Energiedorf Bergheim

Wasseraufbereitung im Nahwärmenetz

Bereits vor zwölf Jahren installierte die Energiedorf Bergheim eG ein autarkes Nahwärmenetz. Die Energiekrise mit hohen Preisen für Öl oder Gas löst in dem hessischen Dorf keine Unruhe aus. Die Wärme kommt vorrangig aus Holzhackschnitzeln, denn Holz wächst in den umliegenden Wäldern reichlich nach. Die normgerechte Qualität des Heizungswassers im Wärmenetz stellt eine BerkeSelect IQ+ Anlage von Veolia Water Technologies sicher.

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Die Wärmeerzeugung in Ortenberg-Bergheim wird über ein lokales Wärmenetz gesichert, das in den Händen der Energiegenossenschaft Bergheim eG liegt. Bild: Energiedorf Bergheim eG
Die Wärmeerzeugung in Ortenberg-Bergheim wird über ein lokales Wärmenetz gesichert, das in den Händen der Energiegenossenschaft Bergheim eG liegt. Bild: Energiedorf Bergheim eG

Ortenberg-Bergheim, ein kleiner Ort mit 650 Einwohnern in der Wetterau in Hessen: Vor etwa 15 Jahren entstand hier der Plan, ein lokales Nahwärmenetz aufzubauen, um den Ort zentral mit Wärme und Warmwasser zu versorgen. Damals standen Kanal- und Tiefbauarbeiten an. Was lag da näher, als gleich ein Wärmenetz mit zu verlegen? Doch der seinerzeit visionäre Ansatz musste viele Hürden überspringen. Um das nötige Kapital zu bündeln, entstand auf Initiative engagierter Bewohner:innen die Energiegenossenschaft „Energiedorf Bergheim eG”.

Ein Wärmenetz zu verlegen und zu betreiben ist jedoch etwas anderes als eine normale Wasserleitung. Schließlich handelt es sich um bis zu 150 mm dicke Leitungen mit Vor- und Rücklauf und den entsprechenden Isolierungen. Zu den technischen Anforderungen kommen gesetzliche Vorgaben. Viel lokale Unterstützung und eine gute Planung im Vorfeld waren unverzichtbar.

Die größte Herausforderung am Anfang war jedoch, genügend Mitstreiter zu finden und die Dorfbevölkerung zu überzeugen. Denn das neue Wärmenetz bedeutete vielfach, die vorhandene konventionelle Heizung, die teilweise erst zwei oder drei Jahre alt war, wieder abzubauen und sich dem nachhaltigen Projekt anzuschließen. Wer sich dazu entschieden hatte, musste es nicht bereuen. Die Netzkunden haben in ihren Häusern heute zwei Räume mehr zur Verfügung, in denen zuvor der Ölkessel und der Öltank untergebracht waren. Zudem entfielen auch unmittelbar die jährlichen Wartungskosten für die eigene Heizung und die Kosten für den Schornsteinfeger.

Modell für ländliche Regionen: Die Energiegenossenschaft

„Eine gewisse Dichte an Abnehmern ist notwendig, um so ein Wärmenetz überhaupt wirtschaftlich betreiben zu können“, erklärt Hartmut Langlitz, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Energiedorf Bergheim eG. „Aber es funktioniert: Wir sind in den letzten Jahren eher günstiger geworden, weil wir von Öl und Gas nahezu unabhängig sind.“ Durch die Energiekrise, die 2022 entstanden ist, haben sich viele neue Interessierte gemeldet, die der Genossenschaft beitreten und einen Anschluss wollen. „Wir lassen gerade prüfen, wie viele Neuanschlüsse wir noch ins Netz reinnehmen können.“ Wer sich allerdings einen aktuellen Netzplan anschaut, kann erkennen, dass bereits ein Großteil der Häuser Bergheims am Netz angeschlossen ist. Derzeit sind das rund 130 Häuser mit etwa 170 Haushalten. Auch alle öffentlichen Einrichtungen werden mitversorgt: das Sportheim, die Kirche, die Feuerwehr, der Kindergarten und das Dorfgemeinschaftshaus. „Wir sind kein gewöhnlicher Energieversorger, sondern eine Genossenschaft“, erläutert Hartmut Langlitz. Das bedeutet, die Kunden sind zugleich Anteilseigner am Versorger. Lasten pro Kopf für Investitionen werden mit steigenden Mitgliederzahlen stetig reduziert, Gewinne des Versorgers gehen zurück an die Energiekunden. „Als die Ursprungsidee damals aufkam, gingen die Ölpreise schon in Richtung ein Euro. Heute produzieren wir pro Jahr 3.500 MWh Wärme.“ Eine Wärme, die für die Kunden nicht nur günstig, sondern vor allem nachhaltig produziert ist.

Zwei Kreisläufe – drei Wärmeerzeuger

Für die Wärmeverteilung nutzen die Bergheimer zwei Wasserkreisläufe: einen Primärkreislauf im Heizwerk mit 140 m³ Wasser und das eigentliche Nahwärmenetz mit einem Inhalt von etwa 65 m³.

Die Wärmeerzeugung basiert auf einem dreistufigen System. Vorrangig wird das Heizungswasser mit Holzhackschnitzeln als Energieträger erhitzt, ein nachwachsender Rohstoff, der in der waldreichen Region mehr als ausreichend vorhanden ist. Sogar das von Borkenkäfern befallene und damit minderwertige Holz kann hier genutzt werden.

Als zweite Komponente dient eine Solarthermieanlage, die seit drei Jahren im Einsatz ist. Mit einer Kollektorfläche von 1.300 m² erzeugen Solarkollektoren mit einer Leistung von insgesamt 1 MW das Warmwasser in den Sommermonaten. Das heißt: In dieser Zeit bleiben die Kessel für die Verbrennung der Holzschnitzel kalt. Das Warmwasser wird von Mai bis September allein durch die Kraft der Sonne erhitzt. So entfallen mittlerweile nur 80 % der Wärmeerzeugung auf die Holzhackschnitzel, 20 % auf die Solarthermie. Abgerundet wird das Konzept durch zusätzliche Warmwasserspeicher, um in den Wintermonaten die morgendliche Spitzenlast abzufedern und im Sommer auch sonnenarme Tage zu überbrücken. Der Strom für den Betrieb der Pumpen und anderer elektrischer Verbraucher stammt aus eigenen Photovoltaikanlagen, die direkt auf dem Dach der Heizzentrale und auch dem benachbarten Dorfgemeinschaftshaus installiert sind. Zur Versorgungssicherheit ist zudem ein Redundanzkessel installiert, der in besonders kalten Wintern außergewöhnliche Spitzenlasten abfängt. Klassisch mit Heizöl betrieben, müssen damit über das Jahr allerdings nur wenige Heizstunden abgedeckt werden. Der Ölkessel ist so groß ausgelegt, dass er das Netz theoretisch auch allein heizen könnte, sollten die mit Holzschnitzeln betriebenen Kessel einmal ausfallen.

Kontinuierliche Aufbereitung des Wärmeträgers

Die Richtwerte für die Qualität des Heizwasser sind durch die Normen VDI 2035 und bei größeren Wärmenetzen durch das entsprechende Arbeitsblatt der AGFW FW 510 vorgeschrieben. Darüber hinaus gelten die Anforderungen der Kesselhersteller, die Regressansprüche ablehnen, wenn die Beschaffenheit des Kreislaufwassers davon abweicht.

„Deshalb müssen wir es regelmäßig aufbereiten. Wir haben bisher keine Probleme im Netz mit Wasserverlusten durch Undichtigkeiten. Allerdings war die Leitfähigkeit dennoch mit einem Wert von über 100 zu hoch, der musste gesenkt und der pH-Wert entsprechend angepasst werden“, erläutert Langlitz.

Dies war vor einigen Monaten der Anlass, im Nebenstrom des Heizkreislaufs eine Anlage aus der Reihe BerkeSelect IQ+ von Veolia für die kontinuierliche Wasseraufbereitung zu installieren. Dabei handelt es sich um das leistungsstärkste Gerät aus der Baureihe. Die Anlage übernimmt je nach Anforderung die Enthärtung, Entsalzung, Alkalisierung oder die Filtration des Wassers und zusätzlich auch die Entgasung. Darüber hinaus wird durch die Kreislaufwasseraufbereitung auch gleichzeitig das Nachspeisewasser aufbereitet, mit dem die Wassermenge im Netz konstant gehalten wird.

Die Entgasung des Heizwassers steigert die Effizienz einer Anlage, damit Luft gefüllte Hohlräume im System gar nicht entstehen können. Darüber hinaus ist das Wasser somit auch frei von Kohlensäure, die ansonsten Korrosion verursacht.

Ein System für alle Anforderungen: BerkeSelect IQ+ Bild: Veolia Water Technologies

Störungsfreier Betrieb dank Wasseraufbereitung

Denn nur durch normgerecht aufbereitetes Wasser ist sichergestellt, dass eine Anlage effizient und energiesparend mit einem optimalen Wärmedurchgang betrieben werden kann. Die Entstehung von Korrosion, Kesselstein oder eine Verschlammung werden verhindert. Eine normgerechte Aufbereitung garantiert den langfristigen und störungsfreien Betrieb. Und genau mit dieser nachhaltigen Betriebsführung müssen Fernwärmenetze zuverlässig punkten.

Heizzentrale: Effizienz und Sicherheit im Wasserübergang dank Wasseraufbereitung Bild: Veolia Water Technologies

Langlitz: „Wir haben uns für die Anlage von Veolia Water Technologies entschieden, weil es sich hier um eine stationäre Anlage handelt, die das Wasser kontinuierlich aufbereitet. Von anderen Anbietern hatten wir Angebote für mobile Anlagen, die wir nur über mehrere Monate eingesetzt hätten.“

Die Aufbereitungsanlage ist im Nebenstrom installiert und entnimmt dem Heizkreislauf kontinuierlich Wasser, das über Filterbeutel geführt wird. Ist deren Kapazität erschöpft, können sie einfach gewechselt werden. „Die Wartung ist relativ einfach durchzuführen, das dauert keine Viertelstunde“, so Langlitz. Das Wasser wird aus der BerkeSelect IQ+ abgelassen, die Filterbeutel ausgetauscht. Daraufhin wird die Anlage wieder verschlossen und erneut gestartet. Seit der Inbetriebnahme ist der Leitwert planmäßig gesunken und hat mittlerweile den Zielwert erreicht.

Mit der richtigen Wasseraufbereitung Vorreiter der Energiewende

Das Nahwärmenetz der Energiedorf Bergheim eG gilt inzwischen als Vorbild auch für andere „Energiedörfer“. Mittlerweile gibt es mehr als 80 Dörfer, die ebenfalls mit der Unterstützung von Landes- und Bundesmitteln eigene Netze aufgebaut haben. „Gerade die aktuelle Energiekrise zeigt, dass die eigenständige Energieversorgung über Nahwärmenetze eine gute Alternative darstellt. Wir sind unabhängig von den Preisen an den Gas- und Ölmärkten. Und ist die Heizanlage einmal abbezahlt, können wir mit unseren Wärmepreisen sogar noch weiter runtergehen“, so das Fazit von Hartmut Langlitz. Die sozialverträgliche Wärmewende ist in der Wetterau also längst in vollem Gang.

Eine Information der Veolia Water Technologies Deutschland GmbH, Celle

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· Artikel im Heft ·

Wasseraufbereitung im Nahwärmenetz
Seite 190 bis 191
15.08.2024
Energiedorf Bergheim
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