Sachverständigentagung und Expertenforum
Der DVQST feierte den 5. Jahrestag seiner Gründung am 14. September 2024, der VDI in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen der Trinkwasserrichtlinie VDI 6023. Diese beiden Jubiläen wurden zum Anlass, zwei wichtige Veranstaltungen der Trinkwasserwelt an einem gemeinsamen Veranstaltungsort zusammenzubringen: die 2. Sachverständigentagung Trinkwasserhygiene des DVQST am 24. September und das VDI Expertenforum Trinkwasserhygiene auf dem aktuellen Stand am Folgetag.
Die beiden Tagungen präsentierten eine umfangreiche Liste an Fachvorträgen zur Technik und häufigen Fehlern bei der Trinkwasserinstallation, Entwicklungen bei Normen und Richtlinien, Debatten in Normenausschüssen sowie interessante und kuriose Fallbeispiele aus der gutachterlichen Praxis. Jubiläumsbedingt gab es zudem einen Abriss zur rasanten fachlichen und zahlenmäßigen Entwicklung des DVQST nebst feierlichem Abendessen auf dem Rheinturm mit diversen Ehrungen und ausgiebigem Netzwerken. Ein Rückblick auf die Vorgeschichte, Entstehung und Entwicklung der VDI 6023 eröffnete den zweiten Fachtag.
„Jura de luxe“
Muss ein Installationsbetrieb eine Meldung machen, wenn bei Arbeiten an der Trinkwasserinstallation Blei gefunden wird? Dieser Frage ging Rechtsanwalt Hartmut Hardt, der seit Gründung Ehrenmitglied im DVQST ist, auf der 2. Sachverständigentagung nach. Der Weg von der Frage zur Antwort gestaltete sich unterhaltsam, denn Hardt, der den eigenen Spaß an der Arbeit betont, will sein Publikum daran teilhaben lassen. Er übersetzt trockene Gesetzestexte und juristischen Fachjargon gern in einfaches Deutsch und nimmt sich dabei selbst nicht allzu ernst. Am Ende einer Sinfonie langer, farbig illustrierter Sätze fand sich auch das vereinzelt verlorengangene Fadenende wieder. Um es kurz zu machen, ergibt sich aus dem Strafrecht wohl kein Ansatz, gegen Wasserversorgungs- oder Installationsunternehmen vorzugehen, wenn sie aufgefundenes Blei nicht ankreiden. Zivilrechtlich hingegen muss man sich durchaus der übergeordneten Kompetenz seines Unternehmens bewusst sein und nach den anerkannten Regeln der Technik beraten und informieren, auch zum Thema Blei.
„Das hättest du mir aber sagen müssen!“ Darauf hätten Laien, aus denen die Welt überwiegend besteht, einen Anspruch gegenüber Sachverständigen, die ein herausragendes Wissen haben, sagt Hardt.
Mehrheitsmeinung vs. Gesetze der Physik
Mit den anerkannten Regeln der Technik scheint es aber nicht so einfach zu sein, denn was der Begriff meint, ist nicht unstrittig. Offenbar verstehen Sachverständige, Juristen und auch jeder Einzelne etwas anderes darunter. Prof. Dipl.-Ing. Mattias Zöller, Architekt, Sachverständiger und Professor für Bauschadensfragen am Karlsruher Institut für Technologie, hält die a.R.d.T. für eine juristische Illusion. Gemeinsam mit Prof. Dr. Antje Boldt hat er zu diesem „unbestimmten Rechtsbegriff“ auch eine Ausgabe der Baurechtlichen und –technischen Themensammlung von Der Bausachverständige herausgegeben.
Einig ist sich Zöller mit Hardt und allen anderen Sachverständigen, die an diesen beiden Tagen zu Wort kommen, darüber, dass Verbraucher „doof“ sein dürfen. Baufachleute müssen sich jedoch der Kluft zwischen der allgemeinen Anerkennung und der physikalischen Richtigkeit einer Regel bewusst sein. DIN-Normen und andere technische Regeln seien nicht grundsätzlich mit anerkannten Regeln der Technik gleichzusetzen, wie dies häufig geschieht. Die DIN zum Beispiel stünden zwar zur Anwendung zur Verfügung, seien aber keine Gesetzesvorlage und gäben oft nicht einmal den aktuellen Stand der Technik wieder, da die Entwicklung schneller sei als das Normenwesen und viele wichtige Regeln es heute nicht einmal mehr in die allgemeine Bekanntheit schaffen. Zugleich würden die Normen aber auch für Juristen geschrieben.
Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch
Um die Normen im Einzelnen, die Technik und die manchmal seltsame Praxis der Umsetzung drehte es im übrigen Verlauf der Sachverständigentagung. Die neue DIN 1717 „Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen in Trinkwasserinstallationen und allgemeine Anforderungen an Sicherungseinrichtungen zur Verhütung von Trinkwasserverunreinigungen durch Rückfließen“ und ihre Rolle und Tiefe als europäische Norm im Vergleich zu den nationalen Regelwerken schaute sich etwa Arndt Bürschgens an. Er ist Sachverständiger für Hygiene in Trinkwasserinstallationen, DVQST-Mitgründer und Mitglied in diversen Regelwerksgremien. Etwas überraschte dabei die Bandbreite an Anwendungen, die Trinkwasserqualität und damit auch gut gepflegte und gespülte Installationen erfordern. Die zunehmende Komplexität von Trinkwasserinstallationen im Verlauf der letzten 150 Jahre betrachtete Martin Pagel in seinem Vortrag zur T-Stück- vs. Durchschleifinstallation. Dass Kaltwasser oft schon nicht mehr kalt ist, ehe es überhaupt den Hausanschluss erreicht, was zu tun und bei der Begutachtung zu beachten ist, erläuterte Ralf Masuch. Beide sind ebenfalls ö.b.u.v. Sachverständige.
Der Geburtstag des Verbandes nebst Ehrung von Gründungsmitgliedern wurde am Abend auf dem Rheinturm zelebriert. Bei weitreichendem Rundum-Ausblick und feinen Speisen ergaben sich nicht nur neue Perspektiven auf Düsseldorf, sondern auch auf Hintergründe der täglichen Praxis der Installations- und Sachverständigenbranche.
VDI Expertenforum: Trinkwasserhygiene auf dem aktuellen Stand
„Die VDI 6023 ist die einzige allgemein anerkannte Regel der Technik, die die gesamte Trinkwasserhygiene produktunabhängig und praxisbezogen im Zusammenhang darstellt“, schreiben Thomas Wollstein vom VDI und Arnd Bürschgens im Vorwort des Programms zur Veranstaltung am 25. September. An den Ausführungen vom Vortag zu diesem „unbestimmten Rechtsbegriff“ kann die Autorin dabei nicht vorbeidenken. Doch die Richtlinie, die 25 Jahre mit Erkenntnisgewinnen im Bereich der Mikrobiologie und technischen Weiterentwicklungen mitwuchs, ist zweifellos ein technisches Regelwerk, das die Gesetze der Naturwissenschaften berücksichtigt.
Sie wuchs auch buchstäblich mit, wie Bürschgens zeigt, der ihre Entwicklung von der zwölfseitigen Erstausgabe vom 01.12.1999 bis zum mehrteiligen Regelwerk nachzeichnet, das verschiedene Aspekte nach Blättern strukturiert und alle Installationen von der Gartenlaube bis zum Fernbahnhof abdeckt. Dabei weist er insbesondere auf neue Problemstellungen hin, die sich mit der Corona-Pandemie und den kürzlichen Hochwasserkatastrophen zeigten. Um hinreichend schnell zu handeln, gab der VDI in beiden Fällen Expertenempfehlungen heraus.
In die technischen Details zur hygienischen Außer- und Wiederinbetriebnahme, des sicheren Betreibens und der Risikoabschätzung gingen die nachfolgenden Vorträge. Christian Strehlow, DVQST-Mitgründer und ö.b.u.v. Sachverständiger in Berlin, bemängelt in diesem Zusammenhang, dass Betreiber (und auch Nutzer) von Trinkwasseranlagen in der Regel zu wenig über selbige wüssten. Für die Nutzung motorgetriebener Fahrzeuge müsse man Kenntnisse der StVo nachweisen, es gäbe zahlreiche Hinweisschilder im öffentlichen Straßenraum und Strafpunkte bei Regelverstößen. Ähnliches würde er sich auch bei Verstößen gegen die TrinkwV wünschen. Beispiele zu wissentlichen und unwissentlichen Fehlern bei Konstruktion und Umgang mit den Anlagen kann er in Fülle zeigen.
Der Nachmittag ist der Hydraulik und dem hydraulischen Abgleich in Trinkwasserinstallationen gewidmet, sowie der Hygiene bzw. ihrem Mangel, der sich u. a. im Befall mit krankheitsverursachenden Mikroorganismen wie Legionellen und Pseudomonas manifestiert. Fehler bei Technik und Instandsetzung sowie Gegenmaßnahmen und Vorgehensweisen bei Kontaminationen zeigten Dr. med. Roland Suchenwirth vom Büro Hygeia und Dr. Peter Arens (Schell GmbH & Co. KG und ö.b.u.v. Sachverständiger für Trinkwasserhygiene).
MSc, Dipl.-Ing. Silke Schilling
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