Geothermie: Den Sommer im Winter ernten
Ganz konkrete Projekte wie die Nutzung der Abwärme eines Schwimmbads, die Kälte- und Wärmeversorgung eines Klinikums oder auch für das Elefantenhaus der Wilhelma in Stuttgart stehen auf dem Plan. Das Umweltministerium Baden-Württembergs bewilligte rund 880.000 €, um an acht Standorten das Potenzial der geothermischen Wärmespeicherung wissenschaftlich zu bewerten.
Deutschland hinkt hinterher
Das Speichern von sommerlicher Wärme oder der Abwärme von Industrieanlagen in unterirdischen, wasserführenden Schichten – in so genannten Aquiferen – ist beispielsweise in den Niederlanden weit verbreitet. An über 1.800 Standorten verwirklichte das Nachbarland bereits diese Technologie. In Deutschland gibt es bisher nur drei Standorte mit geothermischer Energiespeicherung in Grundwasserleitern. Prominentestes Beispiel ist das Reichstagsgebäude in Berlin, das über mehrere Aquiferspeicher mit Wärme im Winter und Kälte im Sommer versorgt wird. Hamburg plant zurzeit einen enormen Aquiferwärmespeicher, der in Zukunft über eine 250.000 Haushalte und Gewerbebetriebe warm durch den Winterbringen soll. „In Baden-Württemberg gibt es bis zum heutigen Zeitpunkt keinen Aquiferspeicher, obwohl der Untergrund in zahlreichen Gebieten gut bis sehr gut zur Energiespeicherung geeignet ist“, stellt Professor Philipp Blum vom Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT fest.
In Hockenheim geht’s los
Aquiferspeicher sind wasserführende Schichten im Untergrund, in denen das Wasser nicht oder kaum fließt – die Wärme also nicht abtransportiert wird. Sie werden durch Bohrungen erschlossen, um mit der Abwärme von Industrieanlagen oder Solarwärme das Wasser im Untergrund aufzuheizen. Das umgebende Gestein wirkt dabei als Isolator. Die eingespeicherte Wärme kann dann über Wärmetau-scher bei Bedarf, also z. B. im Winter, wieder abgerufen werden.
Ein solches System ist für die anfallende überschüssige Wärme eines großen Schwimm- und Erlebnisbads in Hockenheim geplant. Die Kellerräume sind hier aufgrund des Wärmenetzes sowie der Abwärme technischer Anlagen ganzjährig auf über 30 °C aufgeheizt. Diese überschüssige Wärme soll nun während der Sommermonate in einem Grundwasserleiter gespeichert werden, um dann im Winter wieder zur Verfügung zu stehen. Wissenschaftler des KIT begleiten das Vorhaben und entwickeln ein maßgeschneidertes und neues Monitoring- und Speicherkonzept.
Tunnelgeothermie in Stuttgart
Aber auch Abwasserkanäle oder Tunnelsysteme eignen sich als Wärme- oder Kältespeicher. „Die so genannte Tunnelgeothermie zur Heizung, Kühlung und Wärmespeicherung ist für das zukünftige Elefantenhaus der Wilhelma in Stuttgart geplant“, erläutert Blum, Koordinator des Forschungsvorhabens GeoSpeicher.bw. „Das neue Stadtmuseum Stuttgart wird zukünftig dank Abwasserwärme und -kälte energieeffizient aufgestellt sein“, führt Blum weiter aus. Im Rahmen von Promotionsarbeiten wird hierbei u. a. die Einbindung von röhrenförmigen Erdwärmeabsorbern in ein Wärme-Smart-Grid untersucht oder auch die Systemintegration geothermischer Anlagen in ein bestehendes Gebäude- und Energiekonzept.
Die Projekte und die Ziele
Insgesamt acht Geothermie-Projekte in Baden-Württemberg werden in den kommenden drei Jahren unter Federführung des KIT wissenschaftlich ausgewertet und begleitet. Die Themen erstrecken sich von innovativen Monitoring- und Speicherkonzepten, detaillierten Wärmetransport-Modellen, Untersuchungen zur Hydrogeochemie, weitreichenden System- und Optimierungsanalysen bis hin zu maßgeschneiderten Kommunikations-Strategien. Regelmäßige Workshops, Tagungen und Fortbildungen stellen einen regen Gedankenaustausch auch über die Institutsgrenzen sicher. Sieben Doktoranden sowohl aus den Reihen des KIT sowie den Universitäten Heidelberg und Stuttgart sowie den Hochschulen Biberach und Offenburg engagieren sich in den verschiedenen Vorhaben.
Philipp Blum skizziert das Ziel: „Gemeinsam mit den Stadtwerken möchten wir greifbare Demo- und Beispielprojekte mit einer breiten Öffentlichkeitswirkung schaffen. Deshalb sind Fachleute der Stadtwerke Hockenheim, Biberach, Überlingen, Bad Waldsee sowie Stuttgart von Anfang an eng in die Arbeiten mit eingebunden“.
Im Projekt GeoSpeicher.bw arbeiten Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie mit Kollegen der Universitäten Heidelberg und Stuttgart sowie der Hochschulen Biberach und Offenburg zusammen.