Von der Lebensmittelkühlung zur Raumbeheizung

Multivalenzkonzept für Nachhaltigkeit im Filialbetrieb

Regenerativ basiertes Heizen ist in Deutschland bald gesetzliche Pflicht und schon heute eine zentrale gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Die Möglichkeiten einer nachhaltigen Energieversorgung sind inzwischen vielfältig. Weit entwickelte Multivalenzlösungen erlauben eine flexible Wahl von Art, Anzahl und Leistung integrierbarer Erzeugertechnologien.

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Erfolgreicher Umstieg auf grüne Energie: Im Rahmen eines umfassenden Sanierungsprojekts hat das E-Center Cramer die Kopplung von Kälteproduktion und Abwärmenutzung neu am Standort Großburgwedel etabliert. Bild: Wilhelm Cramer GmbH
Erfolgreicher Umstieg auf grüne Energie: Im Rahmen eines umfassenden Sanierungsprojekts hat das E-Center Cramer die Kopplung von Kälteproduktion und Abwärmenutzung neu am Standort Großburgwedel etabliert. Bild: Wilhelm Cramer GmbH

In Umgebungen, wo Wärme und Kälte gleichermaßen bereitgestellt werden müssen, überzeugen Verbundkonzepte mit potenziell sehr hohen Gesamtwirkungsgraden – etwa bei der Kopplung von Kältemaschinenbetrieb und dem dabei freiwerdenden Sekundärprodukt Abwärme. Ein Blick in den Lebensmitteleinzelhandel zeigt Wege der Umsetzbarkeit und Maßnahmen zur Effizienzmaximierung eines Erneuerbare-Energien-Mix auf.

Thermische Konservierungs- und Lagerungsverfahren sind neben der Raumklimatisierung essenziell für eine produktive Standortführung im Lebensmitteleinzelhandel. Hohe Energieaufwände belasten insbesondere das Food- bzw. das kombinierte Food/Non-Food-Segment. Viele Einzelhandelsketten haben in den vergangenen Jahren neue Effizienzstrategien entwickelt, aber gerade im noch unsanierten Gebäudebestand gibt es deutliches Optimierungspotenzial. In der Regel erfordert der Umstieg auf regenerativ basierte, multivalente Versorgungslösungen tiefgreifende technische Adaptionen, die mit komplexen Herausforderungen bei der Integration und dem komplementären Betrieb mehrerer Erzeuger mit unterschiedlichen Leistungsniveaus einhergehen. Besonders im Fokus steht dabei immer wieder die Qualität der Hydraulik bei der Gebäudeheizung und -kühlung.

Als spezialisierter Technologieentwickler befasst sich die Zortea Gebäudetechnik GmbH aus Hohenems/Österreich seit vielen Jahren mit der Problematik gestörter Versorgungskreise, ineffizient arbeitender Erzeugeranlagen und hoher Wärmeverluste im System. Die heute vielfach patentierte Zortström-Technologie – ein kombiniertes Sammel-, Speicher- und Verteilzentrum – ist das Ergebnis eines hoch differenzierten Engineerings, wissenschaftlicher Kooperationen und der Erfahrung aus aktuell mehr als 7.000 Energieprojekten weltweit.

Hydraulikoptimierung: Effizienzhub für den EE-Mix

2020 erhielt Zortea den Auftrag, die energetische Neuausrichtung des Edeka-Centers Cramer in Großburgwedel technologisch zu unterstützen und eine Zortström-Lösung zu entwerfen, die in dem Unternehmen aus dem Edeka-Verbund künftig eine signifikante Substitution fossiler Energieträger ermöglichen würde. Die von der H-E-S Service Gesellschaft für Heizungs- und Sanitäre Anlagen mbH in Kelbra geplante Versorgungslösung sah vor, den regenerativen Anteil bei der Gebäudebeheizung soweit zu erhöhen, dass die Brennwerttechnik nur noch an sehr kalten Tagen zur Spitzenlastsicherung zugeschaltet werden würde. Als primäre Wärmequelle im neu sanierten Gebäudebetrieb wählten die Planenden die Wärmerückgewinnung aus der Kälteproduktion vor Ort.

Mit seinem parallel hohen Verbrauch von Wärme und Kälte ist der Lebensmitteleinzelhandel ein prädestiniertes Einsatzfeld für intelligente Wärmerückgewinnungskonzepte. Bild: EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

Mit der Kopplung von Kälteerzeugung und Heizverfahren erzielt das Gesamtsystem sowohl deutliche Effizienzsteigerungen als auch Verbesserungen der Emissionsbilanzen: Neue verbrauchsoptimierte und umweltfreundliche Kühl- und Tiefkühlgeräte senken den Stromverbrauch. Zudem kann mittels Abwärmenutzung aller Kühlmöbel im E-Center die Heizlast des Gebäudes während der Übergangszeit mit einer Leistung von 180 kW und Temperaturen von 40/30 °C vollständig gedeckt werden. Zweiter Wärmeerzeuger im Multivalenzkonzept von Edeka Cramer ist eine Wärmepumpe mit 60 kW Leistung. Sie versorgt einen weiteren Gebäudeteil über die Lüftungsanlage und eine Betonkernaktivierung.

Die effiziente Nutzung von Abwärme aus Kühlungs- und Klimatisierungsprozessen erzielt in Kombination mit Wärmepumpentechnologie hohe Ressourceneinsparungen und sichert gleichzeitig eine (kosten-)stabile Energieversorgung. Bild: EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

Um den Energie-Output der Wärmerückgewinnung und des Wärmepumpenbetriebs zu maximieren und damit den Wirkungsgrad des regenerativen Versorgungssystems auf einem hohen Niveau zu stabilisieren, mussten zwei grundlegende Voraussetzungen gegeben sein:

  1. eine hocheffiziente Einspeisung der aus dem WRG-Verfahren gewonnenen Niedertemperaturen und
  2. eine ebenso maximal effiziente Arbeitsleistung der Wärmepumpe.

Beides lässt sich nur dann realisieren, wenn sich sowohl die Anlagenhydraulik als auch die Speicherqualität als absolut präzise und störungsfrei erweisen. Um dies zu gewährleisten, komplettierten die Planenden von H-E-S das neu aufgesetzte thermische Versorgungssystem mit zwei Zortström-Zentren der Multi-PG-H-Reihe:

  • eine sechsstufige Anlage mit einem Durchmesser von 900 mm, einer Höhe von 2.340 mm und einem Inhalt von 1.387 l sowie
  • eine fünfstufige Anlage mit einem Durchmesser von ebenfalls 900 mm, einer Höhe von 2.190 mm und einem Fassungsvermögen von 1.291 l.

Der Zortström arbeitet als zentrale Sammel-, Speicher- und Verteileinheit mit mehreren Anschlüssen für Erzeuger und Abnehmer, in der alle integrierten Heiz- und Kühlströme des Standorts zusammenlaufen. Das System vereint drei grundlegende Funktionen in einer Anlage: die einer hydraulischen Weiche, eines Puffers und eines Verteilers. Die Vorhaltung und Bewegung von thermischer Energie durch den Zortström erfolgt bedarfskonform und mit maximaler Präzision sowohl auf der Erzeuger- als auch auf der Abnehmerseite.

Dafür wesentlich sind die Funktionsprinzipien der hydraulischen Entkopplung und einer exakten Temperaturtrennung in beliebig viele Temperaturstufen innerhalb der Zortström-Anlage: Die Volumenströme von unterschiedlichen regenerativen und/oder konventionellen Wärme- und Kälteerzeugern werden hydraulisch voneinander entkoppelt und nach Temperaturen getrennt in einem Schichtspeicher mit Gleitschichtraum gesammelt. Die Temperaturniveaus im Zortström werden durch die Leistung der integrierten Wärmeerzeuger gesteuert. Entsprechend den physikalischen Eigenschaften des Wassers befindet sich dabei der Rücklauf eines Heizkreises mit niedrigerer Temperatur ganz unten, der Vorlauf des Heizkreises mit der höchsten dagegen ganz oben.

Zortström-Anlage der H-Reihe: Das exakt dimensionierte, flexibel installierbare und wartungsfreie System macht die Energiewende im eigenen Betrieb effektiv und unkompliziert möglich. Eine vollständige Volumenstromentkopplung und die maximale Schichtungsqualität schaffen die Voraussetzungen für eine effektive Effizienzausschöpfung in bi- und multivalenten Versorgungsstrukturen. Bild: Zortea Gebäudetechnik GmbH

Die präzise Trennung in beliebig viele homogene Temperaturstufen ermöglicht die optimale Nutzung der Vor- und Rückläufe von angeschlossenen Heiz- und Kühlkreisen und stellt sicher, dass die festgelegten Betriebsparameter aller Erzeuger stabil und lastenunabhängig erfüllt werden können. Auf diese Weise lässt sich sowohl der Brennwerteffekt nutzen, der durch den stufenweisen Temperaturabbau erzielt wird. Gleichzeitig kann die hohe Abwärmeleistung aus der Kälteproduktion verlustfrei in die thermische Infrastruktur integriert werden. Für die Wärmepumpe werden durch die vollkommene hydraulische Entkopplung und die maximale Schichtungsqualität optimale Effizienzgrundlagen geschaffen, die die elektrische Energieaufnahme der Wärmepumpe bei gleichem Energie-Output maximal reduzieren.

Die WRG-WP-Lösung versorgt heute am Standort Großburgwedel statische Heizungen, Hauptlüftung, Nacherhitzer, Deckenerhitzer und die Brauchwasserstation per Anschluss an die jeweils passende Temperaturzone im Behälter mit den zugehörigen exakt definierten Vorlauftemperaturen. Die Abwärme der Kältemaschinen lässt sich effektiv nutzen, indem sie eine Schicht im Zortström auf die benötigte Temperatur für die Niedertemperaturheizung bringt.

Fazit

Die Kombination aus den Verfahren der Wärmerückgewinnung, der Geothermienutzung und der Hydraulikoptimierung bewährt sich seit ihrer Inbetriebnahme durch eine deutliche Senkung der Energieaufwände in der Kälte- und Wärmeversorgung und leistet damit gleichzeitig einen wichtigen Beitrag, die Treibhausgas-Emissionen zu drosseln und Klimaschutzmaßnahmen im energieintensiven Sektor des Lebensmitteleinzelhandels zu unterstützen.

Ing. Christian Zortea

Ing. Christian Zortea
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