischen Eigenschaften erfordern materialtechnisch sehr anspruchsvolle Komponenten; die Frage nach geeigneten Schmierstoffen ist noch nicht abschließend geklärt; die Einspritzregulierung für kleine Leistungen gestaltet sich schwierig; Ammoniak wirkt korrosiv auf Kupferwerkstoffe und erfordert deshalb Rohrleitungen aus Stahl. Diese Probleme lassen sich nur durch eine aufwändige Anlagentechnik lösen. Zur Zukunft von mit Ammoniak betriebenen Kältesystemen schreibt die Firma Bitzer Kühlmaschinen GmbH in einem Kältemittelreport, eine abschließende Beurteilung über den erweiterten Einsatz von NH3-Kompaktsystemen – an Stelle von Anlagen mit HFKW-Kältemitteln und weitgehend konventioneller Technik, sei noch verfrüht. Aus rein technischer Sicht und unter der Voraussetzung eines akzeptablen Kostenniveaus werde eine breitere Angebotspalette in absehbarer Zeit zu erwarten sein.

Propan und Propylen: umweltverträglich, aber leicht entflammbar

Propangas (R290) dient in industriellen Kälteanlagen schon seit Jahren als Kältemittel. Als Ersatz für R502 und R22 findet es auch in der Wärmepumpentechnik Anwendung. Es schädigt die Ozonschicht nicht und besitzt nur ein sehr geringes Treibhauspotenzial. Die Werte von Druck und Kälteleistung sind mit denen von R22 und R502 vergleichbar. Da R290 keine korrosive Wirkung gegen Kupfer zeigt, sind Kupferwerkstoffe einsetzbar, was zu weiteren Vorteilen führt. Die leichte Entflammbarkeit des Kältemittels macht allerdings zusätzliche sicherheitstechnische Vorkehrungen erforderlich. Einige Hersteller haben aber schon vor Jahren von diesem zwar HFKW- und FCKW-freien, aber brennbarem Kältemittel wieder Abschied genommen.

Als Alternative zu Propan wird seit einiger Zeit zunehmend auch die Verwendung von Propylen (R1270) als Kältemittel in Erwägung gezogen. Es käme dann als Ersatz für die Frigene R22 und R502 in Frage. Wegen der gegenüber R290 höheren volumetrischen Kälteleistung und einer tieferen Siedetemperatur ist die Anwendung in Normal- und Tieftemperaturanlagen, wie sie beispielsweise in Supermärkten eingesetzt werden, von besonderem Interesse. Allerdings sind höhere Drucklagen und Druckgastemperaturen zu berücksichtigen, die den Einsatz wiederum einschränken. Hinsichtlich des Ozonabbau- und Treibhauspotenzials sowie der Entflammbarkeit und Toxizität gelten die gleichen Werte wie bei Propan.

CO2 als Kältemittel nahezu vollkommen

Wie die vorgenannten natürlichen Kältemittel erlebt auch Kohlendioxid (CO2) eine Renaissance. Es ist aus ökologischer und sicherheitstechnischer Sicht nahezu ideal. Es ist weder giftig noch brennbar, es besitzt kein Ozonabbaupotenzial und ist chemisch inaktiv. Daher gibt es keine Notwendigkeit zur Rückgewinnung oder Entsorgung. Mit CO2 gefüllte kältetechnische Anlagen und Wärmepumpen kommen mit kompakteren kleineren Verdichtern und geringeren Rohrquerschnitten aus. Kohlendioxid zeichnet sich durch eine sehr hohe volumetrische Kälte- bzw. Heizleistung aus und besitzt hohe Wärmeübergangskoeffizienten. Fazit: Kohlendioxid kann als natürliches Kältemittel in Zukunft viele klimaschädliche Kältemittel ersetzen. Allerdings gibt es auch Nachteile: Für den Einsatz von Kohlendioxid sind hohe Drücke erforderlich, die besondere Anforderungen an technische Komponenten wie Verdichter und Wärmeübertrager stellen.

Die gebräuchlichsten synthetischen Kältemittel

In der Wärmepumpenbranche werden in erster Linie die synthetischen Kältemittel R134a, R470C und R410A eingesetzt. Grund für diese Auswahl sind vor allem ihre GWP-Werte, die z. B. im Vergleich zum GWP-Wert 5600 des in der Vergangenheit in Wärmepumpen häufig verwendeten R502 als relativ günstig anzusehen sind. Das farb- und fast geruchlose R134a dagegen hat ein Treibhauspotenzial, das „nur“ 1.430-mal so stark ist wie das von Kohlendioxid, bezogen auf einen Zeitraum von 100 Jahren. Dieser vergleichsweise günstige Wert erlaubt den Einsatz dieses Kältemittels noch auf längere Sicht. Wegen seiner weiteren guten Eigenschaften – R134a ist nicht brennbar und ungiftig – wird es häufig in gewerblichen Anlagen im Normalkühlbereich, in Haushaltsgeräten und in Wärmepumpen mit Vorlauftemperatur bis 70 °C eingesetzt. Das nicht brennbare Kältemittel R407C, ein Gemisch aus den Komponenten R32 (20 %), R125 (40 %) und R134a (40 %), wurde in der jüngsten Vergangenheit vorwiegend als Ersatz für die mittlerweile verbotenen R22 und R502 eingesetzt. Der GWP-Wert ist mit 2107 angegeben. Das Gas ist ungiftig, nicht brennbar und nicht ozonschädigend. Eingesetzt wird es in erster Linie in Klimaanlagen, Wärmepumpen sowie in industriellen und gewerblichen Kälteanlagen. Das Kältemittel R410A ist ebenfalls ein Gemisch und besteht je zur Hälfe aus R32 und R125. Es ist ebenfalls ungiftig, nicht brennbar und ozonschonend. Der GWP-Wert wird mit 2088 angegeben, am häufigsten verwendet wird es in Wärmepumpen, Transportkühlanlagen sowie in Verkaufs- und Tiefkühltruhen.

Wilhelm Wilming

Wilhelm Wilming
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· Artikel im Heft ·

Kältemittel mit reduziertem Treibhausgas-Potenzial
Seite 26 bis 29
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