Wie sich Städte gegen gefährlichen Temperaturstress wappnen können
Von Gregor Grassl, Associate Partner und Leiter für grüne Stadtentwicklung bei Drees & Sommer, und Hanna Müller, PR-Referentin bei Drees & Sommer
Der so genannte Heat-Island-Effekt belastet die Gesundheit extrem. Dehydrierung, Herz-Kreislauf-Probleme und Atemschwierigkeiten machen vor allem älteren Personen und gesundheitlich angeschlagenen Menschen schwer zu schaffen. Hilflos ausgeliefert sind Städte und Kommunen der Klimakrise jedoch nicht. Welche Maßnahmen besonders wirksam sind, das zeigen etwa die von Drees & Sommer begleiteten Projekte der baden-württembergischen Stadt Rastatt, die Quartiersentwicklung Berlin TXL oder die nordrhein-westfälische Kommune Dormagen.
Empfehlungen gegen städtische Wärmeinseln
Für ausreichend Schatten sorgen
Die einfachste und kostengünstigste Methode, um Straßen und Freiflächen vor der Hitze zu schützen, sind Bäume oder andere Schattenelemente. Einfache Methoden wie Haltestellendächer oder Bänke im Schatten ermöglichen es Menschen, sich bei hoher Anstrengung auszuruhen.
Grünfassaden schaffen und Flächen entsiegeln
Für ein besseres Mikroklima spielt auch die Entsiegelung eine wichtige Rolle. Plätze und Wege müssen nicht unbedingt asphaltiert sein. Kiesflächen wie in Biergärten oder Rasengittersteine für Parkplätze reduzieren den Hitzeeffekt und sind sogar noch kostengünstiger als Asphalt. Leider werden immer noch zahlreiche Flächen wie Verkehrsinseln versiegelt, anstatt dort Blumenwiesen anzulegen, die zur Förderung der Biodiversität beitragen könnten.
Zur Begrünung von Städten gehören neben Bäumen und Grünstreifen auch vertikale Grünfassaden, wie sie am Drees & Sommer Bürogebäude OWP12 in Stuttgart zu finden sind. Dort erstreckt sich die Grünfassade auf einer Fläche von mehr als 100 m² über drei Geschosse mit einer Höhe von 12 m. Dadurch heizt sich die Immobilie weniger auf, die Pflanzenwände filtern Schadstoffe aus der Luft und dämmen Lärm. Zudem bietet das Grün Lebensraum für Pflanzen und Tiere und sorgt damit für mehr Artenvielfalt.
Helle Flächen mit hoher Albedo einsetzen
Helle, reflektierende Materialien können an heißen Tagen eine übermäßige Wärmeeinstrahlung reduzieren. Der so genannte Albedo-Effekt bewirkt, dass kurzwellige Strahlung reflektiert wird und das Material sich nicht aufheizt. Besonders positive Ergebnisse erzielt der Albedo-Effekt in dicht bebauten Gebieten mit großen Dachflächen. Helle Betonflächen, Pflasterbeläge aus Beton oder Naturstein oder schottergebundene Decken eignen sich am besten. Eine Kombination aus rauen Oberflächen, porösen Materialien und helleren Farben beim Belag sorgt auch für eine niedrigere Oberflächentemperatur und eine höhere thermische Speicherkapazität. Sofern erforderlich, lassen sich Oberflächen durch das Auftragen einer hellen Farbe im Nachhinein aufhellen.
Nachts mit energiearmen Lösungen kühlen
Klimaanlagen können den Hitzeinsel-Effekt noch weiter verstärken, da sie dann laufen, wenn es heiß ist. Während sie zwar den Innenraum kühlen, heizen sie durch Abwärme genau im gleichen Moment den Außenraum noch auf. Das erfordert noch mehr Kühlung.
Setzt man hingegen in Gebäuden auf Low-Tech-Systeme, wird viel Speichermasse im Gebäude eingebaut, um es nachts durch die Außenluft zu kühlen. Tagsüber bleiben Fenster und Türen geschlossen. Wenn es nachts draußen zu warm wird, funktioniert dieses Prinzip aber nicht mehr. Bei der zukünftigen Entwicklung müssen also auch eigentlich energiesparende und nachhaltige Gebäude aufgrund des Klimawandels saniert werden.
Als Alternativen für natürliche Kühlung lassen sich Fußbodenheizungen im Sommer relativ einfach als Kühlböden nutzen. Eine Möglichkeit besteht darin, den Wasserkreislauf nachts abzukühlen und die Wärme aus den Innenräumen nach außen bzw. in den Untergrund abzuführen, aus dem man sie im Winter entnommen hat. Es ist auch möglich, Decken als Kühlfläche zu nutzen.
Auf Quartiersebene sind sogenannte Low-Energy-Netze sinnvoll, mit denen man sowohl heizen als auch kühlen kann. Das funktioniert so: Im Idealfall wird Wasser im Sommer zum Kühlen verwendet und dadurch erwärmt. Das erwärmte Wasser wird daraufhin gespeichert. Im Winter wird das warme Wasser zum Heizen genutzt und erneut abgekühlt. Dieses Verfahren kann sich im Sommer sogar positiv auf die Gesamtenergiebilanz auswirken.
Höher bauen gegen Überhitzung
Hochhäuser beschatten sich gegenseitig und schützen die Wohnungen vor dem Aufheizen. Damit das funktioniert, dürfen die Fensterflächen nicht mehr als 40 % betragen. Glaspaläste sind kostspielig im Energieverbrauch, sowohl im Sommer als auch im Winter, da Glas eine schlechte Dämmung bietet.
Ein weiterer Vorteil: Hochhäuser erzeugen Verwirbelungen und Aufwinde. Das trägt zu einer besseren Durchlüftung der Quartiere bei. Gezielt eingesetzt dienen sie der Abkühlung und sind mit natürlichen Landschaftselementen wie einem Fluss vergleichbar, der neben der Kühlung durch das Wasser auch immer als Frischluftschneise und durch seine Bewegung als Durchlüftungszone beiträgt.
Zwei Seiten einer Medaille: Klimaschutz und Klimaanpassung
Klimaschutz und Klimaanpassung sind zwei untrennbare Dimensionen der Klimakrise und sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Häufig diskutieren wir darüber, ob wir unsere Dächer begrünen oder sie mit Photovoltaikanlagen ausstatten sollten. Ersteres dient der Klimaanpassung, zweiteres dem Klimaschutz. Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass sich beides problemlos kombinieren lässt und sich sogar Synergien daraus ergeben können. Photovoltaik-Module auf Gründächern erzielen sogar einen höheren Ertrag, da sie durch die Kühlung des Gründaches effizienter arbeiten.
Die Belastung durch Hitze in städtischen Gebieten ist eine große Herausforderung für die Gegenwart und Zukunft. Aber sie bietet auch eine Gelegenheit, unsere Städte lebenswerter, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu gestalten. Durch gezielte Maßnahmen können wir nicht nur die Hitzebelastung in Städten reduzieren, sondern auch weitere Vorteile erzielen, wie eine verbesserte Luftqualität, höhere Energieeffizienz und größere Biodiversität.
Projektbeispiele
- Klimaanpassungskonzept Rastatt: Die Stadt hat einen 10-Punkte-Plan ausgearbeitet, der in den kommenden 5 Jahren umgesetzt wird. Mehr grün, mehr Schatten, weniger Beton soll die Stadt abkühlen.
- Klimaanpassungskonzept Dormagen: Auf Basis einer Betroffenheitsanalyse wird ein Klimaanpassungskonzept erarbeitet.
- Stadtquartier Berlin TXL Das Quartier setzt auf umfassende Begrünung und Entsiegelung und erzielte positive Auswirkungen auf mehr Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversitätskonzept.
- Stadtquartier Neckarbogen (heilbronn.de) Dachbegrünungen, grüne Innenhöfe, und Regenwassermanagement zur Bewässerung während Dürreperioden sorgen für eine kühlere Umgebung.