Dena-Gebäudestudie zur Energiewende im Gebäudesektor
Bei der Analyse verglich man erstmalig unterschiedliche Pfade zur Zielerreichung miteinander und untersuchte sie unter Aspekten wie Kosten, Energieimporte und Infrastrukturbedarf.
„Der Gebäudesektor spielt eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Hier wird mehr Energie verbraucht als im Verkehr oder in der Industrie, hier wird auch ein Großteil der für die Energiewende insgesamt aufzuwendenden Investitionen aufgebracht werden müssen. In Zukunft werden Gebäude auch immer wichtiger für das Energiesystem, indem sie Energie produzieren und speichern. Um diese Potenziale zu erschließen, brauchen wir für den sehr heterogenen und kleinteiligen Gebäudesektor offene Technologiepfade, die Faktoren wie Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Akzeptanz seitens der Bevölkerung berücksichtigen. Dafür müssen die bestehenden Politikinstrumente verbessert und neue entwickelt werden. Dies betrifft beispielsweise die Ausweitung der Förderung oder die Intensivierung der Beratung. Die kommenden Koalitionsverhandlungen können dafür den Grundstein legen. Wichtig ist: Um einen effizienten Transformationspfad zu erreichen, werden erste entscheidende Maßnahmen sehr schnell anzugehen sein“, sagte Andreas Kuhlmann, geea-Sprecher und Vorsitzender der dena-Geschäftsführung.
Klimaschutzszenarien sind machbar mit Mehrkosten
In der Gebäudestudie dient die aktuelle Entwicklung als Vergleichsgröße für zwei Alternativen. Zum einen das Technologiemixszenario, das auf ein breites Spektrum an Technologien setzt und zum anderen das Elektrifizierungsszenario, das auf einen sehr starken Einsatz von erneuerbarem Strom im Wärmebereich abzielt.
Die Gebäudestudie besagt, dass bei einer Fortschreibung der heutigen Entwicklung, Deutschland seine Klimaschutzziele klar verfehlen würde. Bis 2050 käme der Gebäudesektor nur auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 67 Prozent im Vergleich zu 1990. Dagegen erreichen beide Alternativszenarien die klimaschutzpolitischen Ziele der Bundesregierung und mindern die Emissionen um 80 bis 95 Prozent. In beiden Szenarien sind die erneuerbaren Energien und die deutliche energetische Verbesserung der Gebäudehülle und der Anlagentechnik tragende Elemente der zukünftigen Wärmeversorgung.
Um einen sehr breiten Einsatz von elektrischen Wärmepumpen zu ermöglichen, müssten nach dem Elektrifizierungsszenario bis 2050 jedes Jahr rund zwei Prozent des gesamten Gebäudebestands in Deutschland saniert werden. Im technologieoffenen Szenario würden dagegen 1,4 Prozent reichen. Neben Strom für Wärmepumpen würden hier auch zunehmend gasförmige und flüssige Brennstoffe zum Einsatz kommen. Diese werden mit Hilfe von erneuerbaren Energien synthetisch erzeugt und hauptsächlich importiert. Die entsprechenden nationalen und vor allem auch internationalen Märkte müssten wiederum dafür rechtzeitig entwickelt werden.
„Wer die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt hat, der weiß, dass selbst eine Sanierungsrate von 1,4 Prozent ein ambitioniertes Ziel ist. Technologische Lösungen und kompetente Anbieter gibt es genug. Auch an guten Vorsätzen auf Seiten von Politik und Wirtschaft mangelt es eigentlich nicht. Trotzdem haben wir zuletzt nur rund ein Prozent pro Jahr erreicht. Im Vergleich zum Status quo müssten wir also die Sanierungsaktivitäten so schnell wie möglich um mindestens 40 Prozent steigern und dafür auch breite gesellschaftliche Zustimmung finden. Wenn wir das schaffen, können wir sehr zufrieden sein“, betont Kuhlmann.
Kuhlmann: „Ein Weiter-wie-bisher reicht nicht!“
Einer der Gründe, warum der technologieoffene Pfad in der Kostenbilanz deutlich günstiger ist als das Elektrifizierungsszenario, ist die geringere Sanierungsrate. Weniger erforderlich sind Investitionen in Gebäudehüllen und Anlagentechnik. Die höheren Kosten für die Beschaffung der erforderlichen Brennstoffe fallen dagegen weniger ins Gewicht. Der technologische Pfad erreicht im Vergleich zum Referenzszenario die Klimaschutzziele für Mehrkosten von insgesamt 12 bis 14 Prozent. Das Elektrifizierungsszenario kommt auf Mehrkosten von gut 20 Prozent.
Im Gebäudesektor weisen die beiden Szenarien auch bei der Entwicklung des Energieverbrauchs deutliche Unterschiede auf. Die Elektrifizierung bringt eine höhere Sanierungsrate mit sich. Im Vergleich zu 2015 führt sie zu einer Senkung des Energieverbrauchs um gut 60 Prozent bis zum Jahr 2050. Beim Technologiemixszenario wird weniger saniert. Deswegen liegt hier der Wert bei etwa 47 Prozent. Die Klimaschutzziele lassen sich aber auch hier erreichen, da die Strom- und Brennstofferzeugung (gasförmig und flüssig) mit Hilfe von erneuerbaren Energien erfolgt. Der Strombedarf steigt außerdem im technologieoffenen Pfad nicht so stark an. Im Stromnetz ist die Fluktuation dadurch geringer.
„Das Energiesystem wächst immer mehr zusammen, Richtungsentscheidungen im Gebäudesektor haben auch Auswirkungen auf andere Sektoren und umgekehrt. Die Gebote der Wirtschaftlichkeit und des Wettbewerbs drohen verloren zu gehen, wenn wir versuchen, einzelne Technologien politisch zu steuern, anstatt technologieoffene Rahmenbedingungen mit klarem Fokus auf CO2-Vermeidung zu entwickeln. Umso wichtiger ist es, dass Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sich auf Lösungen verständigen. Mit unserer Gebäudestudie wollen wir diesen Dialog voranbringen. Deshalb haben wir sie bewusst gemeinsam mit vielen branchenrelevanten Unternehmen und Verbänden erarbeitet“, betonte Kuhlmann.