Energieautarke Systeme für die Zukunft

Energie als ein Baustein der Gesellschaft für eine sorgenfreie Zukunft unserer Kinder. Der Markt Rimpar, eine Gemeinde in der Nähe von Würzburg, hat dies durch die Realisierung eines Nahwärmenetzes mit Holz aus dem eigenen Wald praktisch umgesetzt.
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1 - Denkmal geschützte Gebäude sind durch energieeffiziente Wärmeerzeugung nachhaltig zu nutzen. Bild: Ingenieurbüro Köberlein, Jürgen Köberlein
1 - Denkmal geschützte Gebäude sind durch energieeffiziente Wärmeerzeugung nachhaltig zu nutzen. Bild: Ingenieurbüro Köberlein, Jürgen Köberlein

Markt Rimpar ist eine etwa 10 km nördlich von Würzburg gelegene Gemeinde im Regierungsbezirk Unterfranken, Landkreis Würzburg, mit ca. 7.600 Einwohnern. Die Bauwerke und Baudenkmäler der Gemeinde, wie das Schloss Grumbach (Bild 1) und die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul, in der sich u. a. das erste Werk Tilman Riemenschneiders befindet, sind nicht nur ortsprägend, sondern fordern laufende Investitionen in Unterhalt und Energie.

Dies und die kontinuierlich steigenden Kosten der fossilen Energieträger waren Grund genug, für den seit 2002 amtierenden Bürgermeister Burkard Losert mit seinem Gemeinderat, sich nach möglichen Alternativen umzusehen. Erfahrung hatte die Gemeinde bereits mit der Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Gebäuden wie Kindergärten, dem Sportzentrum und der Grundschule (insgesamt mehr als 600 kWpeak installierte Leistung) gesammelt.

Makro-, Mikro- und SWOT-Analyse

Das Ingenieurbüro Köberlein wurde Anfang 2012 damit beauftragt ein Energiekonzept unter Berücksichtigung der verfügbaren Möglichkeiten auszuarbeiten. Mit Hilfe der SWOT-Analyse (SWOT = strengths, weaknesses, opportunities and threats) wurden unterschiedliche Ansätze und Konzepte entwickelt und auf Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken geprüft. Mit Hilfe einer Makro- und Mikro-Analysematrix wurden Fragen des Standorts, Ressourcenverfügbarkeit und Investitionskosten gegeneinander abgewogen. Ein fundiertes Projektmanagement unter Berücksichtigung der Leistungsphase null ist bei Projekten dieser Größenordnung erforderlich, um zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt die technisch sinnvollste und wirtschaftlichste Lösung zu finden.

Letztendlich fiel die Entscheidung nach Bürgerbefragungen und zahlreichen Gemeinderats- und Bauausschusssitzungen auf eine Variante, die die gemeindlichen und kirchlichen Gebäude und Einrichtungen mit nahezu CO2-neutraler Wärme aus dem eigenen Wald versorgen soll. Der prognostizierte Verbrauch mit ca. 1.900 bis 2.300 srm pro Jahr (Anmerkung: ein Schüttraummeter entspricht einer lose geschütteten Holzmenge von einem Kubikmeter) sowie die lokal verfügbaren Ressourcen mit jährlich ca. 4.000 srm, kurze Wege und die eigene Vermarktung gaben den entscheidenden Ausschlag, sich für ein System auf Basis von Holzhackschnitzel zu entscheiden.

Pragmatische funktionale Umsetzung – ökonomisch stark

Kompakt, optisch verträglich und zugleich pragmatisch und funktional in Gestaltung und Technik sollte das neu zu errichtende Bauwerk (Bild 2) für die neue Holzheizung werden. Die Standortwahl war dabei eines der schwierigsten Aufgaben. Als zentraler Wärmeerzeuger, wenn möglich im Lastschwerpunkt, logistisch leicht zu befüllen und zukünftige Expansionen zugleich nicht zu beschneiden, war die Herausforderung.

Mit einer optimierten Grundfläche von ca. 120 m², angrenzend an das Sportzentrum mit den beiden 3-fach Hallen, einer Schule und einem Kinderhort, war der optimale Standort für das Kesselhaus unter Berücksichtigung aller Kriterien gefunden. Von dort aus windet sich eine ca. 1.050 m lange, als Strahlennetz ausgebildete Nahwärmeversorgung durch die Ortschaft bis zum Schloss Grumbach, das auch der derzeitige Endpunkt der Versorgungstrasse ist. Synergieeffekte wie infrastrukturelle Erschließung einiger Teilstrecken innerhalb des Ortskerns im Zuge der Dorferneuerung reduzierten die Kosten der Nahwärmetrasse deutlich.

Nachhaltige Technik – so einfach wie möglich

Auf eine aufwändige Gebäudeleittechnik wurde bei der im Herbst 2017 in Betrieb genommenen Anlage bewusst verzichtet, da die modernen Kesselsteuerungen der meisten Hersteller sowieso alle benötigten Funktionen mitbringen. Die Wärmeerzeugung übernehmen zwei im Master-Slave-Betrieb arbeitenden Turbomat Kessel Typ TM 400 (Bild 3) des Herstellers Fröling. Der sehr robust ausgeführte hydraulische Schubboden übernimmt mit den beiden Quer- und Steilförderschnecken (Bild 4) die Austragung des Hackguts aus dem ca. 200 m3 großem Lager in den Feuerungsraum der Wärmeerzeuger. Minimaler Wartungs- und Reinigungsaufwand ergibt sich durch die Abgasrezirkulation mit den konstruktiv optimal angeordneten stehenden Wärmetauschern und automatischer Abreinigung. Die Einhaltung der gesetzlich normativen Auflagen wird durch die beiden nachgeschalteten Elektrofilter mit einem Abscheidegrad von bis zu 85 % sichergestellt.

Darüber hinaus konnte bei der Anlagendimensionierung inklusive Pufferspeicher aufgrund der inhomogenen Gebäude- und Nutzungsstruktur (Sportstätte, Schule, Kirche, Rathaus, Pfarrhaus, Jugendheim…) ein relativ niedriger Gleichzeitigkeitsfaktor zugrunde gelegt werden. Eine zusätzliche Anlagenredundanz auf Basis von Gas ist durch die beiden im Bestand befindlichen Kessel des Sportzentrums ebenfalls sichergestellt.

Durch die Wärmebedarfsdichte der Nahwärmeleitung von ca. 1,76 MWh/(m a) ergibt sich ein relativ niedriger Netzverlust zwischen 5 bis 8 %. Neben den wirtschaftlichen Einflussfaktoren wie Investitions-, Wartungs- und Betreuungskosten der Anlage und Nahwärmeleitung sind auch technische Fragen wie die Gesamtbelastung des Rohrsystems durch Betriebs- und geodätischem Druck (statisch) sowie dem Strömungsdruckverlust (einschließlich Rohrleitung, Fittinge und Armaturen) wichtige Auslegungsparameter.

Durch die Erfassung der Rücklauftemperatur des ungünstigsten Teilnehmers am Ende des Versorgungsnetzes wird die Drehzahl der Fernleitungspumpen permanent an die Anlagenkennlinie angepasst und somit ein optimaler Betriebspunkt erreicht.

Fazit

Eine Gesamtinvestition von rund 1,9 Mio. €, die sich aus Bauwerk, Technik, Nahwärmeleitung und Planungskosten ergibt, ist für eine Gemeinde wie den Markt Rimpar eine nicht unerhebli-che Haushaltsbelastung. Vergleicht man den Mittelwert der Energiekosten vergangener Jahre aller dezentralen Wärmeerzeuger vor dem Bau der Nahwärmeversorgung in Höhe von 185.000 €/a mit den prognostizierten und nach einem Jahr verifizierten Energiekosten in Höhe von 75.000 €/a (inkl. 5 % Rückstellung für Wartung und Instandhaltung), so ergibt sich eine derzeitige Einsparung von 110.000 €/a.

Unter der Annahme einer jährlichen Energiepreissteigerung von 5 % pro Jahr würde sich eine voraussichtliche Amortisationszeit von rund 13 Jahren sowie eine Minderbelastung von 640.000 kg CO2 pro Jahr ergeben.

Die Fördermittel in Höhe von ca. 130.000 € des Technologie- und Förderzentrums im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe, Straubing, sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch die Verarbeitung und Aufbereitung der Holzhackschnitzel aus dem Wald der Gemeinde durch einen regionalen Anbieter ergeben ein durchweg positives Bild der Gesamtinvestition.

Der Markt Rimpar hat darüber hinaus als eine der innovativsten Gemeinden des Landkreises Würzburg seine gesamte Straßenbeleuchtung mit einer Energieeinsparung von über 70 % erfolgreich auf LED-Technik umgestellt und durch die Anschaffung von vier eigenen Elektrofahrzeugen und drei Ladesäulen zukunftsweisend investiert.

Prof. inv. Dr. h.c. Jürgen Köberlein

Prof. inv. Dr. h.c. Jürgen Köberlein
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Energieautarke Systeme für die Zukunft
Seite 16 bis 17
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